
Lindner kämpft um jede Stimme, wie hier in Freiburg. Die FDP hat es aber schwerer als 2021 oder 2017.
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Noch zweieinhalb Wochen bis zur Bundestagswahl und was macht eigentlich die FDP? Kämpft um jede Stimme, aber so richtig scheinen die Botschaften noch nicht zu verfangen. Der Parteitag am Wochenende soll das ändern.
Die Fünfprozenthürde kann verdammt hoch sein, wenn man sich ihr von unten nähert. Seit Monaten nimmt die FDP Anlauf, um sie am 23. Februar zu überspringen. Zweieinhalb Wochen bleiben noch. Es wird knapp, so viel ist sicher. Im Trendbarometer von RTL und ntv stehen die Freien Demokraten seit Wochen zwischen drei und vier Prozent. Damit würden sie nach 2013 wieder aus dem Bundestag fliegen.
Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend. Parteichef Christian Lindner kämpft jedenfalls. In 46 Tagen absolviert er über 80 Termine und gibt unzählige Interviews. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sprach er am Wochenende lieber über Koalitionsoptionen als über Untergangsszenarien. "Schon minimale Verschiebungen führen dazu, dass die Grünen in die Opposition wechseln und die FDP ihre Linie einbringen kann. 33 Prozent oder 31 Prozent für die Union machen keinen Unterschied. Vier oder sechs Prozent für die FDP ändern die Republik." Mit solchen Sätzen wird Lindner voraussichtlich auch an diesem Wochenende den Mitstreitern beim Parteitag in Potsdam Mut für den Endspurt machen.
Eine neue Koalition mit den Grünen schloss er dagegen aus. Lindner setzt auf ein Bündnis mit CDU und CSU. Seine schwarz-gelben Avancen werden allerdings nicht erwidert. "Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP und vier Prozent zu wenig für die Union", sagte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz der Funke-Mediengruppe.
Die FDP passt der Union nicht mehr ins Konzept
Dabei ist die FDP für die Union inhaltlich noch immer der erste Partner, das gilt für die Wirtschafts-, aber auch für die Migrationspolitik. Das wurde vergangene Woche deutlich. Die FDP stimmte mehrheitlich mit CDU/CSU, AfD und BSW für das Zustrombegrenzungsgesetz. Sinngemäß lassen sich viele Lindner-Äußerungen so zusammenfassen: Was bin ich froh, nicht mehr mit den Grünen koalieren zu müssen.
Der SPD gegenüber scheint er etwas milder gestimmt. Dabei hatte ihn Kanzler Olaf Scholz aus der Regierung geworfen und ihm die sittliche Reife für Spitzenämter abgesprochen. Das könnte damit zu tun haben, dass eine Deutschland-Koalition, also Schwarz-Rot-Gelb, für die FDP die beste Chance böte, wieder mitzuregieren. Die Mehrheit für Schwarz-Rot ist jedenfalls knapp - und so hofft Lindner darauf, als Dritter im Bunde zum Zuge zu kommen. Seine Konkurrenten um Platz 3 am Kabinettstisch sind die Grünen. Auch deswegen agitiert er so gegen sie. Wobei hier Strategie und tatsächliche Ansichten deckungsgleich sein dürften.
Wenn CDU-Chef Merz auf die FDP blickt, sieht er aber nicht seinen Freund Lindner und eine Partei voller vernünftiger, wirtschaftsfreundlicher Leute. Er sieht die vier Prozent der Wählerschaft, die aus seiner Sicht lieber CDU wählen sollten. Dann wäre die CDU stärker, könnte ein Zweierbündnis eingehen und wäre darin der weitaus stärkere Partner. Irgendwie stört die FDP da nur. Denn die Zeiten, in denen es für Schwarz-Gelb reicht, sind vorbei.
Für die FDP geht es dagegen um alles. Schon einmal, 2013, flogen sie aus dem Bundestag. Damals standen die Freien Demokraten nicht nur im Abgrund, sondern befanden sich im freien Fall. Mit den Sitzen im Bundestag geht auch jede Menge Geld flöten, Mitarbeiter fallen weg, es gibt keine Büros mehr. Die Medien interessieren sich nur noch in homöopathischen Dosen für Parteien in der "außerparlamentarischen Opposition".
Für die FDP ist alles anders als 2017 und 2021
Die FDP hat es vor allem Lindner zu verdanken, der damals Parteichef wurde, dass es wieder aufwärtsging. Ein Selbstläufer war das keinesfalls. Und so ist vollkommen offen, ob so ein Comeback noch einmal gelingen würde. Gut möglich, dass die Partei das ohne Lindner schaffen müsste - dass der weitermacht, wenn die FDP die fünf Prozent reißt, ist zumindest fraglich.
Die Partei leidet an ihrer schlechten Ausgangssituation. Anders als 2017 und 2021, wo sie sensationelle Ergebnisse mit 10,7 und 11,4 Prozent der Stimmen schaffte, hat sie es jetzt schwerer. Damals kämpfte Lindner aus der Opposition heraus. Kanzlerin war Angela Merkel, von der er sich maximal abheben und so auch unzufriedene CDU-Wähler ansprechen konnte. Die heutige CDU ist aber eine ganz andere. Unter Friedrich Merz und Carsten Linnemann ist die Partei so wirtschaftsfreundlich wie lange nicht mehr. Wer braucht da noch die FDP?
Lindner könnte jederzeit ein mitreißendes Spontanreferat dazu halten. Er argumentiert leidenschaftlich für die Schuldenbremse, niedrige Steuern oder auch den Aufstieg durch Bildung und den Individualismus, den seine Partei prägt. Aber die Wähler sehen es anders. Zumal der Partei die Ampel-Zeit noch nachhängt. Die sorgte für große Unzufriedenheit an der Basis, die, wie Umfragen zeigen, in vielen Fragen konservativer eingestellt ist als die der Union.
Manche sahen in der FDP die Ermöglicherin linker Politik. Auch um diesen Eindruck zu zerstreuen, trat Lindner immer großspuriger und fordernder auf. Doch das kostete ihn auch Sympathien. Zum Schluss gab es dann noch Unruhe, weil die Partei den Bruch der Ampel herbeiprovoziert haben soll. Lindner weist das zurück, aber provoziert hat er die Grünen und die SPD mit immer neuen Papieren in jedem Fall.
Auch die eigenen Ideen zünden nicht. Sein Werben um Elon Musk ging nach hinten los. Der Tesla-Chef unterstützt die AfD. Seine Begeisterung für Argentiniens Präsidenten Javier Milei und seine Kettensäge stieß in Deutschland auf wenig Gegenliebe. Im Interview mit ntv.de ruderte er daher schon zurück: "Wir brauchen vielleicht keine Kettensäge, aber statt der Nagelfeile sollten wir zur Heckenschere greifen", sagte er.
Man kann es drehen und wenden, wie man will. Wenn da noch eine Aufholjagd kommen soll, müsste sie so langsam beginnen.
Quelle: ntv.de