Murdoch feuert Tucker Carlson Fox' wichtigster Umsatzbringer wurde zum finanziellen Risiko
25.04.2023, 16:24 Uhr Artikel anhören
In seiner Sendung präsentierte sich Carlson als passionierter Trump-Anhänger. In einer privaten Nachricht an Kollegen schrieb er dagegen "Ich persönlich hasse Trump".
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Jahrelang polarisierte und log Tucker Carlson ganz bewusst in seiner Sendung bei Fox News. Dem Chef des konservativen Nachrichtensenders war das egal, da Carlson so hohe Einnahmen generierte wie kein anderer Journalist in den USA. Doch die Kalkulation hat sich verändert.
Um 11.15 sackt der Aktienkurs der Fox Corporation ab. Zeitweise sinkt der Börsenwert des Mutterkonzerns des konservativen US-Nachrichtensenders Fox News um mehr als fünf Prozent, das entspricht rund 800 Millionen Dollar. Grund für den Kurssturz am Montag war die Mitteilung des Senders, sich von Tucker Carlson zu trennen. Das Ende der Zusammenarbeit mit dem ebenso populären wie kontroversen Moderator und Kommentator schockte - gemessen an der Kursreaktion - die Aktionäre mehr als die Nachricht von vergangener Woche, dass Fox wegen mutmaßlich bewusster Falschberichterstattung 880 Millionen Dollar an einen Hersteller von Wahlcomputern zahlen wird.
Der Rauswurf Carlsons, oder wie es in der Unternehmensmitteilung heißt: die Vereinbarung, "getrennte Wege zu gehen", ist wirtschaftlich ein herber Einschnitt für Fox. Seit Jahren war Carlson mit Abstand der wichtigste Umsatzbringer für Fox. Niemand verkörpert das Geschäftsmodell, Zuschauer durch extreme Polarisierung zu binden, wie er. 3,3 Millionen Amerikaner schauten im vergangenen Jahr im Durchschnitt seine wochentägliche Sendung "Tucker Carlson Tonight". Das brachte Fox laut dem Marktforschungsunternehmen Vivvix Werbeeinnahmen von 77,5 Millionen Dollar - weit mehr als die Sendungen seiner Fox-Kollegen Laura Ingraham oder Sean Hannity, die dem Sender Werbeerlöse von knapp 54 beziehungsweise gut 50 Millionen Dollar einbrachten. Auch bei Konkurrenzsendern wie CNN oder MSNBC kann finanziell niemand auch nur annähernd mit Carlsons Erfolg mithalten.
Aber, auch wenn er der größte Umsatzbringer im US-Nachrichtenfernsehen ist, hat Carlson im Vergleich zu früheren Jahren an Bedeutung für Fox verloren. So hatte er im Jahr 2018 noch 190 Millionen Dollar an Einnahmen und damit im Alleingang etwa 16 Prozent des Gesamtumsatzes des Senders generiert. Carlsons Werbeeinnahmen gingen in den Folgejahren deutlich zurück, da eine wachsende Zahl von Unternehmen trotz der vielen und treuen Zuschauer nicht im politisch kontroversen Umfeld der Sendung für ihre Marken werben wollte. Nach einem Tiefpunkt 2021 mit Einnahmen von "nur" rund 67 Millionen Dollar zogen die Werbeumsätze von "Tucker Carlson Tonight" im vergangenen Jahr wieder an.
Carlson erzeugte seit Jahren mit rassistischen und frauenfeindlichen Äußerungen Aufmerksamkeit, er verbreitete unter anderem die Verschwörungstheorie vom "Großen Austausch" und stellte den Sturm auf das Capitol in Washington am 6. Januar 2021 als ein linkes Täuschungsmanöver dar, das Donald Trump und seinen Anhängern in die Schuhe geschoben werden sollte.
Trumps Lügen wider besseres Wissen verbreitet
Vor wenigen Monaten waren im Zuge der Klage des Wahlmaschinenherstellers Dominion gegen Fox Dokumente veröffentlicht worden, die belegen, dass Carlson einige der öffentlich von ihm vertretenen Ansichten privat nicht teilt. Das betrifft vor allem die Behauptung, die Präsidentschaftswahl 2020 sei zugunsten des Demokraten Joe Biden manipuliert worden. Weil Carlson und seinen Kollegen offenkundig bewusst war, dass es sich bei der ständig auf Fox News wiederholten Erzählung von der "gestohlenen Wahl" um eine Lüge handele, hatte der Wahlmaschinenhersteller Dominion den Sender auf Schadenersatz verklagt. Angeblich manipulierte Geräte des Unternehmens spielten in dieser Falschberichterstattung eine zentrale Rolle. Vergangene Woche einigten sich die Parteien auf einen außergerichtlichen Vergleich, demzufolge Fox Dominion mehr als 800 Millionen Dollar zahlen soll.
Der finanzielle Schaden für Fox könnte noch wachsen. Zum einen ist ein Verfahren eines weiteren Herstellers von Wahlcomputern anhängig, zum anderen gibt es Klagen gegen Tucker Carlson persönlich. Unter anderem wirft ihm eine ehemalige Mitarbeiterin seiner Show vor, sie frauenfeindlich herabgesetzt und diskriminiert zu haben. Auch wenn sich diese Klage gegen den Moderator und nicht gegen den Sender richtet, könnten solche Vorwürfe, wenn sie vor Gericht bestätigt werden, auch teure Ansprüche an das Unternehmen nach sich ziehen.
In der Mitteilung zum Ende von "Tucker Carlson Tonight" nennt Fox News keine Gründe. Berichten zufolge geht die Entscheidung direkt auf Fox-Chef und Großaktionär Rupert Murdoch und dessen Sohn Lachlan Murdoch zurück. Aus verschiedenen Medienberichten und den im Zuge der Dominion-Klage veröffentlichten Dokumenten geht hervor, dass im Zuge aller Skandale und Kontroversen die Hauptsorge der Murdochs stets den Einschaltquoten und Erlösen von Fox News galten.
Lange sorgte das dafür, dass sie Tucker Carlson trotz offensichtlich bewusster Falschberichterstattung und Kritik auch mancher Werbetreibender unterstützten. Der Gedanke, Carlsons Anhänger als Zuschauer zu verlieren, soll Rupert und Lachlan Murdoch Berichten zufolge geradezu in Angst versetzt haben. Der Vergleich mit Dominion könnte ihnen nun allerdings vor Augen geführt haben, dass die hohen von Carlson generierten Einnahmen mit hohen finanziellen Risiken verbunden sind, die noch gravierender sind als ein möglicher Verlust von Carlsons Zuschauern.
Quelle: ntv.de