
In den vergangenen Jahren hat die Akzeptanz der großen Medienhäuser unter Republikanern immer weiter abgenommen.
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Das Vertrauen der Republikaner in die großen US-Medien hat sich in den vergangenen fünf Jahren halbiert. Die konservativen Amerikaner flüchten in alternative Angebote. Jetzt bietet ihnen ein Silicon-Valley-Wunderkind sogar ein Smartphone an - überteuert, aber mit konservativen Apps.
Am 14. Juli legt Erik Finman für seine Zielgruppe an und feuert: "Ich habe es in Silicon Valley geschafft, und habe in meinem Leben schon viel erreicht." Die Musik wird dramatischer. "Aber jetzt verlasse ich BigTech, um für freie Meinungsäußerung zu kämpfen." Der 22-Jährige stellt in einem Video sein "Freedom Phone" vor, da die übermächtigen Konzerne die Privatsphäre verletzen und Meinungsäußerungen zensieren würden. Das Betriebssystem heißt zunächst "Freedom OS", für die Softwareinstallation gibt es den "unzensierbaren PatriApp Store". "Wir blockieren keine Apps", verspricht er: "Punkt".
Als Donald Trump im Jahr 2016 die große politische Bühne betrat, wurde Finman sein treuer Anhänger. Während die Unternehmen in Silicon Valley seiner Ansicht nach immer mehr konservative Stimmen zensierten, blieb die Partei der Republikaner untätig - und sei deshalb "armselig", sagte er in einem Interview mit der "New York Times". Aber er sah darin auch eine Marktlücke und erfand ein Smartphone für Libertäre und Rechte. "Nennt mir irgendeine Zeit in der Geschichte, wo diejenigen, die Bücher, Medien und Meinungen verbannt haben, die Guten waren", unkt er in seinem Werbevideo: "Macht eure Stimme hörbar. Lebt frei mit dem Freedom Phone."
Der Frust über die traditionellen US-Medien und Politiker in Washington, den Trump für sich ausnutzte, durchzieht inzwischen weite Teile der Gesellschaft in den Vereinigten Staaten. Als Trump Präsident wurde, vertrauten 70 Prozent der Republikaner den traditionellen landesweiten Medien zumindest teilweise, stellte das unabhängige Pew-Institut fest. Inzwischen sind es nur noch 35 Prozent. Bei den Demokraten sind es 78 Prozent. Im vergangenen Jahr erreichte das Vertrauen der Demokraten laut Gallup nahezu Rekordhöhe, war aber unter Republikanern noch nie niedriger.
Das Smartphone ist Teil einer konservativen Gegenbewegung, die sich eher dem Trump-Lager als den etablierten Republikanern in Washington zugehörig fühlt. Sie besteht etwa aus sozialen Netzwerken wie "Parler", die Facebook das Wasser abgraben wollen, oder dem twitterähnlichen "Gettr" aus dem Trump-Universum. Gemeinsam bilden sie einen eigenen Meinungs- und Nachrichtenkosmos, der von Medien wie Newsmax oder One America Network bedient wird. Sogar der TV-Sender Fox News, früher die unbestrittene Echokammer aller konservativen Republikaner, wird dort zuweilen als Mainstream verspottet.
Leben außer Kontrolle
Das "Freedom Phone" ist kein Massengerät, wohl aber ein weiteres Symbol für den großen Vertrauensverlust der vergangenen Jahre. Der Jungunternehmer bedient eine Legende, die wiederum aus einem Grundgefühl entstanden ist. Das eigene Leben gerät demnach immer weiter außer Kontrolle, weil andere es verdeckt lenken, die man nie durch die Tür gebeten hat: die Steuerbehörde mit ihren Geldforderungen, die Politiker in Washington mit ihren einschränkenden Gesetzen; traditionelle Medien, die Ansichten aus politischem Kalkül vorschreiben, und jetzt noch BigTech - allmächtige Konzerne zensieren freie Meinungsäußerungen. In diese Legende mit hineingesponnen wird etwa auch die Angst vor dem chinesischen Konzern Huawei und dem 5G-Netz.
