"Spiegel"-Redakteur zu Video "Zitate, die viel verraten"
18.05.2019, 12:53 Uhr
Die politische Karriere des österreichischen Vizekanzlers Strache nimmt ein abruptes Ende. Grund ist die Veröffentlichung eines Videos, das ihn in Verhandlungen mit einer vermeintlichen russischen Investorin zeigt. "Spiegel"-Redakteur Martin Knobbe erzählt im n-tv Interview, wie er das Material bewertet.
n-tv: Spiegel-Redakteur Martin Knobbe, Sie haben die Skandalgeschichte über FPÖ-Chef Strache mitgeschrieben. Hätten Sie damit gerechnet, dass Ihre Enthüllungen Strache zu Fall bringen?
Martin Knobbe: Wir haben es als eine Möglichkeit schon mit einkalkuliert, weil uns schon bewusst war, welche Brisanz das Material hat. Das war ja auch der Grund, warum wir es veröffentlicht haben. Aber andererseits weiß man nie, wie darauf reagiert wird, insofern waren wir nicht ganz sicher. Aber es war eine Möglichkeit, die wir in Betracht gezogen haben.
Sprechen wir noch weiter über dieses brisante Video: Woher kommt das Material und wann genau wurde es Ihnen zugespielt?
Wir wussten von der Existenz des Materials und von der Situation in der Villa, da wissen wir schon länger von. Tatsächlich war es dann so, dass uns das Material erst vor gut einer Woche übergeben wurde. Woher das kommt, kann ich nicht sagen, weil wir der Quelle Anonymität zugesichert haben. Wir können auch nicht sagen, was die Motivation hinter dieser Falle ist. Wir haben verschiedene Theorien, aber wir können sie nicht belegen, und deswegen beteiligen wir uns auch nicht an Spekulationen, wer dahinter stecken könnte. Für uns war und ist entscheidend die Aussagekraft der Zitate, die viel verraten über die politische Haltung, und auch moralische und ethische Gesinnung.
Auch wenn Sie sagen, Sie möchten sich an Spekulationen nicht beteiligen: Es gibt verschiedene Theorien, und in Zusammenhang mit diesen Theorien taucht auch immer wieder der Name Jan Böhmermann auf. Was hat er mit dieser ganzen Geschichte möglicherweise zu tun?
Um die endgültige Antwort zu bekommen, müssen Sie ihn selber fragen. Aber es ist so, dass wir wissen, dass vor unserer Veröffentlichung einige in Österreich und wahrscheinlich auch in Deutschland von der Existenz dieses Videos wussten. Zumindest von der Gegebenheit in der Villa und auch, was da gesprochen wurde. Da waren wir nicht die Einzigen. Und ich nehme an, dass so auch Jan Böhmermann an die Informationen gekommen und sie dann eben in dieser Rede zur Preisverleihung der Romy auch verwendet hat. Das ist unsere Erklärung, aber die endgültige Antwort könnte Ihnen nur Jan Böhmermann selbst geben.
Die Öffentlichkeit kennt bisher ja nur einen kurzen Ausschnitt dieses Videos. Was ist auf dem restlichen Material zu sehen?
Dieser Abend zieht sich recht lange hin, es sind mehr als sechs Stunden. Es wird wahnsinnig viel geredet, es dreht sich sehr viel um die "Krone" (die "Kronen-Zeitung", Anm. der Red.), das haben wir auch in den Auszügen sehen können, und um mögliche andere Aufträge. Wir haben uns dazu entschieden, die politisch relevantesten Abschnitte zu veröffentlichen. Es gibt auch sehr viel Persönliches, es wird über andere Politiker hergezogen, über angebliches Material, das gegen die wiederum im Umlauf sei. Das betraf dann aber so sehr die Privatsphäre dieser Politiker, dass wir uns entschieden haben, darüber gar nichts zu berichten. Was wir jetzt ausgewählt haben, sind die stärksten und die relevanten Aussagen von Strache und von Gudenus.
Herr Knobbe, was bedeutet denn dieser Skandal Ihrer Meinung nach für die anstehende Europawahl und die Rechtspopulisten in Europa?
Das lässt sich wirklich sehr schwer sagen. Wir wissen ja, dass Skandale nicht unbedingt immer eine Auswirkung auf Wählerverhalten haben. Ich glaube, was eben dieser Skandal zeigt, ist, wie Leute wie Strache oder Gudenus denken, wozu sie auch bereit wären. Und ich denke, es ist schon wichtig zu erkennen, dass das oft konträr zu dem steht, was eine Partei wie die FPÖ von sich selbst behauptet, nämlich eine Saubermann-Partei zu sein. Ob das jetzt wirklich Auswirkungen hat auf irgendein Wahlergebnis, weiß ich nicht, das muss jeder Wähler dann irgendwie für sich entscheiden. Aber ich sage mal, ich glaube, wir sind jetzt schon um eine Erkenntnis reicher, nämlich wie eben Politiker wie Strache oder Gudenus ticken.
Quelle: ntv.de