Collinas Erben

"Collinas Erben" staunen Schiri Ittrich gelingt Hattrick beim Comeback

IMG_ALT
Ittrich hatte bei seinem Comeback nach Verletzung viel zu tun.

Ittrich hatte bei seinem Comeback nach Verletzung viel zu tun.

(Foto: imago images/Contrast)

Gleich viermal stellt sich dem Schiedsrichter im turbulenten Spiel der Fußball-Bundesliga zwischen Hertha BSC und RB Leipzig in kniffligen Situationen die Frage: Gelb oder Rot? In drei Fällen entscheidet er sofort richtig, nur einmal benötigt er die Hilfe des VAR.

Die abschließende Partie des 23. Spieltags der Fußball-Bundesliga zwischen Hertha BSC und RB Leipzig endete zwar mit dem deutlichen Ergebnis von 6:1 für die Gäste. Doch das heißt keineswegs, dass Schiedsrichter Patrick Ittrich im Olympiastadion einen ruhigen und entspannten Abend hatte. Vielmehr stellte sich ihm in gleich vier Situationen die Frage, ob er einen Feldverweis aussprechen muss. Die erste davon trug sich schon nach 25 Minuten zu, als der Berliner Marco Richter nach einem zu kurz geratenen Rückpass der Leipziger in einen Zweikampf mit Willi Orban ging und dabei beherzt zum Tackling ansetzte.

Orban war jedoch vor Richter am Ball, der Herthaner kam einen Moment zu spät und räumte seinen Gegenspieler dadurch rustikal ab. Es war ein Foulspiel mit einiger Intensität, Orban musste danach auf dem Feld behandelt werden, die Kameras fingen sein lädiertes Schienbein ein. Doch Richter war nicht mit durchgestrecktem Bein voraus in den Kampf um den Ball gegangen und hatte den Leipziger auch nicht mit der offenen Sohle zu Boden gebracht, sondern nur mit der Fußseite und seinen Beinen. Dieses Trefferbild, wie die Schiedsrichter es nennen, ließ die Gelbe Karte, die Referee Ittrich zeigte, als angemessene Sanktion erscheinen.

Richter und Gvardiol kommen zu Recht mit Gelb davon

Denn das Foul war rücksichtslos, aber nicht brutal; von einem "dunkelgelben" Vergehen sprechen Kommentatoren in solchen Fällen gerne. Video-Assistent Benjamin Brand brauchte jedenfalls nicht mit einer Review-Empfehlung einzugreifen, genauso wenig wie in der 34. Minute, als erneut Marco Richter involviert war, diesmal jedoch als Opfer: Nach einem Zuspiel von Vladimir Darida hielt ihn der Leipziger Josko Gvardiol am Arm fest und brachte ihn dadurch kurz vor dem Strafraum der Gäste in zentraler Position zu Fall. Die Berliner plädierten vehement auf "Notbremse" und eine Rote Karte für Gvardiol. Doch Ittrich beließ es bei einer Verwarnung.

Auch das war korrekt, denn eine offensichtliche Torchance hatte der Leipziger Verteidiger nicht vereitelt. Richter hätte den Ball schließlich erst einmal erreichen und sich dabei gegen Gvardiols Teamkollegen Mohamed Simakan durchsetzen müssen, der mitgelaufen war. Somit lag, regeltechnisch betrachtet, nur die Unterbindung eines aussichtsreichen Angriffs vor, das ist sozusagen die kleine Schwester der "Notbremse". Und für die ist nur die Gelbe Karte vorgesehen. Patrick Ittrich hatte bei seinem Bundesliga-Comeback nach mehrwöchiger verletzungs- und krankheitsbedingter Pause also auch in der zweiten kniffligen spielrelevanten Situation richtig gehandelt.

