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Aleph Alpha kontert ChatGPT "Verlieren wir das Wettrennen um KI, verlieren wir alles"

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Der Vorsprung der US-Tech-Unternehmen bei der künstlichen Intelligenz scheint uneinholbar. Dabei gibt es in Heidelberg ein Startup, das bei wichtigen technischen Daten auf Augenhöhe agiert.

(Foto: IMAGO/Christian Ohde)

Ein KI-Startup aus Heidelberg nimmt es mit den großen Tech-Giganten aus dem Silicon Valley auf. Im Interview erzählt Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulis, was seine Software von ChatGPT unterscheidet, worauf es im Kampf um die KI-Vorherrschaft jetzt ankommt und warum eine Niederlage so dramatisch wäre.

ntv.de: Der Textroboter ChatGPT des amerikanischen Startups OpenAI hat die Tech-Branche aufgeschreckt. Das von Ihnen gegründete Unternehmen Aleph Alpha bietet mit Lumi und Luminous einen ähnlichen Service an. Wieso bibbert die Branche bislang noch nicht vor Ihrer Anwendung?

Jonas Andrulis: Aleph Alpha gibt es erst seit 2019. Dafür kann sich unsere Finanzierung im europäischen Vergleich sehen lassen. Klar, von den 20 Milliarden, die Open AI eingesammelt hat, sind wir noch weit entfernt. OpenAI macht außerdem phänomenales Marketing, das schon immer hohe Wellen geschlagen hat.

Wie bahnbrechend ist ChatGPT ihrer Meinung nach?

ChatGPT leistet Überraschendes und ist zugänglich wie kein System zuvor. Es ist aber auch die logische Fortsetzung der Fortschritte der vergangenen Jahre. OpenAI und Microsoft haben einen riesigen Datensatz gebaut, der ganz viel Weltwissen und Popkulturreferenzen enthält. Das macht die Software natürlich spielerisch, flexibel wertvoll und so spaßig.

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Jonas Andrulis zählt dank seiner jahrelangen unternehmerischen Erfahrung, aber auch durch die Arbeit an einem der größten KI-Projekte im Silicon Valley zu den führenden KI-Experten in Deutschland.

(Foto: picture alliance/dpa/Aleph Alpha)

Was sind Gemeinsamkeiten und worin unterscheiden sich die Programme?

OpenAI richtet sich mit seiner Software an Endverbraucher. Wir konzentrieren uns aktuell auf Lösungen für Unternehmen oder die öffentliche Verwaltung. Wir schauen uns komplexe Arbeitsschritte an, die auch ChatGPT momentan noch nicht lösen kann. Im vergangenen Oktober wurde mit dem Bürgerassistenten "Lumi" für die Stadt Heidelberg ein Bürgerassistent in Betrieb genommen, der auf Luminous basiert und alle Aussagen immer mit kuratierten Quellen belegt. Das System ist in der Lage, auf ganz individuelle, nicht vorab programmierte Fragen einzugehen. Die Technologie so aufzustellen, dass sie auch von der Verwaltung genutzt werden kann, ist eine aktive Entscheidung gewesen. Das ist ja nicht selbstverständlich. Für uns war aber klar: Eine souveräne europäische KI muss auch der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden und ihre Digitalisierung vorantreiben.

Ein aktueller Leistungsvergleich hat zuletzt gezeigt: Ihr Sprachmodell hat ähnlich gut abgeschnitten wie die Konkurrenz. Was bedeutet das für den KI-Standort Deutschland?

Wir haben nicht nur das Leistungsniveau erreicht, sondern sind dabei auch viel effizienter gewesen. Im Vergleich zur Konkurrenz besitzt Luminous etwa halb so viele Parameter und weist somit bei gleichem Leistungsniveau eine doppelt so hohe Effizienz auf. Das hat uns im Vorfeld fast niemand zugetraut. Wir haben viel positives Feedback bekommen und sind auch sehr stolz auf die Ergebnisse. Wir vergleichen hier aber natürlich nur Basismodelle. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung und kann wichtige Entscheidungsprozesse lostreten. Das allein wird aber nicht unsere Technologie-Souveränität sicherstellen.

Was macht sie optimistisch, dass Aleph Alpha mit den Tech-Riesen Google und Microsoft mithalten kann?

Ich bleibe optimistisch, denn Pessimisten gründen keine Unternehmen. Die Vergangenheit zeigt: Wir haben bereits mehr geschafft, als man uns zugetraut hat. Wir haben nicht nur Technologie gebaut, die auf Augenhöhe ist. Wir haben auch eigene Innovationen geprägt und gezeigt: Wir können nicht nur sehr gut hinterherlaufen, wir können in einigen Bereichen auch den Ton angeben. Natürlich müssen wir uns in Zukunft gegen 20 Milliarden Dollar bewähren, die Open AI ausgeben wird.

Wie soll das gelingen?

Dafür brauchen wir unsere Partner. Wenn es uns jetzt gelingt, unsere Technologie in der europäischen Wirtschaft zu etablieren, haben wir eine realistische Chance auf Technologie-Souveränität, die vielleicht viele nicht für möglich gehalten hätten.

Um der Konkurrenz wirklich gefährlich zu werden, braucht Ihr Unternehmen Kapital. Momentan sitzt das Geld bei Investoren aber nicht besonders locker. Haben Sie Angst, dass Ihnen das zum Verhängnis wird?

Wir müssen jetzt weiter Gas geben, denn das machen Microsoft und Google auch. Die Tech-Riesen haben erkannt: Jetzt entscheidet sich, wer die Zukunft der KI prägt und wer die Wertschöpfung dominieren kann. Natürlich gab es schon bessere Zeiten, um Geld von Investoren einzusammeln. Künstliche Intelligenz ist aber das Thema der Stunde. Das haben auch Investoren erkannt.

Wie groß ist das kommerzielle Interesse an ihrem KI-Sprachmodell?

Wir haben uns bislang nicht darauf fokussiert, Umsätze zu machen. Wir haben stattdessen die Technologie vorangebracht und Partnerschaften geknüpft. Momentan werden gerade die ersten Multi-Millionen-Verträge unterzeichnet. Wenn die so laufen wie geplant, dann können diese Vereinbarungen unsere Umsatzpläne sogar übertreffen. Unsere Technologie hat das Potenzial, achtstellige Wertbeiträge bei unseren Kunden zu liefern. Wir sind momentan an ein paar großen Sachen dran.

Wer sind Ihre Kunden?

Einige sehr spannende Kunden dürfen wir leider noch nicht nennen. Das wird sich dieses Jahr aber sicherlich noch ändern. Wen wir nennen dürfen, sind die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich ZETIS und das IT-Systemhaus der Bundeswehr BWI und das Medienhaus IPPEN.

Dass der Kampf um die Technologieführerschaft längst eröffnet ist, zeigt die Masse an Unternehmen, die sich jetzt auf KI stürzt. Eins ist dabei auffällig: Vorstöße aus Deutschland und Europa sind dabei die Ausnahme. Wie lässt sich das ändern?

In Deutschland fehlt vielen Unternehmern oftmals der Mut zur Umsetzung. Wir haben zwar phänomenale Hochschulen, doch es herrscht noch immer eine gewisse Risikoaversion und hohe bürokratische Hürden. Das macht es Unternehmen schwer und hemmt Innovation. Gegen diesen Gegenwind muss jedes Innovationsvorhaben in Deutschland und Europa erstmal ankommen.

Sie haben früher in leitender Funktion in der KI-Forschung bei Apple gearbeitet: Wieso sind uns die USA und auch China so viele Schritte voraus?

Gerade in den USA ist man öfter bereit, Risiken einzugehen und Wege einzuschlagen, die auch schiefgehen können. Wichtige strategische Entscheidungen sind aber nie ohne Risiko. In Deutschland möchte niemand eine Entscheidung treffen, die am Ende schiefgeht. Das gehört aber dazu. Wenn ich dieses Risiko nicht bereit bin einzugehen, kann ich die großen, entscheidenden Weichen nicht stellen.

Welche Gefahren ergeben sich daraus?

Einige Tech-Giganten der USA sind mehr wert als der ganze europäische Markt. Das ist nichts Neues. Was jetzt neu ist: KI ist kein isolierter Markt, sondern eine Basistechnologie, die in jeder Industrie und für jedes Unternehmen gigantische Veränderungen in der Konkurrenzfähigkeit und in der Wertschöpfung liefern wird. Das bedeutet: Wenn wir das Wettrennen um KI verlieren, verlieren wir nicht nur eine Branche, sondern alles. Wir verlieren die gesamte Kontrolle über unsere Wertschöpfung, zumindest alle informationsbasierte Wertschöpfung. Und das sorgt mich schon. Denn KI wird unsere Zukunft prägen, wie keine andere Technologie.

Mit Jonas Andrulis sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

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