Wirtschaft

Maschinenbauer schlagen Alarm "Das Worst-Case-Szenario ist längst eingetreten"

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Der Zolldeal hat seinen Wert für den Maschinen- und Anlagenbau laut dem Branchenverband VDMA bereits verloren. Die pauschale 15-Prozent-Regelung wird durch die Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte faktisch ausgehebelt.

Der Zolldeal hat seinen Wert für den Maschinen- und Anlagenbau laut dem Branchenverband VDMA bereits verloren. Die pauschale 15-Prozent-Regelung wird durch die Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte faktisch ausgehebelt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die deutschen Maschinenbauer schlagen wegen der US-Zölle Alarm. Das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA in Kombination mit US-Sonderzöllen auf Aluminium und Stahl bedrohe viele Maschinen- und Anlagenbauer in ihrer Existenz. Der Branchenverband VDMA fordert die EU-Kommission nachdrücklich auf, alle verfügbaren Anstrengungen zu unternehmen, um die EU von den Zöllen auf Stahl- und Aluminiumderivate zu befreien. Ökonom Holger Schmieding erklärt im Interview, warum sich die Lage so schnell nicht bessert, welche Hoffnungsschimmer es dennoch gibt und wieso die Konkurrenz aus China gefährlicher ist als Trumps Zölle.

ntv.de: Die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer sind alles andere als zufrieden mit den Zollvereinbarungen der EU mit den USA. Wie hart trifft der Deal die Branche?

Holger Schmieding: Die Branche steckt ohnehin bereits in einer Krise. Die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen in Deutschland ist relativ schwach. Zölle auf Ausfuhren in die USA wiegen dann besonders schwer. Und leider sieht es momentan danach aus, als würde sich daran wenig ändern. Die Ausfuhren in die USA dürften für deutsche Unternehmen um etwa zehn Prozent zurückgehen. Immerhin: Auch andere Anbieter aus Japan, Südkorea und aus China sind von hohen Zöllen getroffen. Die Position der deutschen und europäischen Anbieter ändert sich im Vergleich zur Konkurrenz auf dem amerikanischen Markt also nicht großartig. Gegenüber amerikanischen Anbietern sind Trumps Zölle allerdings ein erhebliches Problem.

Holger Schmieding ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank.

Holger Schmieding ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank.

Die EU-Kommission behauptet: Der Deal bringt immerhin Stabilität und Planungssicherheit. Ist dem so?

Die EU hat mit dem Deal tatsächlich Schlimmeres verhindert. Die Unsicherheit nimmt durch diesen Deal ab. Wir dürfen aber nicht vergessen: Die Zollpolitik von Trump ist erratisch. Es ist nie sicher, ob es bei dem, was vereinbart wurde, tatsächlich bleibt. Und natürlich ist der Deal wesentlich schlechter als die Ausgangssituation, bevor Trump in das Weiße Haus zurückgekehrt ist. Die europäische Industrie leidet unter Trump, aber eigentlich leidet die ganze Welt unter ihm. Und gerade auch die USA werden das zu spüren bekommen. Denn auf Dauer steigen vor allem die Preise für amerikanische Verbraucher.

Der Verband VDMA warnt vor "bösen Folgen". Was wäre das Worst-Case-Szenario für den Sektor?

Das Worst-Case-Szenario ist längst eingetreten. Die Branche sieht sich mit großer Unsicherheit hinsichtlich der Exporte in die USA konfrontiert. Zudem bestehen erhebliche Zweifel über die weitere Entwicklung des Welthandels und der Welthandelsordnung. Schlimmer als das wird es wahrscheinlich nicht werden. Es zeichnet sich eher ab, dass die Unsicherheit durch diesen Deal zumindest ein bisschen abnimmt.

Was stimmt Sie optimistisch?

Die deutsche Konjunktur kommt insgesamt wieder etwas in Gang. Außerdem ist absehbar, dass allgemein die Weltkonjunktur dank der Zinsen, die ja niedriger sind als vor einem oder zwei Jahren, etwas unterstützt wird. Also ausgehend von der jetzigen Lage müsste sich der Ausblick auch für deutsche Maschinenbauer etwas verbessern. Aber es bleibt dabei: Trump ist eine Belastung für die USA, für die Welt, für Deutschland und gerade auch für relativ zyklische Bereiche wie den Maschinenbau.

