Wortgefecht bei "Stern TV" Wie weit darf Klimaprotest gehen?
07.02.2022, 01:28 Uhr
Ein heißer Stuhl, der seinen Namen verdient: Für Klimaschützer Tadzio Müller ist "friedliche Sabotage" ein zulässiges Mittel im Protest gegen die Klimapolitik. Die Runde bei "Stern TV" hält dagegen Abstand zu dieser Auffassung.
Ganz schön lebhaft sei die Diskussion gewesen, fasst Moderator Nikolaus Blome am Ende zusammen. Und das dürfte ein wenig untertrieben gewesen sein. Blome und Klimaaktivist Tadzio Müller, sein Spezial-Gast auf dem Heißen Stuhl bei "Stern TV", kamen am Sonntagabend einfach nicht zusammen. Weniger kontrovers arbeitete sich die Runde mit Frauke Ludowig, TV-Koch Nelson Müller, Schauspielerin Elena Uhlig und "Let's Dance"-Juror Joachim Llambi durch die Themen Gewalt gegen Polizei und Sprach-Sensibilität.
In der Debatte um Klimaschutz sind die Fronten schnell geklärt. Klimaaktivist Müller stellt sich mit dem Satz vor: "Die Klimakrise ist Gewalt, deswegen ist friedliche Sabotage legitime Notwehr." Auf den Einwand Blomes, dass es "friedliche Sabotage" nicht gebe, sagt Müller, erst am Morgen habe ein Zyklon auf Madagaskar sechs Menschen getötet, im vergangenen Jahr habe die Flut im Ahrtal 134 Menschen getötet. Das sei die Gewalt, über die man reden müsse.
Was ist "friedliche Sabotage"?
Dann definiert er: "Friedliche Sabotage sind Aktionen, bei denen Menschen zum Beispiel Kohlebagger oder Gerätschaften, die ein Gaskraftwerk bauen, fachgerecht außer Stand setzen und dabei zuallererst peinlich genau darauf achten, dass keine Menschen zu Schaden kommen, und, sollte eine Möglichkeit bestehen, dass das passiert, wird die Aktion abgeblasen."

Zu den Talkgästen am Sonntag gehörten unter anderem Joachim Llambi, Elena Uhlig und Nelson Müller.
(Foto: RTL)
Blome wirft Müller vor, er sage Autobesitzern: "Dein Auto muss leider heute brennen - lieber Zuschauer, gehen Sie mal morgen raus, morgen brennt Ihr Auto, ist halt für den Klimaschutz." Man könne sich über Klimaschutz unterhalten, müsse aber auch über die Wahl der Mittel reden.
Im "Spiegel" hatte Müller im vergangenen Jahr gesagt: "Wer Klimaschutz verhindert, schafft die grüne RAF." Als Blome ihn darauf anspricht, protestiert dieser vehement. Was er eigentlich meint, bleibt etwas unklar - offenkundig aber wollte er sagen, dass eine "grüne RAF" die Folge sein könnte, wenn es keinen drastischen Klimaschutz gibt. Er selbst wollte, so zumindest der Eindruck, nicht dazu aufrufen, eine solche Terrorgruppe zu gründen.
Umstritten bleibt zwischen Blome und Müller auch, ob der friedliche Protest von Fridays For Future erfolgreich ist. Blome betont, es gebe eine Verschärfung beim Klimaschutz, Müller entgegnet, die Politik habe keinen relevanten Effekt bei der Verlangsamung der Treibhausgas-Emissionen.
Einig sind die RTL-Zuschauer bei der Frage, ob Klimaschutz zur Not auch Gewalt rechtfertige. Über 90 Prozent sagen darauf in einer Live-Umfrage Nein.
Gewalt vom überforderten Rentner
Völlig anders ist die Gemütslage mit Blick auf die Polizistenmorde in Kusel: Die Geschichte "sitzt uns allen noch ganz schön in den Knochen", sagt Frauke Ludowig. Die Polizistin Cathleen Martin berichtet, es seien inzwischen "normale Bürger, die Polizisten angreifen". Das habe sich in den vergangenen zwei Jahren, seit Corona, verschoben. Früher seien es Jüngere gewesen, die "ihre Ideologien ausleben" wollten. Inzwischen sei es ein Querschnitt der Bevölkerung. "Da gibt es den Rentner als Straftäter, der einfach mit dieser ganzen Situation überfordert ist, der seine Emotionen an der Polizei ablädt und an der Polizei auslässt."
Das Motto der Polizei sei Deeskalation, sagt Martin, die Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in Sachsen ist. "Wir sind ja auch nur Menschen. Wir wollen als Polizisten unser Gegenüber auch nicht verletzen." Wenn eine Demonstration friedlich bleibe, "sind wir natürlich glücklich als Polizisten".
Auch Martins 21-jähriger Sohn will Polizist werden. Auf die Frage, wie sie damit umgehe, sagt sie: "Als Gewerkschafterin sage ich: Das ist ein wunderschöner Beruf. Als Mutti sage ich: Ich habe große Angst um meinen Sohn." Als sie die Bilder aus Kusel gesehen habe, "lief es mir eiskalt den Rücken runter". Zuerst habe sie an die jungen Kollegen denken müssen, mit denen sie in der Ausbildung arbeite. Der nächste Gedanke sei gewesen: "Oh Gott, das könnte dein Junge sein."
Von der Politik fordert Cathleen Martin, dass sich an der Ausrüstung etwas ändert, "dass wir nicht die billigste Ausrüstung haben, sondern die beste Ausrüstung für alle Polizisten im ganzen Bundesgebiet". Sie macht deutlich, dass auch die Polizei von Einsparungen betroffen sei und "immer das preiswerteste Angebot" nehmen müsse. Auch bei Schusswesten werde "der billigste Anbieter" genommen. Wenn sie sich als Polizistin entschließe, sich eine eigene, bessere Weste zu kaufen, "bin ich dienstlich nicht mit dieser Weste versichert, wenn was passiert".
"Niemand würde das N-Wort aussprechen"
Bei "Stern TV" geht es an diesem Abend auch um Schneewittchen und die sieben Zwerge - und um die Frage, was man heute eigentlich noch sagen darf. Muss man "rückwirkend mit dem großen Radiergummi durch die Geschichte gehen", fragt Blome provokativ. "Niemand würde das N-Wort aussprechen, weil es einfach nicht geht", sagt Ludowig. "Sprache hat eine riesige Macht", sagt Fernsehkoch Müller. Einig ist sich die Runde, dass man sich stets bemühen sollte, in seinen Gesprächspartner hinzuversetzen. "Wir müssen doch Respekt gegenüber der Personen oder Gruppe haben, die es betrifft", sagt "Let's Dance"-Juror Llambi.
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Perspektivwechsel heiße auch, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu sehen", so Nelson Müller. Und eben nicht aus Sicht von Christoph Kolumbus, sondern aus Sicht des Indigenen, der von den Aleuten nach Südamerika gekommen ist. "Das Wort 'Indianer' kreierte auch ein Bild von Kolonialismus und Völkerschauen."
"Es gibt auch Klassiker, die nicht diskriminieren"
Schauspielerin Elena Uhlig erzählt, sie benutze dieses Wort gar nicht, vor allem aber nicht, wenn sie ihren Kindern vorlese. Allgemein aber gelte: Wenn ein Begriff Menschen diskriminiert, müssen wir da dran. Die Wissenschaftlerin Tebogo Nimindé-Dundadengar sagt, sie sehe "keine Notwendigkeit, Kindern diskriminierende Literatur vorzulesen". Bei aller Liebe zu Klassikern, "es gibt auch Klassiker, die nicht diskriminierend" sind. Sie würde ihren "Kindern keine Bücher vorlesen, die Stereotype reproduzieren".
Anlass für die Runde war die Ankündigung des Disney-Konzerns, bei der Neuverfilmung von "Schneewittchen" nicht in der bisherigen Form auch die sieben Zwerge zu besetzen. Hintergrund ist die Empörung des kleinwüchsigen Darstellers Peter Dinklage aus "Game of Thrones". Disney erzähle "diese scheiß rückwärtsgewandte Geschichte von sieben Zwergen, die in einer Höhle leben".
"Gegen Zwerge aus Märchen ist nichts einzuwenden", solange man ihn nicht so anspreche, sagt der ebenfalls kleinwüchsige Schauspieler Peter Brownbill in der "Stern TV"-Runde. "Der Zwerg ist ein Fabelwesen." Doch man müsse sich mit dem Einwand von Peter Dinklage beschäftigen. Kein Problem allein in dem Wort sieht Nimindé-Dundadengar. Doch: "Ich kann verstehen, wenn ein kleinwüchsiger Mensch sagt, ich möchte das nicht spielen."
Quelle: ntv.de, fzö/hvo/jwu