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Technologische Führung ChatGPT bringt China um seine KI-Dominanz

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​Das weltweite Interesse an dem Chatbot von OpenAI zwingt Tech-Konzerne jetzt dazu, mit Hochdruck vergleichbare Programme zu entwickeln.

​Das weltweite Interesse an dem Chatbot von OpenAI zwingt Tech-Konzerne jetzt dazu, mit Hochdruck vergleichbare Programme zu entwickeln.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Der Hype um ChatGPT lässt bei Technologiegiganten in China die Alarmglocken schrillen. Etliche Firmen wollen eine ähnliche Software auf den Markt bringen. Bislang ohne vergleichbaren Erfolg. Für den einstigen KI-Vorreiter ist das verheerend.

Der Kampf um die Vormachtstellung bei künstlicher Intelligenz schien ausgemacht. Lange waren sich Experten sicher: Die USA haben das Rennen gegen China bereits verloren, der Vorsprung ist uneinholbar.

Nicht zuletzt mit dem Erfolg von ChatGPT sind die Karten jetzt neu gemischt. "Die Einschätzung, dass China im Bereich künstliche Intelligenz kaum noch einzuholen wäre, war schon immer ziemlich übertrieben", sagt Horst Löchel, der das Sino-German Center an der Frankfurt School of Finance & Management leitet, ntv.de. "Wir neigen bei der Einschätzung von China entweder zur Übertreibung oder zur Untertreibung."

Das weltweite Interesse an dem Chatbot von OpenAI zwingt Tech-Konzerne jetzt dazu, mit Hochdruck vergleichbare Programme zu entwickeln. Immer mehr chinesische Firmen bringen sich in Stellung. Die Aufholjagd ist überfällig. Denn die vermeintliche KI-Dominanz war längst nicht allumfassend. "Die chinesische Vormachtstellung bei künstlicher Intelligenz hat sich bislang vor allem bei der Erkennung von Objekten auf Fotos oder in Videos gezeigt", sagt Jan Hinnerk Mohr, Experte für digitale Transformation von der Boston Consulting Group, ntv.de. Das haben auch die Technologieriesen des Landes Baidu, SenseTime und Alibaba inzwischen erkannt und eigene KI-Modelle vorgestellt.

Noch kann es keiner mit ChatGPT aufnehmen

Der E-Commerce-Gigant Alibaba präsentierte erst vergangenen Dienstag seine neue KI-Software "Tongyi Qianwen". Schon bald soll sie in alle Apps des Konzerns integriert werden. Die Technologie "wird große Veränderungen in der Art und Weise mit sich bringen, wie wir produzieren, arbeiten und unser Leben leben", sagte Konzernchef Daniel Zhang.

Noch scheint das KI-Sprachmodell von Alibaba, das sowohl Chinesisch als auch Englisch spricht, allerdings nicht mit ChatGPT mithalten zu können. Mohr berichtet etwa von einem anekdotischen Beispiel, bei dem die KI nach einem Rezept für gerösteten Beton gefragt wurde. Die Software von Alibaba soll daraufhin vorgeschlagen haben, den Beton in kleine Stücke zu schneiden und mit Knoblauch anzubraten. ChatGPT würde so einen Vorschlag nicht machen, sagt Mohr. Die KI von OpenAI wisse, dass man Beton nicht essen könne. "Man muss allerdings fair bleiben. Der Vergleich von ChatGPT mit anderen Modellen zeigt: Auch in der westlichen Welt kann es bislang kein anderer Anbieter mit OpenAI aufnehmen."

Auch das Sprachmodell "Ernie" von Suchmaschinen-Betreiber Baidu konnte bislang den Erwartungen nicht gerecht werden. Die im Internet übertragene Präsentation im März ist ein Desaster gewesen. Konzernchef Robin Li gestand darin, der Bot werde nur enthüllt, weil der Markt danach verlange. "Ernie" sei noch nicht perfekt und ChatGPT habe mit der neuen Version die Latte noch einmal angehoben. Der Aktienkurs des Unternehmens gab im Anschluss um rund zehn Prozent nach. Das Unternehmen arbeitet seit 2019 an seinem Sprachmodell und hat in den vergangenen Jahren Milliarden in diesen Bereich investiert.

"Um mit ChatGPT mithalten zu können, muss China weiter investieren", sagt Mohr. Ein solches Modell zu trainieren, koste immerhin bis zu 100 Millionen Dollar. Dessen ist sich auch Microsoft bewusst. Erst kürzlich gab Konzernchef Satya Nadell bekannt: Um den kommerziellen Durchbruch von OpenAI zu beschleunigen, wolle Microsoft eine "Multi-Milliarden-Dollar-Investition" tätigen.

Innovation und Kontrolle passen nicht zusammen

Während die chinesische Regierung das Potenzial von künstlicher Intelligenz betont und signalisiert, Entwicklern große Freiheiten zu lassen, bekommt das Land voraussichtlich die bislang strengste KI-Regulierung. Inhalte müssen demnach mit den sozialistischen Grundwerten des Landes übereinstimmen. Anbieter sind laut dem Gesetzesentwurf für die Daten verantwortlich und müssen mit Geldstrafen rechnen, sollten sie die Regeln nicht beachten. Wann das neue Gesetz in Kraft treten soll, ist bislang noch nicht bekannt.

Eines ist laut Experten aber sehr klar: Die kommunistische Partei will weiterhin die Kontrolle über die Meinungsbildung im Land behalten. Die Gefahr dabei: Wenn der Staat überreguliert, könnte China ins technologische Hintertreffen geraten.

Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz und das Bestreben der Regierung, diese zu regulieren, macht einen Grundwiderspruch deutlich: "Auf der einen Seite will die Regierung die Kontrolle behalten. Auf der anderen Seite soll Innovation gefördert werden. Das passt nicht gut zusammen", sagt auch Löchel. "Die geplante KI-Regulierung wird eine chinesische Version von ChatGPT benachteiligen und die Wettbewerbskraft Chinas schwächen. Daran kann wenig Zweifel." Bei KI zeigt sich: Der Markt ist dem Staat überlegen. Das zeigt gerade der Wettbewerb im Technologiesektor. Der Staat ist nicht in der Lage vorherzusagen, welche Technologie auf dem Markt bei Kunden gefragt ist.

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Nach der anfänglichen Euphorie über die neue Technologie mehren sich auch in Europa inzwischen kritische Stimmen. So hat etwa Italien die Software wegen Datenschutzbedenken für seine Bürger gesperrt. Zahlreiche Statten prüfen weitere Regulierungsschritte.

Bislang ist ChatGPT auch in China nicht verfügbar. Daran wird sich laut Löchel so schnell auch nichts ändern. "Das ist politisch nicht gewollt, weil die Kontrolle über Meinungen und Informationen verloren geht."

Quelle: ntv.de

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