Politik

Bizarres Mausoleum im Garten Wo Berlusconi beerdigt werden wollte

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Schon vor seinem Einstieg in die Politik plante Silvio Berlusconi ein Grabmal für sich und seine Familie. Auch Mitarbeitern bot er an, sich dort bestatten zu lassen - in einem Mausoleum, in dessen Mittelpunkt er selbst stehen sollte.

Schon im Leben war Silvio Berlusconi eine Ausnahmegestalt - auch im Tode wollte er eine sein. Nach Lenin, Stalin und Mao Tsetung ist der am Dienstag gestorbene ehemalige italienische Ministerpräsident einer der wenigen Staatenlenker der Neuzeit, die sich bereits zu Lebzeiten ein monumentales Grabmal errichten ließen.

Berlusconi beauftragte dafür den Bildhauer Pietro Cascella, im Garten seiner Villa in Arcore in der Nähe von Mailand ein Hypogäum zu bauen - ein Mausoleum mit einem oberirdischen und einem unterirdischen Teil, das die Grabmale der Führer des Kommunismus allein durch seine Monumentalität in den Schatten stellt. Eine Grabkammer im Stil des ägyptischen Pharaos Tutanchamun - für Berlusconi offenbar das zutreffende Spiegelbild seiner selbst.

Nur wenige Menschen hatten das Privileg, Berlusconis privates Mausoleum betreten zu dürfen, darunter 1993, kurz nach der Fertigstellung, der letzte sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow. Was dieser dabei dachte, ist leider nicht überliefert, dafür aber ein Film des Besuchs.

Auch der italienische Journalist Curzio Maltese hatte die Ehre, in die Grabkammer geführt zu werden. Berlusconi wollte den bekannten Sportjournalisten davon überzeugen, in seine TV-Sender überzuwechseln. "Er zeigte uns diese Art Mausoleum, voller Symbole. Das war schon merkwürdig", erzählte Maltese einmal im Gespräch mit ntv. "Es war ein Mausoleum, wo er selber seine letzte Ruhestätte finden würde, und um ihn herum, zusammen mit ihm, sollen dort auch die engsten Mitarbeiter begraben werden, geordnet nach Wichtigkeit."

"Bloß keine Kreuze"

Auf die Frage, ob ihm auch angeboten worden sei, dort begraben zu werden, lachte Maltese. Ihm nicht, anderen Mitarbeitern Berlusconis schon.

In seinem Schloss in Fivizzano in der Toskana, wo Cascella lebte, zeigte der Bildhauer ntv im Jahr 2003 den Aufbau des Mausoleums anhand eines großen Modells. 1988 hatte Berlusconi ihm vorgeschlagen, eine Kapelle nach antikem Vorbild in seinem Garten zu errichten. Ursprünglich sollte sie allein als Grabstätte für Berlusconis Vater dienen, doch dann wurde es zur Kapelle der gesamten Familie.

"Wir sind eben, wie man es in der Toskana ehrlich sagt, zwei gefährliche Größenwahnsinnige." Pietro Cascella erläutert das Modell des Berlusconi-Mausoleums.

"Wir sind eben, wie man es in der Toskana ehrlich sagt, zwei gefährliche Größenwahnsinnige." Pietro Cascella erläutert das Modell des Berlusconi-Mausoleums.

(Foto: Screenshot ntv)

Cascella ist Schöpfer zahlreicher monumentaler Werke zeitgenössischer Kunst, darunter der Friedensbogen in Tel Aviv und das Monument für Europa in Straßburg. Alles sollte sich am Lebendigen orientieren, habe Berlusconi ihm erklärt: "Er sagte zu mir: Schaff bloß keine Grabesstimmung, also Kreuze, Tote oder ähnliche Figuren. Im 16. oder 17. Jahrhundert machte man so etwas. Da herrschte der Tod überall. Da hatte Berlusconi die richtige Person gefunden für sein Grabmal, denn niemals will ich den Tod abbilden, sondern nur das Leben."

