"Moskau verschreckt Investoren" Oligarch Deripaska beklagt Kreml-Würgegriff
02.03.2023, 17:47 Uhr Artikel anhören
Auf jeden Unternehmer kommen "zwei Staatsanwälte und vier Inspektoren": Oligarch Deripaska warnt den Kreml vor den Folgen.
(Foto: REUTERS)
In Russland ist Kritik an Kremlchef Putin und seinem Krieg lebensgefährlich. Oligarch Deripaska warnt nun trotzdem ganz unverblümt davor, dass der repressive Moskauer Staatsapparat gerade das Vertrauen der Investoren verspiele.
Der russische Unternehmer und Milliardär Oleg Deripaska hat die Führung des Landes mit ungewöhnlich deutlichen Worten für ihre Wirtschaftspolitik kritisiert. "Mich sorgt die ganze Zeit sehr, dass Staat und Wirtschaft ständig gegeneinander arbeiten", sagte der Gründer des Aluminiumkonzerns Rusal bei einer Wirtschaftskonferenz in der sibirischen Stadt Krasnojarsk. Der Staat setze auf jeden Unternehmer "zwei Staatsanwälte und vier Inspektoren" an.
Angesichts der westlichen Sanktionen infolge des Ukraine-Kriegs müsse Russland auf Attraktivität für Investoren aus freundlich gesonnenen Ländern achten, forderte Deripaska. "Wir werden ausländische Investoren brauchen." Die Hinwendung der Regierung zu einer Kriegswirtschaft schade jedoch dem Wirtschaftsklima. "Die Herrschaft des Rechts und Berechenbarkeit sind sehr wichtig", betonte er der staatlichen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. "Wenn wir die Spielregeln jedes Jahr oder jedes Quartal ändern, wird niemand Vertrauen haben - weder russische noch ausländische Unternehmer."
Der 55-jährige Deripaska ist einer der führenden Unternehmer des Landes, die traditionell als Oligarchen bezeichnet werden, seit Russlands Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr aber an Einfluss verloren haben. Im Gegenzug haben Vertreter des Sicherheitsapparats, die sogenannten Silowiki, ihre Machtpositionen ausgebaut. Wie gegen andere Unternehmer und Politiker wurden auch gegen Deripaska westliche Sanktionen verhängt.
Sorgen vor Putins Rache
Deripaska hatte bereits im vergangenen Juni ungewöhnlich offen den Angriff auf die Ukraine als "kolossalen Fehler" kritisiert. Wörtlich sagte er auf einer Pressekonferenz in Moskau: "Ist es in Russlands Interesse, die Ukraine zu zerstören? Natürlich nicht, das wäre ein kolossaler Fehler." Anders als offiziell erlaubt sprach er dabei auch nicht von einer "Spezialoperation", sondern von einem Krieg.
Angesichts zahlreicher Mordanschläge auf russische Oligarchen und Kritiker von Präsident Wladimir Putin lebt Deripaska mit seinen Äußerungen allerdings gefährlich. Oligarchen wie etwa der Ex-Bankier Oleg Tinkow, der sich ebenfalls deutlich gegen den Ukraine-Krieg positioniert hat, sprechen öffentlich über ihre Befürchtungen, Putins Rache zum Opfer zu fallen.
Die russische Zentralbank erwartet für das laufende Jahr eine Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in einem Korridor zwischen einem Prozent Wachstum und einem Prozent Rückgang. Die Ratingagentur Moody's hingegen rechnet mit einem Rückgang um drei Prozent. Im vergangenen Jahr schrumpfte die russische Wirtschaft vorläufigen Daten zufolge um 2,1 Prozent.
Quelle: ntv.de, mau/rts