Freihandelsabkommen mit Japan Kritik an "Geheimniskrämerei" der EU
24.06.2017, 22:20 Uhr
Japanische Autobauer wie Toyota hoffen mit dem Freihandelsabkommen auf einen besseren Marktzugang in Europa.
(Foto: picture alliance / dpa)
Hat die EU "nichts gelernt", wie Kritiker sagen? Bisher geheime Papiere zu Handels-Gesprächen zwischen der EU und Japan stoßen bei Gewerkschaften und Politikern auf scharfe Kritik. Themen wie Verbraucherschutz und Arbeitsrechte kämen zu kurz, heißt es.
Nach der Veröffentlichung von geheimen Verhandlungsdokumenten zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan ist die Empörung groß: Der DGB warf der EU-Kommission "Geheimniskrämerei" vor. Es sei "ein Witz, wenn die Zivilgesellschaft bei jedem Abkommen aufs Neue um die banalsten Informationen betteln muss", erklärte DGB-Chef Rainer Hoffmann in Berlin. Auch die Grünen kritisierten "einen neuen Tiefpunkt der Intransparenz".
Greenpeace Niederlande hatte am Freitag rund 200 bislang geheime Verhandlungsdokumente zu dem Abkommen veröffentlicht, die meisten von ihnen aus dem Zeitraum zwischen Ende 2016 und Anfang 2017. Die EU und Japan wollen das Abkommen bis Ende des Jahres zu Ende verhandeln, schon beim EU-Japan-Gipfel nächste Woche in Brüssel soll die politische Einigung verkündet werden.
Die EU-Kommission wies die Kritik an den Verhandlungen zurück. "EU-Standards in Bereichen wie Umwelt- und Verbraucherschutz stehen ebenso wenig zur Disposition wie das sogenannte Vorsorgeprinzip", sagte ein Sprecher. "Wir streben ein Abkommen an, das die Globalisierungsprozesse in Einklang mit den europäischen Werten gestaltet, und das die Bürger schützt, stärkt und verteidigt."
Scharfe Kritik an Inhalten
Auch inhaltlich gibt es viel Kritik. Greenpeace monierte, dass nachhaltige Entwicklung und Arbeitsrechte den Dokumenten zufolge bislang nur unzureichend in dem geplanten Abkommen verankert seien. Die Umweltschutzorganisation verweist insbesondere auf schwache Vereinbarungen bei der Bekämpfung illegaler Abholzungen und zum Schutz der Wale. Japan muss hier demnach keine ernsten Verpflichtungen eingehen.
Der grüne Europapolitiker Sven Giegold verwies auf die bislang vereinbarten Standards zu den umstrittenen Schiedsgerichten. Investoren könnten ihre Rechte vor undemokratischen Schiedsgerichten einklagen. Diese Gerichte fielen hinter die Standards zurück, welche die EU nach langem Streit im Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) durchgesetzt hatte. Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt mahnte: "Fairer Handel geht anders." Schiedsgerichte, die Konzerninteressen privilegierten, intransparente Verhandlungen und fehlende Verbraucher- und Umweltstandards seien "No-Gos für die Handelspolitik im 21. Jahrhundert".
Die "Süddeutsche Zeitung" sowie NDR und WDR berichteten, dass die EU-Kommission "Prinzipien des Verbraucherschutzes offenbar nicht durchsetzen" könne. Als Beispiel nannten sie das Vorsorgeprinzip, das eine schnelle Reaktion auf mögliche Gesundheits- und Umweltgefahren ermöglicht.
EU-Kommission hat "nichts gelernt"
DGB-Chef Hoffmann erklärte, er erwarte von der japanischen Regierung die Verpflichtung, grundlegende arbeitnehmerrechtliche Standards zu ratifizieren und umzusetzen. Doch die Veröffentlichung der Dokumente zeige, dass das Abkommen genau diese verbindliche Ratifizierung nicht vorsehe. Der DGB setze das aber bei Aufnahme der Verhandlungen voraus - gerade bei Abkommen zwischen Industrieländern.
Japan ist der zweitgrößte Handelspartner der EU in Asien. Gemeinsam machen beide mehr als ein Drittel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus. Die Gespräche über das Abkommen hatten beide Seiten im März 2013 begonnen. Der schnelle Abschluss soll auch ein Signal an US-Präsident Donald Trump sein, der eine protektionistische Wirtschaftspolitik vertritt. Das geplante Handelsabkommen TTIP zwischen EU und USA liegt seit seinem Amtsantritt auf Eis.
Die EU und Kanada hatten im vergangenen Jahr ihre Verhandlungen über das Ceta-Abkommen abgeschlossen. Endgültig kann es erst in Kraft treten, nachdem es von 38 nationalen und regionalen Parlamenten in den EU-Staaten ratifiziert wurde. TTIP und Ceta waren auch deshalb stark umstritten, weil die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abliefen. Die EU-Kommission hatte Besserung gelobt. DGB-Chef Hoffmann kritisierte nun angesichts der neuen Veröffentlichungen durch Greenpeace, die EU-Kommission habe "nichts gelernt".
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa