Punktesystem steuert Migration Fachkräfte sollen künftig leichter einwandern können
29.03.2023, 15:22 Uhr Artikel anhören
Arbeit gibt es in vielen Bereichen mehr als Interessenten.
(Foto: picture alliance / photothek)
Mit neuen Regeln will die Bundesregierung dem Fachkräftemangel durch gezielte Zuwanderung begegnen. Interessenten sollen nach einem Punktesystem bewertet, Abschlüsse leichter anerkannt werden. Die Arbeitgeber loben das Projekt, verweisen aber auf bürokratische Hürden.
Das Bundeskabinett hat ein Gesetz beschlossen, mit dem die Einwanderung für ausländische Fachkräfte vereinfacht werden soll. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil legten dazu einen Gesetzentwurf vor, mit dem jährlich zusätzlich Zehntausende ausländische Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland geholt werden sollen, um so den Fortschritt und Wohlstand in Deutschland zu sichern.
So ist etwa ein Punktesystem für Fachkräfte aus Ländern außerhalb der Europäischen Union vorgesehen. Außerdem sollen ausländische Berufsabschlüsse leichter anerkannt werden. Ausländische Fachkräfte sollen auch schneller deutsche Staatsangehörige werden können.
Schon heute eröffnet ein in Deutschland erworbener oder anerkannter Abschluss die Möglichkeit, als Fachkraft nach Deutschland zu kommen, etwa über die "Blaue Karte EU" für Hochschulabsolventen aus Drittstaaten oder über die nationale Aufenthaltserlaubnis. Neu ist nun, dass Inhaber solcher Abschlüsse künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können. Damit will die Bundesregierung mehr Flexibilität schaffen.
Zweitens ist vorgesehen, dass Arbeitskräften die Einwanderung ermöglicht wird, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss haben. Künftig soll, wer seinen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen will, dies auch erst nach der Einreise nach Deutschland tun können.
"Das ist klare und gesteuerte, sortierte Einwanderung"
Mit dem Zehn-Punkte-System soll zudem eine "Chancenkarte" vergeben werden, mit deren Hilfe ausländische Fachkräfte sich in Deutschland auf eine Stelle bewerben dürfen. Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und das Potenzial des mitziehenden Ehe- oder Lebenspartners.
Faeser und Heil betonten, dass Fortschritt in Deutschland Fachkräfte brauche. "Die Sicherung unserer Fachkräftebasis ist eine der größten ökonomischen Aufgaben Deutschlands für die nächsten Jahrzehnte", sagte Heil. "Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz legen wir den Grundstein für ein modernes Einwanderungsland, das qualifizierte Zuwanderung nicht nur hinnimmt, sondern auch will."
Insgesamt sei Deutschland auf eine jährliche Zuwanderung von 400.000 Menschen jährlich angewiesen, wobei der größte Anteil erfahrungsgemäß aus der Europäischen Union kommt. Faeser betonte, dass mit der Chancenkarte die Suche nach einem Arbeitsplatz deutlich vereinfacht werde. Sie ermögliche zudem auch Probearbeitszeiten und Nebenbeschäftigung in der Zeit der Suche nach einem festen Arbeitsplatz. "Mit unserem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz machen wir Deutschland attraktiver für die klugen Köpfe der Welt", sagte Faeser.
Im Interview mit RTL/ntv wehrte sich Heil gegen den Vorwurf, es kämen durch das neue Gesetz mehr unqualifizierte Arbeitskräfte ins Land: "Wir werden zusätzlich mit diesem Gesetz dafür sorgen, dass wir auch aus Ländern außerhalb der Europäischen Union qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte bekommen. Es kann nicht jeder nach Deutschland kommen, sondern wir brauchen welche, die wir gezielt für den Arbeitsmarkt anwerben werden." Und weiter: "Wir haben auch dafür gesorgt, dass es keine Regelung gibt, die missbraucht werden kann zur Lohndrückerei oder zur Einwanderung in die Sozialsysteme. Das ist klare und gesteuerte, sortierte Einwanderung. Und die, die das leugnen, haben den Gesetzentwurf entweder noch nicht verstanden oder sie wollen ihn nicht verstehen."
Arbeitgeber mahnen Bürokratieabbau an
Das Bundeskabinett stimmte zudem einem Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung zu, mit dem Jugendliche früher an die Ausbildung herangeführt werden sollen und ein Mobilitätszuschuss an Auszubildende gezahlt werden soll, die wegen der Ausbildung den Wohnort wechseln müssen. Zudem sollen die Weiterbildungsmöglichkeiten verbessert werden. Der Staat will Unternehmen bei Kosten für die Weiterbildungsmaßnahmen unterstützen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger betonte, dass die Arbeits- und Fachkräftesicherung eines der Top-Themen der Unternehmen in Deutschland sei. Dazu gehöre, dass man attraktiv sein müsse für qualifizierte Zuwanderung. Die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes helfe hier weiter, aber man müsse ähnlich wie Kanada eine funktionierende Migrationsverwaltung haben.
"Die Bundesregierung hat ein sehr modernes Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. Das unterstützen wir Arbeitgeber weitgehend", sagte Dulger. "Aber Gesetze sind das eine, Prozesse und Abläufe das andere. In den Visastellen und Ausländerbehörden müssen wir schneller, einfacher und digitaler werden, anstatt weitere bürokratische Luftschlösser zu errichten."
Nicht nachvollziehbar sei bei dem Gesetzesvorhaben, dass sich die Ampel nicht dazu durchringen konnte, die Zeitarbeit für die Anwerbung von Arbeitskräften in Drittstaaten zu öffnen. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen würden davon profitieren, so der BDA.
Quelle: ntv.de, jog/DJ