Kempf zieht die Notbremse und fliegt vom Platz

Collinas Erben

"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

In der 62. Minute gelang dem Unparteiischen aus Hamburg gewissermaßen der Hattrick. Bei einem Leipziger Angriff nahm Christopher Nkunku den Ball nach einem Zuspiel auf und zog an Marc-Oliver Kempf vorbei zentral in den Strafraum der Hausherren. Anders als in der Situation nach 34 Minuten war allerdings kein weiterer Verteidiger in der Nähe, der hätte eingreifen können. Kempf hatte schon außerhalb des Strafraums versucht, Nkunku durch ein Festhalten entscheidend zu stören, auf der Strafraumgrenze ließ er ihn für einen Sekundenbruchteil los, um ihn anschließend am Bauch zu umklammern und ihn so zu Boden zu bringen. Zu Recht entschied Ittrich auf Strafstoß und Feldverweis.

Manche mögen sich gefragt haben, ob das Halten nicht dort hätte geahndet werden müssen, wo es begann, also außerhalb des Strafraums und entsprechend mit einem Freistoß. Doch im Regelwerk ist klar festgehalten: "Wenn ein Verteidiger einen Angreifer außerhalb des Strafraums zu halten beginnt und ihn bis in den Strafraum weiter festhält, entscheidet der Schiedsrichter auf Strafstoß." Auch die Rote Karte war zwingend, weil Kempf eine offensichtliche Torchance der Leipziger vereitelt hatte. Und das nicht beim Versuch, den Ball zu spielen - was bei einer "Notbremse" im Strafraum nur eine Gelbe Karte nach sich zöge -, sondern durch ein Vergehen, das ausschließlich gegnerorientiert war.

Der VAR bewahrt die Hertha vor einem weiteren Feldverweis

Sechs Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit, als die Hertha bereits mit 1:5 zurücklag, kam es zunächst zu einem weiteren Feldverweis gegen sie, nachdem Santiago Ascacíbar bei einem Konter der Leipziger den davoneilenden Yussuf Poulsen mit einer Grätsche von hinten zu Fall gebracht hatte. In der Realgeschwindigkeit sah das Foulspiel brutal aus, auch für Patrick Ittrich, der Ascacíbar ohne zu zögern die Rote Karte präsentierte. In den Wiederholungen jedoch erkannte man gut, dass der Vorgang nicht ganz so dramatisch war, wie er es auf den ersten Blick zu sein schien: Der Berliner hatte den Ball beim Tackling nur knapp verfehlt und Poulsen nicht mit den Stollen an der Achillessehne getroffen, sondern lediglich mit dem Oberschenkel des ausgestreckten Beines seitlich am Fuß.

Mehr zum Thema

Es handelte sich damit eindeutig nicht um ein rotwürdiges Foulspiel, sondern nur um ein rücksichtsloses Vergehen. Richtigerweise griff deshalb der VAR ein und riet dem Schiedsrichter zum On-Field-Review. Ittrich blickte nur kurz auf den Monitor am Spielfeldrand, dann nahm er den Feldverweis zurück und ersetzte die Rote Karte durch eine Gelbe. Außerdem gab es ein kurzes Shakehands zwischen ihm und Ascacíbar - eine so bemerkenswerte wie aufrichtige Bitte um Entschuldigung vonseiten des Unparteiischen.

In dieser konkreten Situation waren die Gesamtumstände gleichwohl nicht so gelagert, dass die ursprüngliche Entscheidung wie ein gravierender Patzer wirkte, den der Spielleiter zu bedauern gehabt hätte. Dafür war sie auf den ersten Blick zu verständlich und nachvollziehbar. Eher waren der Rat zum Review und die anschließende schnelle Entscheidungsänderung der Ausdruck einer guten Zusammenarbeit im Team der Unparteiischen, zu dem eben auch der VAR in Köln gehört. Patrick Ittrich hat bei seiner Rückkehr ins Oberhaus jedenfalls überzeugt. Nicht nur in den erwähnten kniffligen Situationen, sondern auch und nicht zuletzt durch seine kommunikative Art, die dieser manchmal aufgeregten Partie guttat.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen