Krisenverordnung kommt EU-Staaten einigen sich im Streit um Asyl-Reform
04.10.2023, 13:03 Uhr Artikel anhören
Im Streit um die europäische Asylreform einigen sich die EU-Staaten auf einen Kompromiss. Die Mitgliedsländer machen laut spanischer Ratspräsidentschaft den Weg frei für die sogenannte Krisenverordnung. Die Einigung ermöglicht wichtige Gespräche mit dem Europaparlament für den Abschluss der Reform.
Die EU-Staaten haben nach wochenlangem Streit über ein Kernelement der geplanten Asylreform einen Durchbruch erzielt. Es sei eine gemeinsame Positionierung zu den Vorschlägen der EU-Kommission für einen Krisenmechanismus vereinbart werden, teilte die spanische EU-Ratspräsidentschaft auf X mit. Mehrere Diplomaten bestätigten die Einigung, die wichtige Gespräche mit dem Europaparlament ermöglicht, die für den Abschluss der Asylreform wichtig sind. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem "historischen Wendepunkt". Die Reform "wird irreguläre Migration in Europa wirksam begrenzen und Staaten wie Deutschland dauerhaft entlasten", schrieb der SPD-Politiker auf der Plattform X .
Die sogenannte Krisenverordnung ist ein zentrales Element der geplanten EU-Asylreform. Über sie könnte etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform zahlreiche Ergänzungen und Verschärfungen vor, um unerwünschte Migration zu begrenzen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte, wichtige Änderungen seien auf deutsche Initiative hin nun umgesetzt worden. Es gebe keine "Herabsetzung von humanitären Standards bei der Aufnahme in Krisensituationen". Die Regelungen der Krisenverordnung könnten nur durch einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten im Rat und nicht etwa durch einzelne Mitgliedstaaten aktiviert werden.
Seenotrettung als Streitthema
Dass über die Pläne für den Krisenmechanismus wochenlang keine Einigung erzielt werden konnte, hatte insbesondere an humanitären Bedenken der Bundesregierung gelegen. Nachdem der Druck von Partnerländern gestiegen war, gab Berlin allerdings in der vergangenen Woche den Widerstand auf, nachdem es kleinere Zugeständnisse gegeben hatte. Zuletzt sperrte sich dann noch Italien, das nun aber ebenfalls im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten einem Kompromiss zustimmte.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock begrüßte die Einigung und betonte: "Wir haben in Brüssel bis zur letzten Minute hart und erfolgreich darum gerungen, dass es nicht zu einer Aufweichung von humanitären Mindeststandards wie dem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung kommt." Die Regelungen für das Feststellen einer Krise könnten zudem "nur in sehr stichhaltig begründeten Fällen überhaupt gezogen werden".
Streitthema war vor allem die Rolle privater Seenotrettungs-Organisationen im Mittelmeer. Mit dem Kompromiss hat sich nun Italien weitgehend durchgesetzt: Auf Drängen der ultrarechten Regierung in Rom wurde nach Diplomatenangaben ein Absatz aus dem Gesetzestext genommen, der sich auf die Einsätze der Seenotretter bezog. Er besagte, dass die Folgen dieser Rettungseinsätze nicht für die Feststellung des Krisenfalls herhalten dürften. Der Absatz steht nun nur noch als Zusatzklausel in dem Entwurf.
Nach der Einigung auf Ebene der Regierungen der EU-Staaten soll nun schnellstmöglich auch mit dem Europaparlament eine Verständigung über das Reformprojekt erzielt werden. Dabei drängt die Zeit angesichts der baldigen Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.
Quelle: ntv.de, ara/jwu/AFP/dpa