Politik

Zäher Auftakt im Ibiza-Ausschuss Strache macht die drei Affen

Heinz-Christian Strache kann zur Aufklärung Ibiza-Affäre kaum Erhellendes  beitragen.

Heinz-Christian Strache kann zur Aufklärung Ibiza-Affäre kaum Erhellendes beitragen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Es stottert ganz gewaltig zum Auftakt des Ibiza-Untersuchungsausschusses in Wien: Hauptdarsteller und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache mauert, die Corona-Maßnahmen nerven. Die Opposition ist frustriert - und schießt sich auf die Regierung Kurz ein.

Keine zwei Minuten braucht Heinz-Christian Strache, um die Luft herauszulassen aus der Sitzung, auf die das politische Wien seit Monaten hinfiebert. Als "Auskunftsperson" ist er geladen in die historische Hofburg in Wien, wo der parlamentarische Untersuchungsausschuss die Ibiza-Affäre aufklären will, die vor rund einem Jahr Österreichs Regierung sprengte. Nur: Auskunft, das macht der Ex-Vizekanzler schon in seinem Eingangsstatement klar, will er nur begrenzt geben.

"Ich kann mich erst dann zu den Vorwürfen äußern, wenn ich vollständige Einsicht in die Ermittlungsakten habe", sagt Strache, ein Satz, den die Mitglieder des Ausschusses an diesem Nachmittag dutzendfach in verschiedenen Varianten hören müssen. "Es war schwierig", sagt eine sichtlich entnervte Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper nach zähen dreieinhalb Stunden, in denen Strache ein ums andere mal die drei Affen spielt: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Und damit den Auftakt zum Untersuchungsausschuss torpediert, der ohnehin unter keinem guten Stern stand.

"Eine Frechheit"

Das Lokal 7 in der Wiener Hofburg hat sich schon Stunden vor dem offiziellen Beginn der Sitzung ins "Kleinwalsertal II" verwandelt, wie Krisper in einem kurzen Auftritt vor Beginn der Verhandlung spöttisch anmerkt. Im engen Tal nahe der deutschen Grenze hatte ein Auftritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz Mitte Mai die "Ein-Babyelefant-Abstand"-Regel der österreichischen Corona-Bekämpfung außer Kraft gesetzt, nun drängen sich rund hundert Journalisten dicht an dicht vor dem Saal.

Was sie hören, ist der geballte Frust der Opposition, die sich den "Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" vor dem Verfassungsgerichtshof erkämpfen musste. Die Regierungskoalition aus Sebastian Kurz' ÖVP und den Grünen hatte versucht, das Thema auf die Hintergründe des Ibiza-Videos einzugrenzen, die Richter erlaubten eine Ausweitung auf den Postenschacher unter der ÖVP/FPÖ-Regierung von Kurz und Strache. Die Kernfragen: Wie weit reicht die berüchtigte "Freunderlwirtschaft" in der österreichischen Politik? Bestimmt sie über die Besetzung von Posten in staatsnahen Betrieben? Können sich Vermögende sogar Gesetze kaufen? Und hat die FPÖ in der Regierung mit Kurz' ÖVP ihr eigenes Macht-Netzwerk geknüpft - oder einfach an das bestehende Netzwerk angeknüpft?

Seit Wochen fühlen sich vor allem Neos, SPÖ und auch FPÖ in ihrer Arbeit behindert, sie hatten ein größeres Lokal, mehr Sitzungstage und mehr Ermittlungsakten gefordert. Vor einer Woche verkündete die Soko "Tape" plötzlich via Boulevard den Fund der Uncut-Version des Ibiza-Videos, Fahndungsfoto des "schoafen" (Strache auf Ibiza) Lockvogels inklusive. Das Material liegt sogar schon seit dem 21. April bei der Soko, dem U-Ausschuss wurde es bis heute nicht weitergeleitet. "Eine Frechheit", sagt Krisper.

Das Opfer? Strache selbst

Die "Frechheit" beschert dem Ausschuss einen einigermaßen absurden Auftakt: Weil niemand den ganzen Film gesehen hat, reden alle über den bekannten Vier-Minuten-Trailer. Als erste Auskunftsperson sitzt Journalist Florian Klenk im Saal, der gemeinsam mit Journalisten der "Süddeutschen Zeitung" und des "Spiegel" den Skandal aufgedeckt hat - und als einer der wenigen Österreicher die Vollversion des Abends auf der Finca kennt. Klenk beschreibt das Video als Mischung aus der Krimi-Satire "Kottan ermittelt" und "Pulp Fiction". Drei Stunden lang beantwortet er Detailfragen zum Video, das die Ausschussmitglieder nach dem aktuellen Zeitplan in zwei Wochen ohnehin anschauen können.