Könnten andere Märkte die USA ersetzen?

Ersetzen können andere Märkte die USA vorläufig nicht. Aber der Schaden lässt sich eingrenzen. Wir sehen bereits mehrere andere Trends. Zum einen will die Europäische Union verstärkt und schneller Handelsabkommen mit anderen Regionen schließen. Das wird helfen. Zum anderen steigen seit langer Zeit die deutschen Ausfuhren in unsere osteuropäischen Nachbarländer. Was insgesamt die deutsche Ausfuhr betrifft, so führt Deutschland mittlerweile mehr Güter nach Polen aus als nach China. Unsere östlichen Nachbarn können den Schaden der Trump'schen Sonderzölle nicht sofort ausgleichen. Aber auf Dauer wird es schon so sein, dass es für deutsche Unternehmen auch abseits der USA große Marktchancen gibt.

Deutsche Maschinen haben im Ausland einen hervorragenden Ruf. Wie hoch sind die Chancen, dass sie trotz der Zölle noch gekauft werden?

Deutsche Maschinen werden auch weiterhin Abnehmer rund um die Welt finden. Allerdings wird es schwerer. Wobei neben den US-Zöllen ja auch zu erwähnen ist: Die Konkurrenz aus China wird immer härter. China hat mit massiven Subventionen in vielen Bereichen der Industrie Überkapazitäten aufgebaut, auch in einigen Teilen des Maschinenbaus. Der deutsche Maschinenbau steckt auch wegen China in einer Anpassungskrise. Wir müssen allerdings auch sagen, dass dies ja nicht die erste Krise der deutschen Industrie ist. In der Vergangenheit hat es gerade der deutsche Mittelstand durch Innovationen immer wieder geschafft, sich von Rückschlägen zu erholen. Was jetzt ganz wichtig ist: Europa darf sich mit Regulierung nicht selbst im Wege stehen.

Welche Maßnahmen können Unternehmen ergreifen, um den Kostendruck zu reduzieren?

Einige Unternehmen, die in den USA sehr stark vertreten sind, müssen natürlich darüber nachdenken, ob sie einen Teil der Produktion in die USA verlagern. Das ist das eine. Aber ich glaube, dass das nur in sehr begrenztem Umfang stattfinden wird. Denn in den USA ist der Ausblick in Bezug auf die Konjunktur, Produktionsbedingungen und Zölle ja auch sehr unsicher. Ein anderes bewährtes Rezept der Branche ist es, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und Innovationen, Forschung und Entwicklung voranzutreiben. Damit wird die deutsche Industrie, wird der Maschinenbau wieder aus der Krise herauskommen.

Eine Studie der Unternehmensberatung Horvath prognostiziert, dass jeder fünfte Arbeitsplatz in den kommenden drei Jahren im deutschen Maschinenbau bedroht ist. Alarmismus oder ein echtes Szenario?

Ich würde es als Negativszenario beschreiben, das wahrscheinlich so nicht eintreten wird. Vielen Unternehmen ist es immer wieder gelungen, ihre Marktnische rund um die Welt zu suchen und zu finden. Im Vergleich zur Konkurrenz hat es der deutsche Maschinenbau oft schneller geschafft, sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Ohne große Fortschritte könnte eventuell jeder fünfte Job wegfallen. Durch Innovation und technologischen Fortschritt wird dieses Schreckensszenario aber nicht eintreten, und der deutsche Maschinenbau wird auf dem Weltmarkt auf Dauer wieder brillieren können.

Was wiegt schwerer: die Zölle oder die Konkurrenz aus China?

Aktuell wiegen die Zölle in den USA relativ schwer. Letztlich ist es wohl die subventionierte Konkurrenz aus China auf dem gesamten Weltmarkt, die uns mehr zu schaffen macht. Aber auch da müssen wir sehen, dass in China die Möglichkeiten, die eigene Industrie zu subventionieren, abnehmen. China selbst steckt in einer gewissen Krise. China gehen die Mittel langsam aus. Wir müssen also nicht befürchten, dass es immer noch schlimmer und schlimmer wird. Aber nochmals: Das Wichtigste ist für die deutsche Industrie, mit Innovationen zu reagieren - auch auf die chinesische Herausforderung. Mit einem Abbau von Regulierungen könnten Berlin und Brüssel dies sehr erleichtern.

Mit Holger Schmieding sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

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