Nach dem TV-Duell Söder bei Miosga: "Geschichte mit Scholz ist auserzählt"
10.02.2025, 03:37 Uhr Artikel anhören
Nicht wirklich überraschend: Markus Söder fand den Auftritt von CDU-Chef Merz überzeugender, Lars Klingbeil (r.) den von Bundeskanzler Olaf Scholz.
(Foto: NDR/Thomas Ernst)
Nach dem TV-Duell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und seinem Herausforderer Friedrich Merz hat sich ARD-Talkmasterin Caren Miosga zwei hochrangige Politiker und eine Journalistin eingeladen. Deren Analyse: Eine Koalitionsbildung nach der Wahl wird schwierig, aber nicht unmöglich.
Es gibt einen Sieger nach dem TV-Duell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz. Das ist die jeweilige Analyse der drei Gäste, die sich Caren Miosga in ihre gleichnamige ARD-Talkshow eingeladen hat. Zwei von ihnen sind sich natürlich nicht hundertprozentig einig, wie sollte es anders sein: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hebt die Stärken von Merz und Scholz' Schwächen hervor, SPD-Chef Lars Klingbeil lobt den Kanzlerkandidaten seiner Partei. Doch von einem haushohen Sieg von Olaf Scholz mag er nicht sprechen.
Melanie Amann vom "Spiegel" ist unabhängiger. Und ihr Urteil fällt ziemlich eindeutig aus. Man habe einen kämpferischen Olaf Scholz gesehen, der auf Attacke gegangen sei. Möglicherweise habe er ein bisschen Boden gutgemacht. "Aber unterm Strich sehe ich schon die Performance von Herrn Merz für die Öffentlichkeit als die Überzeugendere", sagt Amann. Scholz habe versucht, die Komplexität der Politik zu erklären und herauszuarbeiten, warum man nicht alles im Hauruck-Verfahren erledigen könnte, erklärt sie. Und er habe seine Leistungen hervorgehoben, von denen viele Bürger jedoch nicht viel spüren würden. "Da liegt seine Schwäche, über die kommt er nicht hinweg. Und dann fällt es jemandem wie Merz leicht, zu sagen: 'Das habe ich aber nicht verstanden'. Und ich glaube, dass das zieht."
Später analysiert sie noch klarer: Merz sei der eindeutige Gewinner des Duells. Ob Olaf Scholz das Ruder noch einmal herumreißen könne, fragt Miosga. Das Urteil von Amann dürfte für die Sozialdemokraten ernüchternd sein. "Wenn es kein unvorhergesehenes, externes Ereignis irgendeiner Art gibt, habe ich den Eindruck, dass das Momentum sehr klar zu Merz zeigt."
Söder: Scholz "zu überschießend"
Was er denn an dem Bundeskanzler gut gefunden habe während des Duells, will Caren Miosga am Anfang der Sendung von Markus Söder wissen. Der muss ziemlich lange überlegen. "Ich fand positiv, dass Scholz versucht hat, eine Art Gefühlsregung zu zeigen. Das kennt man von Olaf Scholz sonst gar nicht", sagt er dann. "Aber ich hatte irgendwie das Gefühl, dass es vielleicht etwas zu überschießend war." Scholz habe auf ihn gewirkt, als wollte er "ein bisschen Rambazamba" machen. "Aber ich würde sagen, das ging nach hinten los."
Lars Klingbeil lobt am Unions-Herausforderer: "Er hat ganz am Anfang gesagt, es sei nicht nichts passiert in diesem Land in den letzten drei Jahren. Das ist für Friedrich Merz fast ein Kompliment."
Es sei ein klarer Schlagabtausch gewesen, analysiert Söder. "Die Argumente liegen jetzt klar auf dem Tisch. Man hat die unterschiedlichen Persönlichkeiten gesehen." Friedrich Merz sei für ihn der eindeutige Sieger gewesen, so Söder. An Scholz hat er einiges auszusetzen: "Ich hatte das Gefühl, Scholz lebt in einer anderen Welt. Also das, was Olaf Scholz beschreibt, deckt sich nicht mit der gefühlten und realen Situation in unserem Land." Während Scholz aggressiv geworden sei, wenn er in Bedrängnis geraten sei, habe Merz auf die Angriffe extrem souverän reagiert und inhaltlich gepunktet. "Auch von dem Persönlichkeitscheck war Merz eindeutig der Stärkere und Souveränere, dem man das Land besser anvertrauen kann als Olaf Scholz. Die Geschichte mit Olaf Scholz ist auserzählt."
Der Eklat im Bundestag
Klingbeil gibt zu, dass sich der Unionskanzlerkandidat kaum aus der Ruhe hat bringen lassen. Das hätten ihm seine Parteistrategen bis kurz vor der Sendung eingetrichtert, vermutet Klingbeil. Allerdings habe Merz noch nie Verantwortung übernommen, nicht einmal als Bürgermeister. Merz habe zu oft seine Meinung gewechselt, in der Wirtschaftspolitik genauso wie bei den Taurus-Lieferungen an die Ukraine. "Und auch das, was letzte Woche im Bundestag passiert ist, mit diesem Tabubruch und Wortbruch, mit dem Dammbruch gegenüber der AfD, das spielt eine große Rolle. Da gucken viele Leute grade auf Friedrich Merz und fragen: Wie verlässlich wäre der denn als Bundeskanzler, zu seinem Wort zu stehen und Dinge konsequent durchzuhalten?"
Tatsächlich zeigen die letzten Wahlumfragen, dass Merz bei den Bürgern nicht wirklich beliebt ist. Nach der Abstimmung der Unionsparteien gemeinsam mit der AfD hat sich das nicht geändert. Viele Menschen in Deutschland vertrauen Merz nicht, sagen Miosga und Amann. "Das kann ich Ihnen erklären", so Söder. "Es liegt daran, dass ein großer Teil nicht ganz sicher ist, ob wir das, was wir sagen, auch ernst meinen." Die Ereignisse vor gut einer Woche im Bundestag spielten dabei eine ganz entscheidende Rolle. Das Thema Migration entzweie die Bevölkerung seit 2015. "Viele Leute, die wütend und empört und immer noch sehr verunsichert sind wegen dem Thema Migration, sind sich noch nicht ganz sicher: Meint die Union das ehrlich? Will sie etwas ändern? Oder ist das möglicherweise so wie in den letzten zehn Jahren? Und Friedrich Merz, der damals nicht dabei war, kann glaubwürdig sagen, dass er einen anderen Kurs will."
Die Entscheidungen des Bundestages seien in Wahrheit ein Test gewesen, ob SPD und Grüne mit der Union gemeinsam abstimmen würden, sagt Söder. "Das war ein Lackmustest der Glaubwürdigkeit, und damit wird die nächsten zwei Wochen für viele Menschen jetzt klar: Wir wollen wirklich etwas ändern, es geht nicht nur um einen klassischen Regierungswechsel. Es geht um einen Richtungswechsel." Und was die AfD angeht: "Die Ampelregierung hat die AfD groß gemacht. Wir werden sie bekämpfen."
Der SPD liege daran, das Gesetz zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem noch in dieser Woche durch den Bundestag zu bringen, sagt Klingbeil gleich zweimal im Laufe der Sendung. Am liebsten gemeinsam mit der Union. Söder sagt nichts dazu.
Reform der Schuldenbremse
Um anfallende Kosten in Wirtschaft und Verteidigung zu zahlen, fordert die SPD schon lange eine Reform der Schuldenbremse. Im TV-Duell hatte sich Merz erneut offen dafür gezeigt, allerdings auch klargestellt, dass dies nicht das vorrangige Thema sei. "Das wundert mich nicht, weil viele Ministerpräsidenten das schon seit geraumer Zeit fordern", sagt Melanie Amann.
Merz habe klar gesagt, er wolle Prioritäten im Bundeshaushalt setzen, sagt Söder. Das seien neben der Reform des Bürgergeldes und dem Abbau des Heizungsgesetzes auch die Senkung der Kosten, die die Migration verursachen. "Man kann die Schuldenbremse nicht einfach aussetzen", sagt Söder, der vor allem bei Investitionen sparen will. In der Ampelregierung habe es Milliarden Euro von gefloppten Investitionen für Wirtschaftsprojekte gegeben.
"Wenn Friedrich Merz irgendwie mit in Verantwortung kommen sollte in diesem Land, dann wird es keine fünf Minuten dauern, bis er seine bisherige Position auch hier über den Haufen werfen wird", sagt Klingbeil. Die Union habe ein Wahlprogramm mit einer Lücke von hundert Milliarden Euro vorgelegt. "Und wir brauchen doch eine andere Finanzierungsbasis in diesem Land. Wenn wir stark sein wollen, wenn wir in Infrastruktur finanzieren wollen, wenn wir in die Sicherheit der Arbeitsplätze investieren wollen, wenn wir in die Bundeswehr, die Bahn, die Bildung investieren wollen, dann brauchen wir mehr öffentliche und private Investitionen. Und ich bin mir sicher, dass die Union sehr schnell auf dem Boden der Realität ankommen wird, falls man in Regierungsverantwortung kommt. Und ich will alles tun, dass das nicht so ist."
"Ich glaube, es wird sehr schwierig, eine Lösung herbeizuführen", sagt Melanie Amann zum Schluss auf die Frage, ob es erneut eine schwarz-rote Koalition im Bundestag geben könnte. "Ich glaube aber, dass es absolut möglich ist."
Quelle: ntv.de