Wirtschaft

"Ernste Lage" Gerät Frankreichs Schuldenproblem außer Kontrolle?

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Die Linkspopulisten Frankreichs haben Widerstand gegen die neue Regierung angekündigt.

Die Linkspopulisten Frankreichs haben Widerstand gegen die neue Regierung angekündigt.

(Foto: REUTERS)

Frankreich muss sparen, um seine Schulden in den Griff zu bekommen. Doch die Machtverhältnisse im Parlament sprechen dagegen. Die EU hat ein Defizit-Verfahren eingeleitet – und an den Finanzmärkten wächst die Unruhe.

Frankreichs enorme Verschuldung wird für das Land zu einem immer größeren Problem. An den Finanzmärkten wachsen die Zweifel, dass die neue Regierung das Defizit in den Griff bekommen kann - für Frankreich wird es damit immer teurer, sich Geld zu leihen.

Die Unruhe lässt sich am Risikoaufschlag ablesen, den Investoren für französische Staatsanleihen verlangen. Als Vergleich werden üblicherweise deutsche Bundesanleihen herangezogen. Seitdem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Juni überraschend vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt hatte, bei der Links- und Rechtspopulisten triumphierten, hat sich der Abstand zwischen französischen und deutschen Kreditkosten fast verdoppelt. Der sogenannte Spread zwischen Anleihen beider Länder mit zehnjähriger Laufzeit liegt derzeit bei 0,79 Prozentpunkten.

Frankreichs neuer Premierminister Michel Barnier spricht mit Blick auf den Schuldenberg von fast 3,2 Billionen Euro von einer "ernsten Lage" und wünscht sich eine "nationale Kraftanstrengung". Doch weil seine Regierung angesichts der Machtverhältnisse im Parlament entweder von der Gnade des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) oder des linkspopulistisch dominierten Bündnisses Neue Volkfront abhängt, dürfte es für die Regierung äußerst schwierig werden, einen radikalen Sparkurs zu fahren.

Frankreich ist derzeit mit 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verschuldet. Die Neuverschuldung, um das Haushaltsdefizit auszugleichen, erreichte im vergangenen Jahr 5,5 Prozent des BIP und lag damit viel höher als die in der EU erlaubten drei Prozent. Auch die Gesamtverschuldung riss die Obergrenze, die in der EU bei 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt.

Defizitverfahren läuft

Während der Corona-Pandemie hatte die EU ihre Schuldenregeln vorübergehend ausgesetzt, um den Ländern milliardenschwere Wirtschaftshilfen zu ermöglichen. Ende April dieses Jahres trat dann nach zähen Verhandlungen eine Reform des "Stabilitäts- und Wachstumspaktes" in Kraft. Die sieht unter anderem vor, dass Länder mit einem Schuldenstand von mehr als 90 Prozent ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen.

Angesichts der hohen Schulden hat die EU-Kommission ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet. Die französische Regierung muss deshalb Brüssel einen Plan zur Genehmigung vorlegen, wie die Neuverschuldung unter den erlaubten Grenzwert gesenkt werden soll.

Die ursprünglich für den 20. September gesetzte Frist hatte die Kommission angesichts der Regierungsbildung in Frankreich verstreichen lassen und bis Mitte Oktober verlängert. Doch auch dieses Datum kann die Regierung offenbar nicht einhalten. Wie die "Financial Times" berichtet, hat sie die Kommission um Aufschub bis zum 31. Oktober gebeten. Die EU-Kommission erwartet demnach, dass Frankreich in den nächsten sieben Jahren jeweils 15 Milliarden Euro einspart, in Kombination mit schmerzhaften Reformen.

Frankreichs neuer Premier will bis Anfang Oktober einen Haushalt aufstellen, den er danach durch das Parlament bringen muss. Das wird eine äußerst schwierige Aufgabe mit ungewissem Ausgang. Denn dem 73-Jährigen droht angesichts des fehlenden Rückhalts ein Misstrauensvotum im Parlament.

Premier kündigt Steuererhöhungen an

Das linke Lager hat bereits angekündigt, nach Barniers Regierungserklärung am 1. Oktober "aus Prinzip" einen ersten Misstrauensantrag einzubringen. Das Wahlbündnis hatte bei den Neuwahlen die meisten Sitze im Parlament bekommen, aber keinen Partner für eine absolute Mehrheit gefunden. Präsident Macron ernannte daraufhin den konservativen Barnier zum Premierminister, dessen Partei bei der Parlamentswahl lediglich auf fünf Prozent gekommen war. Das Überleben der gerade erst zusammengestellten Regierung hängt davon ab, dass der RN das Misstrauensvotum nicht unterstützt.

Barnier kündigte derweil Steuererhöhungen für Reiche und große Unternehmen an, ohne allerdings konkret zu werden. "Ich werde die Steuern nicht für alle Franzosen weiter erhöhen, nicht für die kleinsten Leute, nicht für die arbeitenden Menschen, nicht für die Mittelschicht. Aber ich kann die Wohlhabendsten nicht von den nationalen Anstrengungen ausnehmen, die Lage zu verbessern", sagte er am Wochenende.

EU-Beamte und das französische Finanzministerium sind laut "FT" in Gesprächen, um sich auf einen Ausgabenplan zu einigen, der "ausreichend restriktiv" sei. "Das ideale Szenario ist, dass wir uns auf den Plan einigen [bevor er vorgelegt wird], um eine Ablehnung zu vermeiden", zitiert die Zeitung einen EU-Beamten. Es ist jedoch völlig unklar, wie solche Maßnahmen von dem stark zersplitterten Parlament angenommen werden könnten. Selbst beim Lager von Präsident Macron ist Barnier bereits angeeckt. Das lehnt dessen Pläne für Steuererhöhungen für Reiche und Unternehmen ab.

Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP/rts

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