Die Arbeit an dem Monument dauerte mehrere Jahre. Berlusconi habe dafür selbst zur Maurerkelle gegriffen und mit angepackt. "Das machte ihm großen Spaß", so Cascella damals. "Er ist ja ein athletischer Typ, er liebte es im Park zu joggen, Sport zu treiben. Auch wenn er ja kein großer Mensch ist, eher klein, aber sehr wohl geformt."

"Willst du wirklich in die Politik gehen?"

Cascella war beinah täglich mit Berlusconi zusammen, als dieser sich entschloss, in die Politik zu gehen. Das war Anfang der 1990er Jahre, als das alte Parteiensystem unter der Last von Korruptionsvorwürfen zusammenbrach und der politische Schutzpatron Berlusconis, Sozialistenführer Bettino Craxi, kurz vor der Flucht ins Exil nach Tunesien stand. Im Sommer 1992 beriet Berlusconi mit seinen engsten Mitarbeitern, was nun zu tun sei - ob es sinnvoll und nötig sei, eine eigene Partei zu gründen.

"Ja, genau in jenen Jahren arbeitete ich an seiner Familienkapelle. Er kam zu mir und erzählte mir, dass er diese Partei gründen wollte, und ich dachte mir nur, das wird aber ein wenig schwierig werden, aber er bestand darauf. Ich fragte ihn immer wieder: Aber willst du wirklich in die Politik gehen? Ich hatte meine Zweifel. Offenkundig habe ich mich geirrt, er hat schließlich sein Ziel erreicht, er hat, bei allen Problemen, es doch geschafft, das zu machen, was er wollte."

Vor dem Modell des Grabmals erläuterte Cascella das Werk: "Die eigentliche Kapelle liegt darunter. Der obere Teil heißt 'Konstellationen'. Es ist eine Himmelsmaschine, die Höhe der einzelnen Bauteile beträgt etwa acht Meter - es ist alles aus Marmor. Es ist für unsere Zeit ein epochales Werk." Zu dieser Himmelsmaschine gehören gigantische Sterne, Monde und Planeten. Sie sind miteinander verbunden wie in einem unsichtbaren Räderwerk, werden gelenkt von einer geheimnisvollen kosmischen Energie. Die Skulptur steht auf einem Sockel, den man, wie eine Pyramide, über eine Anzahl hoher Einzelstufen erreicht. Rings um die Himmelsmaschine steht eine Art offener Tempelbau, in dessen Inneres die einzelnen Elemente eingefügt sind.

Und im Zentrum steht Berlusconi

"Die Idee ist die, dass der Mensch nicht nur ein flüchtiger Augenblick im Weltenlauf ist, sondern dass man in ein fernes Jenseits geht, in eine Konstellation. So habe ich diesen Entwurf gemacht, der einen Kubus umschließt, worin sich diese Himmelsmaschine befindet, mit all ihren Weltenkugeln, Sternen. Damit man die Schönheit dieser Anlage begreift, müsste man eigentlich nach Arcore gehen, es sich direkt von unten anschauen."

Pietro Cascella und Berlusconi bei der Arbeit.

Pietro Cascella und Berlusconi bei der Arbeit.

(Foto: Archiv Udo Gümpel)

Der obere Teil, die "Konstellation", der Kubus in Form eines antiken Tempels mit der Himmelsmaschine darin, bezieht seine Energie aus dem unteren Teil des Monuments. "Der untere Teil, das ist die Familie, die hier zusammengekettet ist, verkettet, der Kreis der Familie, der sich um das Grab herum schließt", sagte Cascella und wies auf die im Gruße verschränkten stilisierten Hände, die die innere Grabkammer umschließen, nur unterbrochen von den Nischen für die Urnen der Familienangehörigen, der engsten Freunde. "Im Mittelpunkt des Grabraumes steht eine Art Altar, es ist das wichtigste Grabmal, von dem ich annehmen muss, wir kreuzen die Finger, dass es sein allerletzter Wohnort sein wird."

Berlusconis Grabmal. Das Zentrum der Grabkammer, auch leicht erhöht auf einem Sockel errichtet. Umgeben von den Urnen seiner Familie, seiner Freunde. Ein erhöht stehender Sarkophag, umgeben von 36 Urnenplätzen der engsten Freunde und Familienangehörigen. Mit anderen Worten: Die kosmische Energie, die Sterne, Planeten und das gesamte Universum in Gang hält, bezieht ihre Energie von Berlusconi.

Keine Jesus-Figur, dafür ein Widder

Bis heute ist die Grabkammer leer, auch Berlusconis Vater wurde nicht dort bestattet. Ob er selbst dort liegen darf, ist noch unklar - eigentlich gilt in Italien noch immer die von Napoleon eingeführte Pflicht der Bestattung auf Friedhöfen. Aber was sagt das Mausoleum über Berlusconi aus? Dazu befragten wir damals, 2003, einen Psychologen und Kommunikationsexperten, der sich seit Jahren mit dem Phänomen Berlusconi beschäftigte: Alessandro Amadori. "Wenn ich den oberen Teil, diese Himmelsmaschine, anschaue, dann bemerke ich, dass es beinahe eine Art Supermarkt der Symbole ist", sagte Amadori. "Da gibt es alles: Halbmonde, Sphären, Schneckenhäuser. Diese Akkumulation der Symbole ist für mich eine Metapher für die Reichtümer, die der Ministerpräsident in seinem Leben angesammelt hat. Dann ist es doch bemerkenswert, dass die meisten Symbole dieses Grabdenkmals nicht religiöser Natur sind, sondern astrologisch, Symbole eines laizistischen Weltbildes, es gibt keine Spur traditioneller Religionen."

Über dem Eingang in die Grabkammer thront ein stilisierter Widder, darunter das Lot als Symbol der Freimaurer. Christliche Symbole sucht man in Berlusconis Mausoleum vergeblich.

Über dem Eingang in die Grabkammer thront ein stilisierter Widder, darunter das Lot als Symbol der Freimaurer. Christliche Symbole sucht man in Berlusconis Mausoleum vergeblich.

(Foto: Archiv Udo Gümpel)

Für jemanden, der die alte Kapelle der Benediktinernonnen des alten Kloster San Martino am Orte der Villa Casati Stampa hat wieder neu weihen lassen, den Zögling der Salesianer, der ungeheuer viel auf seine Katholizität hielt, war das schon eine echte Überraschung: das eigene Grabmal frei von den Merkmalen christlicher Religion zu halten. Wie sagte Cascella? Berlusconi wollte "bloß keine Kreuze, keinen Tod und solche Dinge".

Über dem Niedergang in eine Kammer wie im Tal des Todes der ägyptischen Pharaonen thront ein stilisierter Widder, der alle anderen Symbole dominiert. Vom Widder geht eine Achse nach unten, um die herum Meeressymbole wie Muscheln angebracht sind, an der Seite findet sich ein Symbol der Erde.

Amadori fand das faszinierend: "Wir erkennen hier in dieser komplexen Struktur der Elemente über dem Eingang ein Prinzip der Autorität: Das wird eindeutig symbolisiert durch den Widder: ein Tier, das in unserer europäischen Tradition der Symbole immer auch ein mephistophelisches Element ist."

"Symbol der sexuellen Kraft"

Nun spürte Amadori den Atem der Anwälte Berlusconis im Nacken, aber der Widder wird als Symbol nun einmal in der Anthropologie so interpretiert. "Damit will ich natürlich nicht sagen, dass es eine Beziehung zwischen satanischen Sekten und der Psychologie von Silvio Berlusconi gibt, aber es beeindruckt doch sehr, dass unter den vielen Symbolen, die man hätte wählen können, gerade der Widder gewählt wurde. Ein Symbol, das nun wirklich sehr selten auf europäischen Grabstätten ist."

Nach einer Weile des ruhigen Nachdenkens meinte Amadori dann: "Der Widder, das ist natürlich auch das Symbol der Fruchtbarkeit, der sexuellen Kraft, des Lebens an sich." Eine Interpretation, die durchaus in Richtung der Worte von Cascella geht: Beide wollten ein Monument des Lebens, nicht des Todes. Der Widder als Symbol der Sexualität, der unbändigen Lebenskraft - das würde dann wieder gut passen zu Berlusconi.

