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Briefwechsel mit der Kanzlerin Seehofer sollte seinem eigenen Rat folgen

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(Foto: dpa)

Vor drei Monaten sagte Horst Seehofer, bei Kanzlern erfolge eine Kursänderung in der Regel nicht durch eine Erklärung, sondern "eher schleichend". Genauso war es. Nur nicht bei ihm.

Drei Monate hat es gedauert, bis Bundeskanzlerin Angela Merkel den Brief des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer beantwortet hat. Man kann sich vorstellen, wie der CSU-Chef dem Boten das sehnsüchtig erwartete Schreiben aus den Händen riss, den Umschlag aufschlitzte und den dreiseitigen Brief verschlang.

Tatsächlich soll es anders gewesen sein. Er habe den Brief noch nicht gelesen, sagte Seehofer der "Süddeutschen Zeitung", das werde er erst "im Laufe der Tage tun". Immerhin: Seine Beamten würden das Schreiben bereits auswerten. Sie hätten ihm gesagt, dass zu seinen "zentralen Argumenten" in Merkels Brief "relativ wenig gesagt wird".

Egal, was in Merkels Antwort stand: Der Brief, den Seehofer am 26. Januar an die Kanzlerin schickte, war ein Rohrkrepierer. Er hatte die Bundesregierung – der die CSU bekanntlich angehört – darin aufgefordert, "unverzüglich" Maßnahmen "zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms" zu ergreifen. Andernfalls drohte er mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die unverzügliche Reaktion der Kanzlerin bestand damals darin, den Brief zu ignorieren; Seehofers Reaktion wiederum war eine rhetorische Eskalation, die er vor den drei Landtagswahlen im März kurz unterbrach, dann wieder aufnahm und schließlich beendete.

Und jetzt? Eigentlich weiß Seehofer, wie so etwas läuft. "Eine Kursänderung bei Bundeskanzlern erfolgt in aller Regel nicht durch eine Erklärung", sagte er am Tag, bevor er seinen Brief abschickte, in einem Interview. (Man darf ergänzen: Das gilt auch für bayerische Ministerpräsidenten.) "Da wird nicht gesagt, das war ein Fehler. Das passiert eher schleichend. Da stellt man dann erst im Rückblick fest, dass ein Kurs einfach nicht mehr verfolgt und etwas ganz anderes gemacht wurde."

Genau das hat Merkel gemacht. Sie hat ihre Flüchtlingspolitik korrigiert, ohne zu sagen, dass sie einen Fehler gemacht habe. Im Januar war dieser Kurswechsel längst vollzogen. Auch Merkel wollte den "Flüchtlingszustrom" stoppen, nur eben nicht an der bayerischen Grenze, sondern an der Außengrenze der EU.

Drei Monate lang musste Seehofer auf die Antwort der Kanzlerin warten, drei Monate, in denen er viel Zeit hatte, seinen Kurs "eher schleichend" zu ändern. Bislang hat er das nicht getan. Die Klagedrohung werde "natürlich aufrechterhalten", sagt der CSU-Chef. Die Geschichte des Rohrkrepierers ist also noch nicht zu Ende.

Quelle: ntv.de

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