"Trump muss entfernt werden" US-Republikaner greifen Ex-Präsidenten scharf an
28.09.2023, 08:22 Uhr Artikel anhören
Ron DeSantis und Vivek Ramaswamy.
(Foto: AP)
Die zweite Fernsehdebatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber beginnt mit Gestammel zum Fremdschämen und endet mit einer ketzerischen Forderung. Dazwischen zeigt einer seine Chamäleon-Fähigkeiten. Mit Inhalten punktet eine alte Bekannte.
Irgendwann platzt Nikki Haley der Kragen: "Jedes Mal, wenn ich Sie höre, fühle ich mich ein bisschen dümmer", schmeißt sie Vivek Ramaswamy ungläubig entgegen. Die beiden Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner 2024 stehen in der Mitte der Fernsehbühne und haben eine Meinungsverschiedenheit darüber, wie man mit dem chinesischen sozialen Netzwerk Tiktok umgehen sollte. Verbieten oder für den Wahlkampf nutzen?
Haley und Ramaswamy führen die Umfragen unter US-Republikanern an, kurz nach Floridas Gouverneur Ron DeSantis und meilenweit, rund 40 Prozent, hinter Donald Trump. Der Ex-Präsident hielt es wie schon bei der ersten Fernsehdebatte nicht für nötig, aufzutauchen. Auch ohne ihn ist das inhaltliche Niveau der Diskussion der sieben Bewerber relativ niedrig, aber symbolträchtig: Sie stehen in der Ronald-Reagan-Bibliothek in Kalifornien, schräg unter einer Air Force One. Ab und zu werden den Fernsehzuschauern kleine Zitatschnipsel des verehrten Ex-Präsidenten eingespielt.
Die größeren Themen sind die Südgrenze und Migration, Verbraucherpreise, Bildung und immer wieder China. Aber: Am Ende werden fast alle einmal gegen Trump gekeilt haben, was einer immensen Unabhängigkeitsbewegung innerhalb der Partei gleichkommt. Ramaswamy etwa, der bei der ersten Fernsehdebatte noch als Trump vom "besten Präsidenten" geschwärmt hatte, hält sich nun für dessen politischen Erben: "Ich werde America First auf das nächste Level hieven", tönt der 38-Jährige.
New Jerseys Ex-Gouverneur Chris Christie lässt kaum eine Gelegenheit für eine Attacke gegen Trump aus. Einmal blickt er direkt die Kamera: "Donald, ich weiß, dass Du zuguckst, weil Du es nicht lassen kannst. Du bist heute nicht hier, weil Du Angst hast, Deine Bilanz zu verteidigen", schimpft er und bezieht sich damit vor allem auf die 7,8 Billionen Dollar Staatsschulden, die Trump und sein Vize Mike Pence hinterließen. Auch Haley wird später einen Rundumschlag gegen Trump im Hinblick auf dessen Opioid- und China-Politik vollführen. Bemerkenswert: Seine juristischen Probleme werden in den zwei Stunden der Debatte nicht einmal angedeutet.
Vom Besserwisser zum Vermittler
Die Antworten auf die Anfangsfragen sind noch unangenehm gestanzt. Das intensive Durcheinandergerede, Gestammel und die Zwischenrufe haben hohes Fremdschämpotenzial. Aber eines fällt auf: Ramaswamy, der mit einem sehr offensiven Besserwisser-Auftritt in der ersten Debatte viel Aufmerksamkeit bekommen hatte und mit allen über alles diskutierte, schnurrt plötzlich in alle Richtungen, gibt sich kollegial und lässt sich von Angriffen kaum aus der Reserve locken. Er gibt sich als Vermittler. "Die wahre Spaltung ist nicht auf dieser Bühne!", sagt er etwa an einer Stelle. In der ersten Debatte hatte er noch alle angegriffen ("Ihr seid alle bezahlt"). Es sind ungeahnte Chamäleon-Fähigkeiten, die der jüngste Bewerber da beweist.
