Wirtschaft

Anpirschen, angreifen, kassieren "Heuschrecken" wildern in Deutschland

Ex-Bundesfinanzminister titulierte Hedgefonds einst als "Heuschrecken".

Ex-Bundesfinanzminister titulierte Hedgefonds einst als "Heuschrecken".

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

In den USA treiben aggressive Investoren selbst milliardenschwere Konzerne vor sich her. In Deutschland geht das etwas ruhiger vonstatten. Aber auch hierzulande gibt es sie. Ihre Attacken haben nur ein Ziel: den Aktienkurs steigern.

Kein Unternehmer soll sagen, man habe ihn nicht gewarnt. Seit Jahren stapeln sich in deutschen Vorstandsbüros die Broschüren, in denen Investmentbanker das Kommen aktivistischer Investoren ankündigen - und mit Rezepten, wie man dieser besonderen Art von Finanzinvestoren beikommen kann. Nun sind sie da und melden sich lautstark zu Wort: beim Bau- und Ingenieurdienstleister Bilfinger, dem Arzneimittelhersteller Stada, beim Auto-Riesen Volkswagen oder dem Energieversorger Eon.

Solche "Super-Heuschrecken" suchen vermeintlich unterbewertete Firmen, um ihnen auf die Sprünge zu helfen. Die Attacken auszusitzen und darauf zu hoffen, dass sich die Fonds von selbst wieder trollen, sei keine Option, sagen die Berater. "Es wird keine Aktivisten-Welle geben, aber doch eine kontinuierliche Zunahme von Fällen", sagt Christian Kames, Investmentbanking-Chef von Citi in Deutschland.

Alles für den Aktienkurs

In den USA treiben aggressive Investoren wie Carl Icahn, Dan Loeb und Bill Ackman selbst milliardenschwere Konzerne vor sich her, sägen Vorstände ab, erzwingen Aktienrückkäufe, sogar Aufspaltungen oder Fusionen - alles, um den Aktienkurs nach oben zu treiben. Sie werden immer mächtiger: Für ihre Fonds haben sie mehr als 100 Milliarden Euro eingesammelt, auch bei Investoren wie Pensionskassen oder Versicherern. Deutschland galt für die Aktivisten lange als Tabu-Zone, der Mitbestimmung im Aufsichtsrat wegen, und weil selbst börsennotierte Firmen sich nicht ausschließlich dem Aktionärs-Interesse verpflichtet sehen.

Carl Icahn gilt als aggressiver Investor - zuletzt wurde er jedoch von einer Ratingagentur herabgestuft.

Carl Icahn gilt als aggressiver Investor - zuletzt wurde er jedoch von einer Ratingagentur herabgestuft.

(Foto: dpa)

Einer der ersten, der sich traute, war der Vietnam-Veteran Guy Wyser-Pratte. Er setzte die Aufspaltung des Mischkonzerns IWKA durch. Am Ende wurde aus dem Aschenputtel der Börsen-Liebling Kuka, ein reiner Roboter-Hersteller.

Jens Tischendorf, mit der schweizerisch-schwedischen Cevian einer der Vorreiter unter den aktivistischen Investoren in Deutschland, sieht die Regeln sogar als Chance. "Hier bekommen Anker-Investoren mit einer langfristigen Perspektive üblicherweise einen Sitz im Aufsichtsrat. Auf diese Weise können Vorstand und Aufsichtsrat das Unternehmen Hand in Hand weiterentwickeln, den Wert und die Wettbewerbsfähigkeit steigern", sagte er Reuters.

An Bilfinger hält Cevian mit 25 Prozent ungewöhnlich viel für einen Aktivisten und stellt mit Eckhard Cordes den Aufsichtsratschef. Dennoch ist aus der Wertsteigerung bisher nichts geworden. Von der angepeilten Verdoppelung des Einsatzes ist der Fonds weit entfernt. Deshalb drängt Cevian auch gegen heftige Widerstände bei dem Mannheimer Konzern auf den Verkauf des lukrativen Gebäudedienstleistungs-Geschäfts, das einen Milliardenerlös bringen könnte. Bei Thyssenkrupp, wo Tischendorf ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt, gilt Cevian sogar als Chance für den neuen Vorstandschef Heinrich Hiesinger, verkrustete Strukturen aufzubrechen.

Anpirschen, angreifen, kassieren

Das Vorgehen der Aktivisten ähnelt sich: Erst suchen sie den Kontakt zum Management hinter den Kulissen. Stoßen sie dort auf taube Ohren, folgt oft eine öffentliche Kampagne, die auch dazu dient, Verbündete unter unzufriedenen Aktionären zu finden. Das erlaubt den Fonds, mehr zu erreichen, als ihre Anteile von oft nicht mehr als ein paar Prozent glauben machen. So horchte der Kapitalmarkt auf, als die britische TCI mit ihrem Gründer Chris Hohn mit angeblich zwei Prozent bei VW einstieg und einen Brief an den Vorstand mit Forderungen an die Medien lancierte. Hohn zeigte schon vor elf Jahren bei der Deutschen Börse, wozu er fähig ist: die Fusion mit der britischen LSE  wurde abgeblasen, das Geld an die Aktionäre ausgeschüttet.

Vorstandschef Werner Seifert musste gehen. "Als TCI seine Kampagne gegen die Deutsche Börse startete, war das etwas Außerordentliches und Ungewöhnliches", sagt der Münchener Anwalt Markus Nauheim von der Kanzlei Gibson, Dunn & Crutcher, die sich mit aktivistischen Strategien befasst hat.

Bei Adidas leise interveniert

Heute seien aktivistische Aktionäre normal. "Und wir sind noch nicht am Ende der Entwicklung." Was Aktivisten wie Cevian tun, sei oft aus Sicht aller Aktionäre sinnvoll. Eine reine Verteidigungsstrategie gegen die Fonds halten Berater für untauglich: "Man sollte nicht gleich in den Abwehrmodus gehen, sondern sich die Frage stellen, ob die Anliegen der Aktionäre berechtigt sind", sagt Citi-Banker Kames.

"Wenn sich ein Unternehmen proaktiv damit auseinandersetzt, kommt es gar nicht erst in Verlegenheit, von Aktivisten an den Pranger gestellt zu werden." Bei Adidas etwa traten die Hedgefonds nie öffentlich in Erscheinung, den Rückzug von Konzernchef Herbert Hainer rechnen ihnen Insider aber durchaus zu. Bei der Münchener Rück stieg Cevian 2010 ohne großen Gewinn aus. Was blieb, waren Aktienrückkäufe, mit denen der Rückversicherer jedes Jahr eine Milliarde Euro an die Aktionäre ausschüttet.

Trutzburg Stada geschleift

Aktivistische Strategien sind längst keine amerikanische Domäne mehr. Die ehemaligen Investmentbanker Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig stiegen im Sommer bei Stada ein, die Investor-Relations-Abteilung gratulierte noch artig. Wie Volkswagen galt Stada als Trutzburg. Die vinkulierten Namensaktien ließen alle Angriffe von außen aussichtslos erscheinen.

Gemessen daran - und an seiner Beteiligung von fünf Prozent - hat "Active Ownership", der Fonds von Schuhbauer und Röhrig, schon viel erreicht: Auf der Tagesordnung der Hauptversammlung steht die Abwahl von drei Aufsichtsräten, die durch ihre Kandidaten ersetzt werden sollen. Und die vinkulierten Aktien sollen abgeschafft werden. Ob sie eine Übernahme hätten blockieren können, sei ohnehin fraglich, sagt Aufsichtsratschef Martin Abend. "Das hatte früher seine Berechtigung. Heute hat das eine geringere Bedeutung."

Quelle: ntv.de, Alexander Hübner und Georgina Prodhan, rts

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