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Erinnerung an "Remigration" Warum "biodeutsch" ein Unwort ist

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Für das Grundgesetz ist Deutscher, "wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt". Irgendwelche "biologischen" Voraussetzungen gibt es dort nicht.

Für das Grundgesetz ist Deutscher, "wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt". Irgendwelche "biologischen" Voraussetzungen gibt es dort nicht.

(Foto: IMAGO/Wolfilser)

Ursprünglich war der Begriff "biodeutsch" ironisch gemeint. Doch Sprache verändert sich. Mittlerweile haben Rechtsextreme das Wort übernommen. Sie wollen Deutsche damit in zwei Klassen einteilen - was verfassungswidrig ist.

Das Unwort des Jahres ist nicht immer ganz einfach als "Unwort" zu verstehen. Was zum Beispiel ist problematisch an "biodeutsch"? Ist es nicht eine ironische Beschreibung von Deutschen ohne Migrationshintergrund, zumal eine, die im linken Milieu erfunden wurde?

Ja, ist sie. Erfunden wurde das Wort vom Karikaturisten Muhsin Omurca, der Grünen-Politiker Cem Özdemir verwendete es, wie Wikipedia weiß, mal scherzhaft, mal ernsthafter mit der Aussage, es dürfe keinen Unterschied zwischen "Biodeutschen" und lediglich "Passdeutschen" geben.

Zum Unwort erklärt wurde ausdrücklich nicht die satirische oder scherzhafte Nutzung des Begriffs, sondern die Unterscheidung zwischen angeblich "echten" und nicht wirklich echten Deutschen. Denn für diese diskriminierend gemeinte Unterscheidung wird das Wort schon seit einigen Jahren zunehmend herangezogen. Seinen ironischen Unterton hat es dadurch mittlerweile eingebüßt.

Sprache verändert sich. Ein Wort, das einst harmlos bis spaßig wirkte, ist es heute häufig nicht mehr. "Mit dem Wort biodeutsch wird eine rassistische, biologistische Form von Nationalität konstruiert", schreibt die Unwort-Jury in ihrer Begründung. "Ursprünglich ironisch als satirischer Ausdruck verwendet, der mit dem Bio-Siegel als Güte-Siegel für ökologischen Anbau spielte, ist für biodeutsch seit mehreren Jahren eine sehr gedankenlose und unreflektierte, nicht-satirische, also wörtlich gemeinte Verwendung festzustellen." Diese sei eine Unterteilung in Deutsche erster und zweiter Klasse und damit eine Form von Alltagsrassismus.

Aber es gebe doch Unterschiede zwischen Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund, mag man einwenden. Allerdings geht es beim Begriff "biodeutsch" in seiner wörtlich gemeinten Verwendung nicht darum, Unterschiede zu beschreiben, sondern, wie die Marburger Jury betont, um eine Abwertung. Die ist nicht nur in ethischer Hinsicht zweifelhaft, sondern schlicht verfassungswidrig. Man muss dies leider betonen, es scheint sich nicht - oder nicht mehr - von selbst zu verstehen.

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Diese Art der Abwertung ist alles andere als harmlos. Für das Bundesamt für den Verfassungsschutz war sie ein zentraler Grund für die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall. "In Verlautbarungen der AfD und ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten kommt vielfach ein völkisch-abstammungsmäßig geprägtes Volksverständnis zum Ausdruck, das im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes steht", heißt es im jüngsten Bericht der Behörde. Diese Einstufung wurde im vergangenen Jahr vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt. Die Richter verwiesen unter anderem darauf, es bestehe der begründete Verdacht, "dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen".

Der Begriff "biodeutsch" ist damit eng verwandt mit dem Vorjahres-Unwort "Remigration", das vor einem Jahr durch einen Bericht über ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam bekannt wurde. Dabei ging es um die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund - auch von deutschen Staatsbürgern. Als das Treffen bekannt wurde, war der Begriff "Remigration" noch so umstritten, dass AfD-Chefin Alice Weidel einen Mitarbeiter feuerte, der daran teilgenommen hatte. Auf dem AfD-Parteitag am Wochenende dagegen übernahm sie das Wort ausdrücklich.

Quelle: ntv.de

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