Um 15.17 Uhr betritt Strache das Lokal 7, ohne Kommentar eilt er an den Mikrofonen vorbei und an seinen Platz am Podium, mit einer Glasscheibe von den Ausschussmitgliedern getrennt. In seinen seltenen inhaltlichen Einlassungen schlüpft er in die Rolle, die er seit seinem Rücktritt als Vizekanzler am 18. Mai 2019 spielt: das Opfer. Die Schnipsel aus dem Ibiza-Video seien "aus dem Kontext gerissen", er selbst das Opfer einer Intrige, gesponnen von seinem Bodyguard und einigen zwielichtigen Figuren aus der Sicherheitsbranche. An dem "nichtphilosophischen Abend" auf der Finca, für den er sich geniere, habe er sich stets "auf dem Boden des Rechtsstaates" bewegt.

"Novomatic zahlt alle", hatte er über Unmengen von Red-Bull-Wodka der angeblichen Milliardärsnichte erklärt - nun will er das als eine Plauderei über "Gerüchte" verstanden wissen. Die Beschreibungen, wie man am Rechnungshof vorbei Geld an Parteien schleust? "Ich habe nur erklärt, wie man in Österreich spenden kann". Das Ibiza-Video, in Straches Worten: ein harmloser Grundkurs in österreichischer Regierungslehre.

Welche Rolle hat Kurz gespielt?

Je länger die Befragung dauert, desto genervter wird die Stimmung hinter und vor der Glasscheibe: Die schlechte Akustik im Raum ("Wie unter einer Glasglocke", sagt Florian Klenk) erschwert die Gespräche, Strache muss immer wieder um Wiederholung der Fragen bitten, ein ums andere Mal findet er angesprochene Stellen in den Unterlagen nicht. "Das bringt doch nichts, irgendetwas aus den Akten vorzutragen", sagt er einmal mit empört erhobener Stimme. SPÖ-Mann Krainer lässt das nicht auf sich sitzen: "Es ist eher unüblich für Auskunftspersonen, uns zu belehren, was sinnvoll ist und was nicht."

Auskunftsfreudiger wird Strache, wenn er sich beschwert. "Ich bin der einzige Politiker in Österreich, bei dem aufgrund einer anonymen Anzeige eine Hausdurchsuchung angeordnet wurde." Ermittler beschlagnahmten bei dieser Gelegenheit Straches Handy, eine wahre Goldgrube - schon zwei konkrete Korruptionsermittlungen gehen auf seine SMS und WhatsApp-Chats zurück. In der anonymen Anzeige ist allerdings auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz die Rede, eine Hausdurchsuchung gab es nicht. Warum das wohl so sei, wird Strache gefragt: "Eine gute Frage."

Der damalige Vizekanzler und der Kanzler pflegten, Strache räumt das ein, in der gemeinsamen Regierungszeit regen Handy-Kontakt. In den Ermittlungsakten, die dem Untersuchungsausschuss vorliegen, findet sich aber kein einziger Chat oder SMS-Verkehr.

Kurz wird am 24. Juni vor dem Ausschuss aussagen, bis dahin verlangt die Opposition, die Kommunikation zwischen Kanzler und Strache zu sehen. Für den Freitag hat sie kurzfristig den Innenminister Karl Nehammer von der ÖVP und Justizministerin Alma Zadić von den Grünen vorgeladen. Es gibt jede Menge Gesprächsbedarf: Die FPÖ ortet einen "ÖVP-Filter" in der Soko "Tape" und im Innenministerium, das dem Ausschuss wichtige Akten vorenthalte, die ÖVP-Politiker mit in den Postenschacher-Sumpf ziehen könnte. Und dann bleibt noch die Frage, warum die Ermittler wochenlang auf der Uncut-Version des Videos sitzen, auf die ganz Österreich seit einem Jahr wartet, ohne dass die zuständige Staatsanwaltschaft oder die Ausschussmitglieder auch nur davon erfahren. Und sie dann pünktlich hervorzaubern, kurz bevor der Ausschuss beginnt. Viele Fragen bleiben offen, und viele Sitzungen, um sie zu beantworten - insgesamt sind bis April 2021 noch 41 Termine angesetzt. Heinz-Christian Strache hat immerhin versprochen, noch einmal wiederzukommen.

Quelle: ntv.de

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