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Von Pannen und Pleiten Deutscher Autostandort "deindustrialisiert sich"

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Es läuft nicht so richtig gut.

Es läuft nicht so richtig gut.

(Foto: picture alliance / dpa)

2024 ist für die gesamte deutsche Automobilbranche alles andere als ein Erfolgsjahr. Aber war es nur ein negativer Ausrutscher? Oder droht 2025 gar ein Horrorjahr mit Werks- und Standortschließungen, Firmenpleiten und einer Entlassungswelle? Autoexperte Helmut Becker blickt im ntv.de-Interview voraus.

ntv.de: 2024 war kein gutes Jahr für die Automobilindustrie, zumindest wenn man es mit der deutschen Branche hält …

Helmut Becker: Da haben Sie Recht, dem wage ich nicht zu widersprechen. Erst die Absatzmisere mit den E-Autos in der Heimat, dann die Absatzmisere mit den E-Autos im fernen China. Und dazwischen als einziger Gewinnbringer der Verbrenner, dem die EU mit deutscher Hilfe und ohne jeglichen Branchenwiderstand auch noch ab 2035 den Garaus machen will. Als ob die EU mit einem Anteil von acht Prozent am globalen CO2-Ausstoß das Weltklima im Alleingang retten könnte. Das verstehe einer, das ist absurd.

Die Probleme sind aber bislang nicht gelöst: Wird auch 2025 ein Horrorjahr für die deutschen Autobauer und Zulieferer?

Grob gesprochen und Stand heute: Es wird noch schlimmer. Seit der 2018 verschärften EU-CO2-Gesetzgebung schrumpft die Autoproduktion in Deutschland um rund ein Viertel. Das ist weg und kommt nicht wieder. Ohne Änderung in den politischen Rahmenbedingungen setzt sich dieser Prozess fort. Viel wird davon abhängen, ob die neue Regierung den Mut hat, diesen Schrumpfungsprozess zu stoppen.

Drohen Werksschließungen in großem Stil?

Ford macht mit seinem Werk in Saarlouis den Anfang, VW wird, ja muss folgen. VW-Finanzvorstand Arno Antlitz hält das "für alternativlos", denn die Werke "bluten aus." Ohne Abbau von Beschäftigten wird das leider nicht gehen, auch wenn die VW-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo ihren Job davon abhängig gemacht hat.

Wird es große Firmenzusammenbrüche, Pleiten geben?

Pleiten wird es sicher geben, aber nicht bei den großen globalen Playern der Branche, den Herstellern und den großen Zulieferern. Viel schlimmer sind die kleinen und mittleren Zulieferer dran, und das umso stärker, je mehr sie in ihrem Geschäftsmodell von Elektroautos abhängen. Da ist von Auftragseingangs- und Umsatzeinbrüchen von 40 Prozent und mehr die Rede - das hält auf die Dauer keiner der Betriebe aus. Folge: Die Deindustrialisierung des Autostandorts Deutschland wird 2025 ohne politische Notbremsung ungebremst fortschreiten, nur merkt es halt keiner, außer den Betroffenen selbst.

Was muss passieren, dass man auf eine Trendwende zum Guten hoffen darf?

Da ist eindeutig die Politik gefordert: Das unselige Verbrennerverbot und die irrational-überzogenen CO2-Gesetze müssen weg. Nichts gegen Klimaschutz, im Gegenteil, aber doch nicht nach Ampel-Machart: Sauberen AKW-Strom abschalten und schmutzigen Kohle- und Gasstrom für die E-Autos vorschreiben. Die Autokunden müssen wieder Sicherheit haben, dass sie ihre neuen Verbrenner auch noch morgen zu erschwinglichen Kosten fahren können. Und dass der Wiederverkaufswert ihres Fahrzeugs nicht ins Bodenlose sinkt, wie 2024 auf breiter Front bei Elektroautos zu beobachten.

Raus aus Deutschland: Wo wird 2025 die automobile Musik spielen?

Jedenfalls nicht in Deutschland und Europa. Aller Voraussicht nach im Trumpschen Amerika und weiterhin in China, dort aber nur gedämpft. Und der Rest der Welt kauft billige Verbrenner und Pick-ups, die aber nicht mehr aus Deutschland, sondern aus Japan, Südkorea und zunehmend aus China kommen. Nur als Beispiel: 2023 hat die deutsche Autoindustrie in das bevölkerungsreichste Land der Welt, Indien, gerade mal 9600 Autos verkauft, nach ganz Afrika 90.000. Soviel dazu, andere Weltregionen könnten einen Exportausfall nach China oder USA kompensieren… In Russland haben chinesische Marken wie Chery, Geely und Great Wall Motor den Markt mit ihren Verbrennern völlig vereinnahmt, nachdem Sanktionen westliche Marken gezwungen haben, ihre Geschäfte mit Moskau einzustellen.

Also gilt weiterhin: Ohne China läuft nichts …

Mehr noch, die Abhängigkeit der deutschen Hersteller von China wird noch größer. Um nicht völlig dort verdrängt zu werden, werden sie ihr Engagement in China noch intensivieren. Das heißt: mehr Wertschöpfung im Reich der Mitte, weniger in Deutschland.

Werden die chinesischen Autobauer in diesem Jahr groß angreifen und Europa mit billigen E-Autos fluten?

Schön dass Sie das fragen, das gibt mir Gelegenheit mal mit einer Mär aufzuräumen, der Mär von der Verdrängungsgefahr für die deutschen Platzhirsche durch kleine und billige Elektroautos Made in China. Alles Humbug. Alle chinesischen Eroberer haben sich bisher am deutschen Markt blutige Nasen geholt. Der Grund ist einfach: Deutsche Autokäufer mögen generell keine Elektroautos, und erst recht keine aus China mit so komischen Namen wie Xpeng, Nio oder Maxus. Selbst das einstige Daimler Kult-Auto Smart, das sich in guten Jahren global 144.5000 Mal verkauft hat, schrumpfte nach der Übernahme durch den China-Hersteller Geely und Voll-Elektrifizierung im Hauptmarkt Deutschland auf kümmerliche rund 15.000 Neuzulassungen.

Werden die Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und China weiter eskalieren?

Wenn ja, wäre es kompletter Nonsens. Die chinesische Gefahr gibt es nicht. Vor diesem Hintergrund sollte die EU die Zölle gesichtswahrend sang- und klanglos wieder zurücknehmen und zu normalen Handelsbeziehungen zurückkehren. Ein Gutes hatte die EU-Aktion allerdings für mich: Es war ein Warnschuss vor den chinesischen Bug.

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Dem Vernehmen nach mag er die Deutschen trotz seiner Pfälzer Wurzeln ohnehin nicht besonders. Er wird also vermutlich wie angekündigt die Einfuhrzölle auf die 400.000 bisher jährlich aus Deutschland importierten Luxus-Automobile kräftig anheben, um stattdessen ganze Autofabriken aus Deutschland zu importieren. Kurz gesagt: In Deutschland gehen Fabriken, Arbeitsplätze und Wohlstand verloren, in den USA erfolgt dagegen ein Wiederaufbau.

Mit Helmut Becker sprach Thomas Badtke

Quelle: ntv.de

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