"Feinde wollen uns zerstören" Ukraine feiert besonderen Lichtblick in schwersten Zeiten
27.03.2024, 13:29 Uhr
Wolodymyr Selenskyj jubelt über den EM-Einzug der ukrainischen Fußball-Nationalmannschaft.
(Foto: dpa)
Für die Ukraine ist die EM-Qualifikation viel mehr als die Erfüllung einer Mission. Es geht um den Beweis, dass das von Russland angegriffene Land nicht aufgibt. Präsident Selenskyj findet emotionale Worte, Bundesinnenministerin Faeser sendet Glückwünsche, die Spieler danken den Soldaten.
Als Wolodymyr Selenskyj vor Stolz beinahe platzte und Ukraines EM-Fahrer die Ovationen von 30.000 Fans genossen, zählte sogar an der Front für einen kurzen Moment nur noch König Fußball. In vielen Schützengräben hatten Soldaten auf kleinen Bildschirmen während einer Feuerpause den Coup ihrer Nationalmannschaft im fernen Breslau verfolgt. Es war eine kleine und viel zu kurze Ablenkung in schwersten Zeiten.
Auch Präsident Selenskyj jubelte mit, wenn auch mit einer politischen Note. "Wir haben wieder einmal bewiesen: Wenn Ukrainer in Schwierigkeiten stecken, geben sie nicht auf und kämpfen weiter, bis sie gewinnen", schrieb der Staatschef bei Instagram. Wie schon im Playoff-Halbfinale gegen Bosnien-Herzegowina war die Ukraine auch im Alles-oder-Nichts-Spiel gegen Island in Rückstand geraten - und gewann am Ende doch mit 2:1.
"Danke Jungs. In Zeiten, wo die Feinde versuchen, uns zu zerstören, zeigen wir jeden Tag, dass wir da sind und da sein werden", schrieb Selenskyj. Und natürlich war er mit dieser Wortwahl nicht allein. Auch Verteidiger Oleksandr Sintschenko vom FC Arsenal dankte nach Schlusspfiff "den Soldatinnen und Soldaten, die ihr Leben geben für unsere Freiheit."
Ukraine als nächstes gegen Deutschland
Fast in Vergessenheit geriet, dass Ukraines Erfolg vor allem ein Sieg der besseren Fußballmannschaft war. Die Tore von Viktor Zygankow (54.) und Chelsea-Star Mychajlo Mudryk (84.) brachten das Ticket nach Deutschland, auch viele isländische Fans applaudierten und stimmten sogar ein, als die Ukrainer mit erhobenen Händen ein "Huh" durch das Stadion hallen ließen - ein Ritual, auf das eigentlich die Isländer ein Copyright haben.
Für die Ukraine geht es nun im Sommer nach Deutschland - erst am 3. Juni zu einem Test in Nürnberg gegen die DFB-Elf, dann zu den Gruppenspielen in München, Düsseldorf und Stuttgart gegen Rumänien, die Slowakei und Belgien. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sendete noch am Abend Glückwünsche: "Wir freuen uns sehr, die Ukraine bei der EURO in Deutschland zu begrüßen. Das Signal ist einmal mehr und weit über den Sport hinaus: Die Ukraine gehört zu Europa!"
Auch Münchens SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter freut sich schon auf das Gastspiel der Mannschaft in seiner Stadt. "Ich hoffe sehr, dass dieser großartige Erfolg der Ukraine und unserer Partnerstadt Kiew Kraft gibt", sagte Reiter auf SID-Anfrage. Er freue sich "ganz besonders, dass die Mannschaft ihr erstes EM-Spiel bei uns in München bestreiten wird." Nach Angaben der Stadt leben aktuell rund 24.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in München, davon 17.000 Geflüchtete.
Die Mannschaft feierte ihren Triumph indes eher verhalten, nach der Ehrenrunde vor unzähligen blau-gelben Fahnen herrschte in der Kabine eher Erschöpfung denn Euphorie. Verbandspräsident Andrij Schewtschenko klatschte jeden Spieler ab, stand für Umarmungen bereit - und richtete dann ein paar Worte an die Mannschaft.
"Ich habe Tausende Nachrichten der Unterstützung erhalten, auch von Menschen, die jetzt an vorderster Front stehen, um unser Land zu verteidigen", sagte der ehemalige Stürmerstar, und plötzlich wurde es mucksmäuschenstill: "Ihr habt ihnen ein kleines Stück Glück geschenkt."
Quelle: ntv.de, dbe/sid