Weselsky, der streitbare Sachse Der härteste Gegner des Bahn-Vorstands geht in Rente


Wählt die Keule statt das Florett: Claus Weselsky.
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Claus Weselsky legte mit seiner GdL den Bahnverkehr in Deutschland lahm, beschimpfte Konzernvorstände und strapazierte die Geduld der Fahrgäste. Statt auf Kompromisse setzte er auf Konfrontation - und hatte damit durchschlagenden Erfolg.
Lügner, Nieten, Vollpfosten - das Repertoire an Beleidigungen ist groß, mit denen Claus Weselsky den Vorstand der Deutschen Bahn überzog. Dort dürfte jede Menge Erleichterung herrschen, dass der langjährige Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) in Rente geht. Die Gewerkschaft hat in Dresden das bisherige Vorstandsmitglied Mario Reiß zum neuen Vorsitzenden gewählt. Weselsky ist nicht erneut angetreten.
Für Weselsky waren persönliche Attacken ein beliebtes Mittel, um Tarifverhandlungen rhetorisch zu begleiten und die Deutungshoheit zu erlangen. Das war deshalb besonders wichtig, weil die GDL mit Weselsky an der Spitze in Tarifverhandlungen schnell eskalierte und Deutschland mit Streiks überzog, damit Fahrgästen auf die Nerven ging und der Wirtschaft Schaden zufügte.
Weselsky wurde dann nicht müde zu betonen: Verantwortlich für Streiks sei nie seine GDL, sondern stets der Bahnvorstand, dem Weselsky dann vorwarf, unfähig zu sein und dafür auch noch üppig bezahlt zu werden. In seiner Lesart waren Streiks stets Notwehr, zu der die GDL gezwungen wurde. Weselskys Strategie: maximale Konfrontation, maximale Forderungen, um das Maximale herauszuholen. Und die war zweifelsohne erfolgreich. Als letztes großes Projekt drückte er in diesem Jahr die schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche für seine Lokführerinnen und Lokführer durch. Dem ging der längste Bahnstreik der jüngeren Geschichte voraus.
Weselsky betonte stets, dass eine Gewerkschaft das Recht habe, Arbeitskämpfe auch hart zu führen und dass Streiks ein legitimes Mittel in Tarifauseinandersetzungen seien. Dass die GDL als eine verhältnismäßig kleine Gewerkschaft ein ganzes Land in Geiselhaft nehmen kann, kam Weselsky gelegen. Er hatte damit den perfekten Hebel, um den Bahnvorstand unter Druck zu setzen - und die GDL ist dadurch eine der präsentesten und mächtigsten Gewerkschaften des Landes.
"Heiliger Krieg"
Sein aggressiver Verhandlungsstil bringen dem Sachsen bisweilen auch Rücktrittsforderungen ein - selbst in Gewerkschaftskreisen ist er umstritten. In der Regel spricht nur der Chef vor den Kameras. Seinen Stellvertretern, darunter sein Nachfolger Mario Reiß, bleibt nur: daneben stehen und finster dreinschauen. Intern warfen ihm Kritiker immer wieder "einsame Entscheidungen" vor. "Der stellt sich hin, als würde er zum Heiligen Krieg aufrufen. Nur um sein Ego zu stärken", meinte einmal sein Vorgänger Manfred Schell – ebenfalls ein harter Verhandler. Weselskys Führungsstil in der GDL verglich er mit den der Diktatoren Mao Zedong und Baschar al-Assad.
Doch seine Erfolge als Verhandler machen Weselsky unantastbar. Bekannt wird er 2007, als sich der damalige Chef Schell mitten in der heißen Phase des Arbeitskampfes in die Kur am Bodensee verabschiedet. Damals zeigt Weselsky, dass er als Verhandlungsführer die Position der Lokführer kompromisslos vertritt. Das nach monatelangem Streit Anfang 2008 erkämpfte Ergebnis kann sich aus Sicht der GDL sehen lassen: elf Prozent mehr Lohn. Wenige Monate später wählen die Mitglieder der Lokführergewerkschaft Weselsky zu Schells Nachfolger - mit 90 Prozent der Stimmen.
Der heute 65-jährige Weselsky ist Gewerkschafter durch und durch. Schon bei der Geburtsstunde der GDL in Ostdeutschland ist der gebürtige Dresdner dabei und wird 1990 Vorsitzender der Ortsgruppe Pirna. Zwei Jahre später verlässt der gelernte Lokführer die Schienen: Vom Büro aus arbeitet er für die GDL als Personal- und Betriebsrat, ab 2002 ist er für seine Gewerkschaftstätigkeit ganz freigestellt. Im Mai 2006 steigt Weselsky zum Vizevorsitzenden der GDL auf. Weselsky war selbst lange Lokführer, davor Lokschlosser. Als linker Popstar der Arbeiterklasse eignet er sich als CDU-Mitglied aber nur bedingt.
Doch ein Hauch Klassenkampf schwingt bei seinen Attacken gegen Bahn-Vorstände immer mit – er schimpfte auf "Dummschwätzer" im Bahntower, die auf "einem hohen Ross sitzen" und sich die Taschen vollhauen - auf Kosten der hart arbeitenden Belegschaft.
"Raubbau an der Gesundheit"
Der Bahnvorstand machte es dem GDL-Chef allerdings auch leicht. Weselskys Feststellung, dass das Unternehmen seit Jahren "hart an der Grenze zum Chaos" operiere, ist durchaus zutreffend. Die Infrastruktur ist marode, die Verspätungen eine Zumutung. Der Vorstand bekam dennoch Boni in Millionenhöhe. Dass eine Gewerkschaft vor diesem Hintergrund Maximalforderungen mit der Keule durchsetzen will, passt in diese Konzernkultur.
All das geschieht vor dem Hintergrund eines weiteren Konflikts, den die GDL austrägt. Sie kämpft darum, ihren Einfluss bei der Bahn auszuweiten. Der viel größere Teil der Bahn-Beschäftigten ist bei der Gewerkschaft EVG organisiert. Im Kampf um Mitglieder will die GDL unbedingt mehr als die Konkurrenz herausholen.
Dem Ruf des Geldes widerstand Weselsky – 2007 schlug er das Angebot aus, in den Personalvorstand der Bahn zu wechseln. Sein Fazit nach 16 Jahren an der GDL-Spitze? "Was ich die Jahre über gemacht habe, war Raubbau an der Gesundheit", sagte er dem "Spiegel". "Ich freu mich auf mehr Zeit, um mich fit zu halten – geistig wie körperlich. Sonst fängt das Leben mit 66 nicht an, sondern es macht klack –und auf einmal kannst du nichts mehr von dem genießen, was du dir geschaffen hast."
Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP