Todesdrohungen von Trump-Fans Abtrünniger Ex-Anwalt Cohen zeichnet düsteres Bild der USA
17.01.2025, 19:07 Uhr Artikel anhören
Donald Trump und Michael Cohen - in besseren Tagen ihrer persönlichen Beziehung.
(Foto: Michael Cohen/ntv)
Donald Trumps früherer Anwalt Michael Cohen hält die kommende Präsidentschaft seines Ex-Chefs für gefährlich. Er befürchtet Vergeltungsmaßnahmen gegen unliebsame Personen. Er selbst erhalte von Trumps Anhängern Todesdrohungen, sagt er RTL/ntv.
Wenn er in den USA über die Straße geht, kommen Menschen auf ihn zu und schütteln ihm die Hand, fragen, wie es ihm geht. Zurecht, denn Michael Cohen, der frühere persönliche Anwalt des früheren und kommenden Präsidenten Donald Trump, hat bewegte Jahre hinter sich. Erst war er seinem Chef völlig ergeben, ein loyaler Bluthund, der auch die fragwürdigsten Dinge für ihn erledigte. Dann sagte er sich von ihm los und trat sogar als Kronzeuge im Schweigegeldprozess um Stormy Daniels gegen seinen früheren Boss auf. Die Jury befand Trump darin wegen illegaler Wahlbeeinflussung für schuldig.
Bestraft dafür wird er jedoch nicht, entschied der Richter zuletzt. Cohen hat sich zum Urteil, auf jegliche Strafe zu verzichten, im Gespräch mit RTL/ntv in New York nun irritiert gezeigt. "Ich respektiere Richter Juan Merchan und halte seine Entscheidung für angemessen. Aber ich war geschockt, als ich sah, dass es überhaupt keine Konsequenzen hat." Er zweifelt deshalb am Zweck des Verfahrens. "Wenn es keine Strafe gibt, keine Anerkennung von Schuld in irgendeiner Weise, welchen Sinn hat der Prozess dann überhaupt?"
Nun wird Trump erneut ins Weiße Haus einziehen. Cohen warnte vor seiner kommenden Präsidentschaft. "Projekt 2025", das unter der Federführung der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation erstellte 900-Seiten-Dokument über eine kommende Regierung, sei eine Absichtserklärung, wie die Demokratie in den USA zerstört werden könne: "Werden nur 25 Prozent davon umgesetzt, ist Amerikas Demokratie am Ende", meinte der frühere Anwalt. Trump hat sich öffentlich immer wieder von "Projekt 2025" distanziert. Viele seiner früheren Mitarbeiter wirkten daran mit.
Cohen hält Trump auch deshalb für gefährlich. "Meine größte Angst ist, wegen der Art und Weise, wie Trump Loyalisten in den höchsten Ämtern platziert hat, dass wir einen sehr chaotischen Ritt vor uns haben." Er erwartet über 100 Dekrete, die Trump am Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar unterzeichnen wird. "Viele wurden von denselben Personen entworfen wie 'Projekt 2025'. Europa hat allen Grund, besorgt zu sein, auch Deutschland."
"Ich habe Angst"
Auf die Frage nach möglichen Vergeltungsmaßnahmen Trumps gegen ihn oder andere warf Cohen zunächst dem früheren Justizminister Bill Barr vor, auf dessen Veranlassung bereits im Jahr 2020 verfassungswidrig in Einzelhaft genommen worden zu sein. "Bill Barr machte mich zum politischen Gefangenen in meinem eigenen Land." Cohen wollte zu dieser Zeit ein Enthüllungsbuch über Trump veröffentlichen. Für Trumps zweite Amtszeit erwartet er, dass weitere Personen bestraft werden.
Von Trump direkt seien er und seine Familie nicht bedroht worden, sagte Cohen, wohl aber von dessen Unterstützern. "Ich erhalte täglich E-Mails und Anrufe mit Drohungen von Trump-Anhängern." Darunter seien Morddrohungen. Er sei bei der Polizei wegen angeblicher Straftaten denunziert worden. Privatinformationen seien veröffentlicht. Auch in der Öffentlichkeit werde er regelmäßig bedroht. "Ich habe Angst, aber ich lasse nicht zu, dass sie mein Leben bestimmt."
Auch seine Familie sei im Visier seiner Verfolger. "Sie reden von grotesken Dingen, die sie meinen Kindern und meiner Frau antun wollen." Auch vor Cohens Eltern, die in Palm Beach im US-Bundesstaat Florida leben, wo sich auch Trumps Wohnsitz Mar-a-Lago befindet, machten Trumps Anhänger nicht Halt. "Um 1.00 Uhr morgens tauchte die Polizei bei meiner Mutter und meinem Vater auf, 89 Jahre alt, mit einem Helikopter, Hunden, Typen mit AR-15, wegen der Behauptung, sie hätten einen Mord begangen."
Die USA verlassen wegen all dem möchte Cohen trotzdem nicht. Er hat zwar seine Anwaltslizenz verloren, aber stattdessen verdient er sein Geld nun mit Büchern, Podcasts und Medienauftritten. Seine Erfahrungen und Zeit neben Trump sind nun Geld wert. Und nun stehen weitere vier Jahre bevor, in denen sein früherer Chef der vielleicht mächtigste Mann der Welt sein wird.
Quelle: ntv.de