Nach Enthauptung von Paty Weiterer Lehrer fürchtet um sein Leben
08.02.2021, 19:37 Uhr
Der Philosophielehrer Lemaire arbeitet in der Pariser Trabantenstadt Trappes.
(Foto: picture alliance / Chris Huby / Le Pictorium/MAXPPP/dpa)
Ein Philosophielehrer aus einer Pariser Trabantenstadt warnt nach dem Mord an Samuel Paty vor dem wachsenden Einfluss der Islamisten in französischen Städten. Frauen und Mädchen dürften nicht mehr in Cafés gehen. Nun erhält er Morddrohungen und steht unter Polizeischutz.
Knapp vier Monate nach der Enthauptung des französischen Geschichtslehrers Samuel Paty durch einen Islamisten fürchtet erneut ein Pädagoge um sein Leben: Die Staatsanwaltschaft von Versailles ermittelt nach eigenen Angaben im Fall des Philosophielehrers Didier Lemaire. Er hatte nach dem Mord an Paty Mitte Oktober vor einem wachsenden Einfluss von Islamisten gewarnt und erhielt daraufhin Morddrohungen.
Lemaire steht inzwischen unter Polizeischutz. Er hatte Anfang November in der Zeitschrift "L'Obs" einen offenen Brief veröffentlicht, in dem er dem französischen Staat vorwirft, keine wirksame Strategie gegen den Islamismus zu haben. In seinen 20 Berufsjahren als Gymnasiallehrer in dem Pariser Vorort Trappes sei er "Zeuge eines wachsenden islamistischen Einflusses" geworden, schrieb er darin.
"Ich will nicht unter ständiger Angst leben", sagte Lemaire am Sonntag im Nachrichtensender LCI. Er erhalte Morddrohungen und werde auf der Straße angefeindet, weil er nach der Ermordung des Geschichtslehrers am 16. Oktober in einem Meinungsbeitrag zum "Widerstand gegen die islamistische Gefahr" aufgerufen habe. In einer Zuschrift drohte man ihm, er werde als "zweiter Samuel Paty" enden.
"Kinder zum Hass erzogen"
"Wir haben nicht mehr viel Zeit, bevor die Situation eskaliert. Viele Kinder werden zum Hass auf Frankreich erzogen", schrieb Lemaire, der seit 20 Jahren an einer weiterführenden Schule in Trappes nordwestlich von Paris unterrichtet. In der Vorstadt leben 30.000 Menschen aus 70 Herkunftsländern. Im Nachrichtensender BFM-TV beschrieb der Lehrer am Sonntagabend die beschleunigte Islamisierung in Trappes. "Es gibt keine gemischten Friseursalons mehr. In den Cafés werden keine Frauen geduldet. Schon kleine Mädchen werden vollverschleiert auf die Straße geschickt", sagte er. Auch an seiner Oberschule nehme der Druck der Islamisten zu. Für die meisten Jugendlichen führe das zu schier unlösbaren Loyalitätskonflikten. In dem Beitrag für das Nachrichtenmagazin "L'Obs" nach der Ermordung Patys hatte er gefordert, die Schüler besser vor dem ideologischen und sozialen Druck der Islamisten zu schützen.
In dem Vorort südwestlich von Paris liegt eine von mehr als 60 Trabantensiedlungen, die Frankreichs Regierung mit Hilfe einer verstärkten Polizeipräsenz aus der Hand von Islamisten "zurückerobern" will. Mehr als 50 Bewohner von Trappes sollen sich seit 2013 Dschihadisten im Irak und in Syrien angeschlossen haben.
Ermittlungsverfahren gegen Patys Schüler
Der Geschichtslehrer Paty war im Oktober in einem anderen Vorort nordwestlich von Paris von einem Islamisten aus Tschetschenien getötet worden. Der Terrorist mit russisch-tschetschenischen Wurzeln wurde später von Sicherheitskräften erschossen. Sein Motiv war nach bisherigen Erkenntnissen, dass Paty im Unterricht Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Die französischen Behörden nahmen seitdem zahlreiche Social-Media-Kontakte des Attentäters fest. Gegen mehrere Verdächtige laufen im Fall Paty Ermittlungsverfahren - darunter auch gegen Schüler der Schule in Conflans-Sainte-Honorine.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte das Zeigen von Mohammed-Karikaturen anschließend verteidigt. Daraufhin kam es zu Protesten in muslimisch geprägten Ländern und Boykottaufrufen gegen Frankreich.
Quelle: ntv.de, mau/AFP