Amadori sah das Mausoleum als Abbild der politischen Weltanschauung von Silvio Berlusconi: "Eine streng hierarchische Gesellschaft mit einer starken Konzentration der Macht, einem engen Zusammengehörigkeitsgefühl der Machtelite, gleichzeitig geprägt von einer Entpersonifizierung des Menschen."

Auch im Tode wollte Berlusconi Herrscher sein

Die Grabkammer insgesamt machte auf den Psychologen einen Eindruck "der reinen Kälte". "Es ist ein mechanisches Grab, es sieht fast aus wie eine Fabrik, ein Atomreaktor, ein Technik-Labor - es ist ein kaltes Grab. Das einzige Symbol, das auftaucht, ist der Haken, eine mechanische Einheit, anstatt zweier Hände. Dies ist ein Symbol der Herrschaftsausübung, der Tendenz Berlusconis, Strukturen zu bauen, die dauerhaft sind."

Die Beziehung, die hier architektonisch zwischen Berlusconi und den Mitarbeitern aufgebaut wurde, ist die zwischen Chef und Untergebenen. "Die einzige Struktur, die einen Körper aufnimmt, ist die in der Mitte, die für Berlusconi. Die anderen Körper sind unsichtbar, sie sind am Rande untergebracht, nicht neben ihm. Hier wird nicht der Tod geteilt, sondern es bleibt die Zentralität eines Körpers, während die anderen verborgen werden. Den anderen Familienangehörigen wird die Körperlichkeit nach dem Tode verweigert, ihre Körper sind negiert: Es ist, auch im Tode, ein Verhältnis Herrschaft-Unterordnung."

Der unterirdische Bereich des Mausoleums im Modell.

Der unterirdische Bereich des Mausoleums im Modell.

(Foto: Screenshot ntv)

Amadori zeigte sich sichtlich erschrocken, diesen Blick in die innere Geisteswelt von Berlusconi bekommen zu haben. So hatte er es sich nicht vorgestellt. Beim Mausoleum hatte er an eines der üblichen Familiengräber gedacht, nur eben größer, aber mit Puttenengelchen, mit Gebetsnischen, Madonnen und Jesusfigürchen. Doch Berlusconi war anders. Beängstigender.

"Das ist schon leicht wagnerianisch"

Pietro Cascella, der Baumeister und Freund des Medienmoguls, gestand ein, ein solches Mausoleum sei "das Zeichen eines über alle Maßen hohen Selbstwertgefühls". Aber es sei mehr seine als Berlusconis Schuld, wenn das Monument so machtvoll daherkomme. "Wir sind eben, wie man es in der Toskana ehrlich sagt, zwei gefährliche Größenwahnsinnige. Ja, wenn ich darüber nachdenke, dann ist es schon leicht wagnerianisch."

Es ist natürlich seltsam, dass ein Mann eine kirchliche Feier im Dom von Mailand bekam, der zweimal verheiratet war, mehrfach more uxorio lebte, wie das sündige "Zusammenleben nach ehelicher Art" ohne Trauschein im Kirchenrecht genannt wird, und der für sein Grab ausdrücklich keine christlichen Symbole wollte, sondern umgeben sein wollte von nicht-christlichen und Freimaurer-Symbolen.

Aber vielleicht hielt Berlusconi sich auch selbst zu sehr für den Erlöser, um einen weiteren neben sich zu dulden. Indro Montanelli, bis in die 1990er Jahre Herausgeber von "Il Giornale", der ersten Tageszeitung in Berlusconis Besitz, gehörte zu den Auserwählten, denen ein Platz in einer der 36 Urnen-Logen angeboten wurde. Er lehnte dankend ab. ntv gegenüber wiederholte er, was er damals zu Berlusconi sagte: "Domine non sum dignus", die Worte, die der Hauptmann von Kafarnaum im Neuen Testament an Jesus richtete und die sich leicht abgewandelt in der katholischen Liturgie erhalten haben: Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.

Quelle: ntv.de

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