Deutliche Kritik an Bürgergeld Union: Ampel soll "Denkblockade" beenden
07.11.2022, 17:28 Uhr
CDU-Generalsekretär Czaja und Fraktionschef Merz erneuerten das Angebot, die Hartz-IV-Erhöhung zu beschließen und über die Ausgestaltung des Bürgergelds später zu verhandeln. Kritikpunkte gibt es viele.
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Niemand will Schuld sein, wenn es für Grundsicherungs-Empfänger Anfang 2023 doch nicht mehr Geld gibt. Doch eine Einigung über das neue Bürgergeld wird kaum rechtzeitig möglich sein. Dazu ist die Union mit zu vielen Punkten nicht einverstanden.
Ab dem 1. Januar möchte die Ampelkoalition die noch aus der Agenda 2010 stammende Grundsicherung Hartz IV ersetzen, doch die Zeit für die Einführung des neuen Bürgergelds wird immer knapper. So knapp, dass nun sogar schon die Opposition zur Eile mahnt. "Die Zeit drängt", sagte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe am Montag und unterstrich das Angebot von Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz, die Anhebung des Regelsatzes aus dem übrigen Gesetzesvorhaben herauszulösen.
Heißt konkret: Der Bundestag könnte in dieser Woche beschließen, dass Empfänger der Grundsicherung künftig mehr Geld bekommen - die Regierungsparteien möchten etwa den Regelsatz für alleinstehende Erwachsene um 53 Euro auf 502 Euro erhöhen. Alle strittigen Fragen um die weitere Ausgestaltung des Bürgergelds könnte man später klären.
"Mein Eindruck ist, dass der Vermittlungsausschuss am Ende der Ort sein wird, wo über das Bürgergeld gesprochen werden wird", sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Bislang lehnt die Ampelkoalition den Vorschlag ab, die Erhöhung der Regelsätze unabhängig von der weiteren Ausgestaltung des Bürgergelds auf den Weg zu bringen.
Klärungsbedarf besteht in gleich mehreren zentralen Punkten: Die Union kritisiert die geplante zweijährige Karenzzeit für die Prüfung von Wohnen und Vermögen. In dieser Zeit übernimmt nach den Plänen der Ampel der Staat Heiz- und etwaige Mietkosten, ohne dass geprüft wird, ob der Leistungsbezieher in einer bezogen auf Größe und Miethöhe angemessenen Wohnung lebt. Auch spielt die Höhe eines möglicherweise vorhandenen Vermögens keine Rolle.
"Belastung für die Steuerzahler"
"Die Karenzzeiten setzen Fehlanreize zum Verbleib im Leistungsbezug und belasten die Steuerzahler", heißt es in einem Positionspapier der Fraktion von CDU und CSU. Das sei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit geringem Verdienst "nicht vermittelbar, die mit ihren Steuern die Leistungen für Arbeitslose mitfinanzieren". Die SPD handele "unsozial für leistungsbereite Niedrigverdiener", kritisierte die CSU-Politikerin Sabine Scharf, bayerische Ministerin für Familie, Arbeit und Soziales.
Darüber hinaus bemängelt die Unionsfraktion, dass die Karenzzeit nicht differenziert zwischen einem Leistungsempfänger, der nach vielen Arbeitsjahren in die Grundsicherung rutscht, und jemandem, der noch nie erwerbstätig war.
Die Ampelkoalition plant für eine neue, sechsmonatige "Vertrauenszeit" zu Beginn des Leistungsbezugs, dass in dieser Phase Pflichtverletzungen des Empfängers nicht geahndet werden. Vermittlungsangebote können abgelehnt, Weiterbildungen abgebrochen werden, ohne dass es Folgen für die Höhe der Unterstützung hat. Anschließend betragen Leistungsminderungen zunächst 20 Prozent, im Folgenden höchstens 30 Prozent des Regelbedarfs. Die Übernahme von Wohn- und Heizkosten wird nicht gemindert.
Hier sieht die Unionsfraktion eine Schwächung des Instruments, mit dem die rot-grüne Regierung im Jahr 2005 innerhalb der Hartz-IV-Reform den Faktor "Fordern" durchsetzen wollte. Der Grundsatz des "Förderns und Forderns" habe sich bewährt. Im Bereich des Förderns wollen CDU und CSU Ansprache und Integration von Hilfeempfängern in den Arbeitsmarkt verbessern. "Im Bereich des Forderns setzen wir klar auf Mitwirkung." Daher lehnt die Union eine Grundsicherung ohne die Möglichkeit von Leistungskürzungen ab, auch wenn diese Möglichkeit nur vorübergehend verwehrt wäre.
"Jede Unterstützung braucht auch eine entsprechende Mitwirkung der Betroffenen", schreibt die Unionsfraktion. Ohne sie könne Hilfsbedürftigkeit nicht überwunden werden. Die Regierungspläne bleiben aus Unionssicht hinter den Möglichkeiten zurück, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu Hartz IV-Sanktionen aufgezeigt hat. Unionsfraktionsvize Gröhe rief die Ampel dazu auf, ihre "Denkblockade" zu beenden.
Zwar braucht die Ampelkoalition die Zustimmung der Union nicht für einen Beschluss des Gesetzes im Bundestag, der am Donnerstag fallen könnte. Wohl aber ist sie auf CDU und CSU angewiesen, wenn über das Gesetz am 25. November im Bundesrat entschieden werden müsste. Können sich Regierung und Opposition auf keinen Kompromiss einigen, dann muss das Gesetz in ein Vermittlungsverfahren. Der Einführungstermin am 1. Januar wäre damit kaum zu halten.
Quelle: ntv.de