Politik

Unterirdische OP-Säle und Betten Tallinn baut Klinik für den Kriegsfall aus

Mihhail Kõlvart will Russen in Estland nicht unter Generalverdacht stellen.

Mihhail Kõlvart will Russen in Estland nicht unter Generalverdacht stellen.

(Foto: imago images/Scanpix)

In Estlands Hauptstadt wird zurzeit ein neues Krankenhaus gebaut. Unterirdisch soll nun eine Etage hinzukommen: mit OP-Sälen, Betten und Schutzräumen. Estland müsse sich für den Kriegsfall vorbereiten, erklärt Bürgermeister Kõlvart.

Das neue Krankenhaus, das in Estlands Hauptstadt Tallinn entsteht, soll zusätzlich unterirdisch ausgebaut werden - für den Kriegsfall. Das berichtete Tallinns Bürgermeister Mihhail Kõlvart dem "Spiegel". "Wir wollen nun, dass es ein zusätzliches Stockwerk bekommt, mit Operationssälen, weiteren Betten und Schutzräumen", sagte Kõlvart. Auch Schulen und andere öffentliche Gebäude sollten künftig für Notfälle ausgerichtet werden. "Niemand will, dass es einen Krieg in Estland gibt. Aber wir müssen uns dennoch vorbereiten."

Mit Blick auf die Minderheit mit russischen Wurzeln sagte das Stadtoberhaupt: "Ich finde, wir sollten aufhören, Russinnen und Russen unter Generalverdacht zu stellen. Das ist der Krieg des Kremls und nicht unserer russischsprachigen Bevölkerung. Ich möchte keinen Loyalitätsnachweis." Die Russen seien für ihn keine Feinde. In einer demokratischen Gesellschaft könne man zudem ein Umdenken nicht anordnen. Etwa ein Viertel der Esten spricht Russisch.

Kõlvart bedauerte jedoch, dass viele russischsprachige Menschen in Estland unverändert zur russischen Regierung hielten. "Vor allem aus der älteren Generation. Aber was soll ich machen?" Er versuche, die Kontakte zu ihnen nicht völlig abreißen zu lassen. "Wir sollten russische Rentner jetzt nicht zu Staatsfeinden erklären." Er selbst ist in Kasachstan geboren und russischsprachig aufgewachsen. Sein Vater war Este, seine Mutter Koreanerin aus der Sowjetunion.

"Am Ende unserer Möglichkeiten"

Den Menschen, die Kõlvart in Russland kennt, fühlt er sich nach eigenen Angaben sehr verbunden. Zur Aufnahme von Russen, die in Estland ein Leben in Freiheit suchen, zeigte er sich trotzdem zurückhaltend: Wer politisch verfolgt wird, könne natürlich Asyl beantragen. "Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir ihnen helfen können. Wir sind schon jetzt am Ende unserer Möglichkeiten. Das mag hart klingen, aber Estland ist klein." Das Land könne nicht alle Russen aufnehmen, die jetzt wegwollen.

Im Verhältnis zur Bevölkerung habe Estland in vier Wochen mehr Menschen aus der Ukraine aufgenommen als Deutschland in den Jahren 2015 und 2016 zusammen. Dem Land fehle allerdings ein Asylsystem wie das deutsche. "Wir hatten zwischenzeitlich 4500 Menschen in Hotels einquartiert", erzählte Kõlvart. "Größtenteils hängt es aber an Familien und Privatinitiativen."

Quelle: ntv.de, chl

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