US-Wahl 2024

Harris nicht automatisch Ersatz Den Demokraten bleiben zwei Szenarien - eines führt ins Chaos

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Die Demokraten suchen nun einen Nachfolger für Biden im Kampf ums Weiße Haus.

Die Demokraten suchen nun einen Nachfolger für Biden im Kampf ums Weiße Haus.

(Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)

Die Amtszeit von Joe Biden als US-Präsident wird im Januar enden. Die Demokraten müssen nun einen anderen Trump-Herausforderer finden. Die Partei kann sich geschlossen hinter Vizepräsidentin Harris stellen - oder lässt sich auf neue Kandidaten und mögliche Machtspiele ein.

Nachdem Präsident Joe Biden beschlossen hat, seine Kampagne zur Wiederwahl zu beenden, gibt es für die Demokraten zwei mögliche Verfahren, um einen oder eine Nachfolgerin zu finden. Vize-Präsidentin Kamala Harris ist rein technisch gesehen nicht automatisch sein Ersatz als Kandidatin im US-Präsidentschaftsrennen. Denn die US-Verfassung legt zwar fest, dass der Vize dann Präsident wird, wenn der eigentliche Präsident stirbt oder arbeitsunfähig wird. Die Verfassung regelt jedoch nicht den innerparteilichen Prozess der Kandidatenauswahl.

Harris hat sich jedoch schon bereit erklärt, die Ersatzkandidatin der Demokratischen Partei werden. "Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen", teilte Harris in einer schriftlichen Stellungnahme mit.

Das erste Szenario für die Kandidatenwahl ist die unkompliziertere Lösung: Die Demokraten würden eine virtuelle Abstimmung durchführen, bei der Anfang August ein neuer Kandidat bestimmt wird. Die zweite Option ist ein "offener" Parteitag - ein Szenario, das die Partei seit 1968 nicht mehr erlebt hat. Dazu würde es kommen, wenn kein Kandidat mit einer klaren Mehrheit der Delegierten anreist, sodass sich die Veranstaltung in eine Mini-Vorwahl verwandelt. Die Kandidaten könnten sich dann darum bemühen, die Delegierten zu überzeugen, für sie zu stimmen.

Dass es eine turbulente Zeit für die Demokraten werden dürfte, ist fast sicher, denn die Zeit ist knapp. In einigen Bundesstaaten gelten im August Fristen für die Eintragung auf dem Wahlzettel für die Parlamentswahlen und die vorzeitige Stimmabgabe beginnt an einigen Orten im September. Daher werden die Parteiführer wahrscheinlich versuchen, die Nominierung noch vor dem am 19. August beginnenden Parteitag der Demokraten zu regeln.

Der weitere Verlauf könnte recht zügig, aber auch kompliziert werden. Da Biden bereits seine Unterstützung für Harris klargemacht hat, wird die Parteiführung versuchen, die Delegierten davon zu überzeugen, sich auf Harris zu einigen. In der virtuellen Abstimmung müsste die 59-Jährige dann die Mehrheit der Delegiertenstimmen auf sich vereinen. Gelingt das nicht, wird die Entscheidung auf dem Parteitag fallen.

Einige Tausend Delegierte, die die Wähler vertreten, entscheiden offiziell über den Kandidaten der Partei, unabhängig davon, ob es einen offenen Parteitag gibt oder nicht. In der Regel wählen sie den Gewinner der Vorwahlen. So hat es den Anschein, als würden die Wähler direkt wählen. Da Biden aus dem Rennen ausgeschieden ist, sind alle seine Delegierten frei und werden sich selbst für einen Kandidaten entscheiden, ohne dass die Wähler etwas dazu sagen.

Superdelegierte das Zünglein an der Waage?

Es gibt zwei Arten von Delegierten: Die gewählten Delegierten machen den Großteil der Stimmen aus, insgesamt 3949. Dabei handelt es sich um gewählte Vertreter einzelner Bundesstaaten, die auch im Sinne der Bürger des jeweiligen Bundesstaates handeln sollen. Allerdings gibt es laut Parteiregeln etwas Spielraum bei der Entscheidung. Bedeutet: Die Delegierten, die Biden bei den Vorwahlen ihre Stimme gegeben haben, müssten nun nicht zwingend Harris unterstützen.

Die Superdelegierten - insgesamt 749 - sind die profiliertesten Führungskräfte der Partei. Sie haben diese Rolle aufgrund der Ämter, die sie bekleiden oder bekleidet haben. Zu dieser Gruppe gehören ehemalige Präsidenten und Vizepräsidenten, demokratische Gouverneure, Mitglieder des Kongresses und Parteifunktionäre. Sie sind keinem Kandidaten verpflichtet und dürfen auf dem Parteitag nicht im ersten Wahlgang abstimmen.

Die Superdelegierten braucht es aber eventuell überhaupt nicht. Biden unterstützt Vizepräsidentin Harris, was die Waage stark in Richtung Einheit kippen könnte. Seine fast 3.900 Delegierten wären nicht verpflichtet, Harris zu unterstützen, aber sie wurden aufgrund ihrer Loyalität zu ihm gewählt und könnten seiner Bitte nachzukommen, vor allem, weil Harris bereits auf dem Kampagnenticket Biden/Harris stand, für das die Vorwahlwähler gestimmt haben.

Offene Wahl würde Machtspiele ermöglichen

Sollte es jedoch bis zum Kongress zu keiner Einigung kommen, würden die Demokraten ihren ersten offenen und umstrittenen Parteitag seit 1968 abhalten. Dieser fand damals ebenfalls in Chicago statt und verlief so katastrophal, dass die Partei die Art und Weise, wie sie ihre Kandidaten auswählt, überarbeitet hat.

Die offene Wahl am Parteitag würde dann so ablaufen: Die Kandidaten bräuchten zunächst 300 Delegiertenstimmen, um ins Rennen einzusteigen. Dabei dürfen nicht mehr als 50 Stimmen aus demselben Bundesstaat kommen. Wenn es Herausforderer gibt, würden die Manöver und Absprachen hinter den Kulissen auf Hochtouren laufen, während die Parteibosse der einzelnen Bundesstaaten gerade versuchen, ihre Delegierten zu einem Wahlblock zusammenzuschließen.

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Sobald alle in Chicago sind, werden die Kandidaten und ihre Stellvertreter wahrscheinlich nicht nur die Kongresshalle, sondern auch Hotels, Bars und andere Verstecke nach Delegierten absuchen, um Delegierte zu finden, die sie umwerben wollen.

In einem ersten Wahlgang müsste einer der Kandidaten die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen (also mehr Stimmen als alle anderen Konkurrenten zusammen), um als Präsidentschaftskandidat nominiert zu werden. Klappt das nicht, wird erneut gewählt, allerdings mit den Superdelegierten. Vieles ist Verhandlungssache, weil die Mächtigen der Partei enormen Einfluss nehmen können. Es werden so viele Wahlgänge durchgeführt wie nötig. 1924 brauchten die Demokraten 103 Durchgänge, um sich auf John Davis zu einigen - der die Wahl dann verlor. Eine Kampfabstimmung am Parteitag würde wohl kaum Einigkeit demonstrieren.

Quelle: ntv.de, mba

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