Inhaltlich bleibt der Unternehmer bei seinen knallharten Positionen: Alles auf fossile Brennstoffe und Atomenergie setzen, 75 Prozent der Staatsangestellten kündigen, die Südgrenze dichtmachen, das US-Militär in Mexiko die Drogenkartelle ausschalten lassen. Angesichts der historisch hohen Migrantenzahlen, die an die Grenze gelangen, setzt auch Haley, früher Trumps US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, auf Verschärfung. 25.000 Einsatzkräfte mehr sollten die Grenze sichern und Aufgegriffene direkt abgeschoben werden. Mike Pence sagt: Er habe als Trumps Vize die Migration schon einmal verringert. Dass da auch die Pandemie eine Rolle spielte, sagt er nicht.
Bei Fragen zur Gesundheitsversorgung ragt Haley meilenweit heraus. Sie hat die Zahlen parat und präsentiert eine Lösung für die horrenden Preise im Sektor: Das Klagerisiko für Ärzte senken und Kostentransparenz für die Pharmakonzerne vorschreiben. Pence wird zweimal gefragt, ob die Abschaffung von Obamacare weiterhin ein Ziel sei - er und Trump hatten damit Wahlkampf gemacht, es aber nicht umgesetzt - bis Pence irgendwann antwortet, er werde die Gelder alle an die Bundesstaaten zurücküberweisen und nebenbei das Bildungsministerium schließen.
Auch bei der Bildung zeigt Haley sich äußerst gut vorbereitet. Die anderen Bewerber kommen dagegen kaum an, gleich mehrere biegen vor dem Gesundheitssektor und Bildung ohne Umschweife ab und reden über völlig andere Dinge. Auch im Hinblick auf das abgeschaffte allgemeine Abtreibungsrecht, was den Demokraten den Erfolg bei den Kongresswahlen 2022 verschaffte, wird es inhaltlich karg. Praktisch alle vermeiden eine klare Position.
"Nicht mit Putin kuscheln"
Beim Thema Außenpolitik geht es heiß her: Ramaswamy meint, nur weil Wladimir Putin "ein böser Diktator ist", sei die Ukraine noch lange nicht gut. Darüber regt sich Haley auf. Chris Christie, Ex-Gouverneur von Bundesstaat New Jersey will die russisch-chinesische Allianz bekämpfen: "Das erreichen wir nicht, indem wir mit Putin kuscheln". Dann teilt er gegen Trump aus, weil der gesagt hatte, der russische Staatschef sei ein Genie. Pence mahnt, nicht auf die "populistischen Sirenen" in der republikanischen Partei zu hören.
Die lauteste dieser Sirenen ist Trump, der nicht wie während seiner Regierungszeit die ganze Partei, aber weiterhin die republikanische Basis in seinem Bann sieht. Während die anderen sieben noch auf der Bühne stehen, twittert einer von Trumps Beratern, die Republikaner sollten die weiteren geplanten Vorwahldebatten einfach absagen, so könnten sich alle auf den Wahlkampf gegen US-Präsident Joe Biden konzentrieren: "Nichts des Gesagten wird die Dynamik verändern."
Trump war lieber nach Detroit gefahren, um dort vor Arbeitern zu sprechen: In einer Autoteilefabrik, die nicht gewerkschaftlich organisiert ist; so wie die anderen, die derzeit einen historischen Streik der United Auto Workers UAW gegen Ford, General Motors und Stellaris führen. Investitionen der Unternehmen in Elektroautos seien "dumm oder feige", sagte er, da "die verdammten Dinger nicht weit genug fahren und sie zu teuer sind". Wegen der nicht nachhaltigen Lohnforderungen der UAW würden die Werke am Ende dichtmachen. "Sie werden diese Autos in China und anderswo bauen."
Zum Abschluss bitten die Moderatoren die Bewerber, auf einen Zettel zu schreiben, wer von den anderen aus dem Vorwahlrennen aussteigen solle. Schließlich werde niemand gegen Trump ankommen, falls alle blieben. Es bricht eine offene Revolte aus, die Bewerber weigern sich. Nur Christie schreibt etwas: Trump. Dieser stelle sich schließlich noch nicht einmal auf die Bühne. "Ich habe Respekt für alle hier, aber dieser Typ hat nicht nur das Land gespalten, sondern auch Familien und Freunde. Er muss ausgeschlossen werden." Eine Forderung, die angesichts der vergangenen Jahre bei den Republikanern an Ketzerei grenzt.
Quelle: ntv.de