Wenn Unternehmen neue Geräte präsentieren, zeigen sie sonst ihre Funktionen, geben technische Details bekannt, und so weiter. Nicht so beim "Freedom Phone", dort dominierte die politische Nachricht. Magazine guckten genau hin - und nahmen die Werbebehauptungen völlig auseinander. "Das Telefon wird komplett über seine konservative Marke beworben und ist anscheinend nicht mehr als ein gerissener Entrepreneur, der Geld mit Konservativen machen will, die frustriert sind, dass Facebook und Twitter den früheren Präsidenten Donald Trump gesperrt haben", urteilte etwa "Cnet" vernichtend. Es zeige "so viele Warnsignale, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll", schrieb das Magazin "Arstechnica".
Auch andere urteilten, das Smartphone sei ein unsicheres Billiggerät aus China, das sonst für fast ein Fünftel verkauft werde, der angebliche alternative App Store ein unkenntlich gemachter, stinknormaler Google Play Store. Offenbar sind die bei Google und Apple blockierten Apps von Parler und Co. vorinstalliert, können aber deshalb nicht aktualisiert werden. Das "Freedom Phone" kostet 500 Dollar. Auch von Konservativen gibt es deutliche Kritik, denn die Geräte sind anfällig für Hacker-Angriffe.
Trotzdem hat Finman eigenen Angaben zufolge in wenigen Wochen etwa 12.000 Geräte verkauft und damit Einnahmen von 6 Millionen Dollar generiert. Derzeit ist das Freedom Phone "wegen überwältigender Nachfrage" nicht lieferbar, wie es auf der Website heißt. Für November ist ein neues Modell angekündigt. Das Betriebssystem "Freedom OS" wird durch ClearOS ersetzt.
Finman hatte sein Produkt als "bestes Smartphone der Welt" angepriesen. Er ist Gründer, Eigentümer und Gesicht des neuen Unternehmens. Jung und modern, unabhängig und erfolgreich: Der 22-Jährige passt perfekt in den individualistischen Grundgedanken, der Einzelne könne sich gegen die Großen auflehnen und gewinnen, wenn er nur wolle. Er, "der jüngste Bitcoin-Millionär der Welt", der schon mit 16 Jahren in US-Magazinen als Startup-Wunderkind porträtiert wurde. Der seine erste Million machte, bevor er aufs College ging, und es nun als Streiter der Gerechten ganz allein mit "BigTech" aufnimmt.
"Sie würden alle zensieren"
Als BigTech werden meist fünf Konzerne im Verbund bezeichnet: Amazon, Apple, Google, Facebook und Microsoft. Doch in konservativen Kreisen ist der Begriff längst zum geflügelten Schimpfwort geworden. BigTech, das sind demnach all die Unternehmen, die aufrechten Amerikanern den Mund verbieten wollen, mit Cancel Culture ihr Geld machen und Zensur betreiben; die nicht wollen, das Stimmen abseits des Mainstreams gehört werden. "Niemand hat Mark (Zuckerberg, Facebook) oder Jack (Dorsey, Twitter) gewählt, die Schiedsrichter für die Wahrheit in Amerika zu sein", mahnt Finman in seinem Werbevideo: "Trotzdem fanden sie es in Ordnung, einen amtierenden Präsidenten von ihren Plattformen zu verbannen. Wenn sie einen Präsidenten zensieren, würden sie alle zensieren."
Für das Tagesgeschäft hat sich Finman inzwischen mit einem Unternehmen zusammengetan. Es bringt Erfahrung in der Smartphonebranche mit, was Geräte ohne Bindung an Google oder Apple angeht. Finman macht es damit ein bisschen wie Trump: Er lässt andere die tägliche Arbeit machen, während er Name und Gesicht der Marke bleibt. Ihn interessiert mehr das große Ganze. "Ich sehe [das Freedom Phone] absolut als eines der ultimativen politischen Werkzeuge", sagte er der "New York Times". Bis zu den Wahlen im kommenden Jahr will Finman die Nutzer seines Telefons zum nächsten Wahllokal lotsen können und zugleich einen Newsfeed kuratieren. Es sollen nur konservative Nachrichten angezeigt werden.
Quelle: ntv.de