Rezessionsangst im Wahlkampf US-Wirtschaft lässt Demokraten zittern
13.08.2024, 19:46 Uhr Artikel anhören
Laut Donald Trump war die Kür von Kamala Harris zur Kandidatin der Demokraten der Grund für die Börsen-Turbulenzen in den vergangenen Wochen. Die Kursverluste sind allerdings inzwischen zu einem großen Teil wieder ausgeglichen.
(Foto: REUTERS)
Als Vizepräsidentin unter Joe Biden kann Kamala Harris auf eine beeindruckende Wirtschaftsbilanz der vergangenen Jahre verweisen. Doch die Wähler bleiben skeptisch. Eine Rezession könnte der Demokratin diese Bilanz noch vor der Wahl verhageln.
Noch nie lag die Sahm-Regel daneben. Und das verheißt nichts Gutes für die Demokraten und ihre Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Die von der US-Ökonomin Claudia Sahm entwickelte Regel konnte anhand der Arbeitslosenzahlen jede Rezession der amerikanischen Wirtschaft seit den 1950er Jahren korrekt anzeigen - und zwar immer mehrere Monate, bevor das aus den offiziellen Wachstumszahlen abzulesen war. Als Rezession bezeichnet das US-Statistikbüro, wenn die Wirtschaftsleistung deutlich und anhaltend schrumpft und das unter anderem mit steigender Arbeitslosigkeit einhergeht. Anfang dieses Monats war es erstmals seit der Corona-Krise wieder so weit. Die schwachen Arbeitsmarktzahlen für den Juli, die das Arbeitsministerium veröffentlichte, zeigten gemäß der Sahm-Regel eindeutig: Die USA stehen vor einer Rezession.
Die Nachricht verstärkt zunehmende Sorgen vor einem Abflauen der US-Wirtschaft. Das trug unter anderem zu einem Kurssturz an den Börsen weltweit bei. Wenige Monate vor den Wahlen im November trifft das Harris und die Demokraten an einer besonders empfindlichen Stelle. Die blendende Wirtschaftsentwicklung unter Amtsinhaber Joe Biden, dessen Vizepräsidentin Harris ist, ist eigentlich ein Pfund, mit dem sie gerne wuchern würden. Die USA würden von der ganzen Welt "um unsere Wirtschaft beneidet", prahlte Biden noch bei seiner "Rede zu Lage der Nation" im Frühjahr.
Die Zahlen sind - bislang - beeindruckend: Seit Bidens Amtsantritt 2021 wächst die Wirtschaftsleistung der USA deutlich schneller als in allen anderen Industrienationen. Die Arbeitslosigkeit erreichte mit 3,4 Prozent zwischenzeitlich den niedrigsten Stand seit rund 50 Jahren. Die Inflation, die zeitweise auf fast 9 Prozent in die Höhe geschossen war, ist inzwischen wieder auf 3 Prozent gesunken. Die verfügbaren Einkommen wachsen kräftig - im vergangenen Jahr um fast 8 Prozent. Allerdings sind im Laufe von Bidens Amtszeit die Preise insgesamt stärker gestiegen als die Einkommen, sodass unterm Strich immer noch ein Minus, also ein Verlust an Kaufkraft, steht.
Trump prophezeit "große Depression"
Die Demokraten tun sich schwer, mit dieser Bilanz erfolgreich Wahlkampf zu machen. Die Wähler zeigen sich mehrheitlich unzufrieden mit der Wirtschaftsentwicklung. Seit Monaten geben in Umfragen rund 60 Prozent der Befragten an, die Wirtschaft befinde sich in einer Rezession, obwohl sie in den vergangenen Quartalen weiter kräftig gewachsen ist. Besonders Anhänger der Republikaner bezeichnen die Wirtschaftslage mit großer Mehrheit als katastrophal. Aber auch bei den demokratischen Wählern ist nur eine Minderheit zufrieden.
Laut einer "Financial-Times"-Umfrage schaffte Harris als Kandidatin der Demokraten nun immerhin, bei der Frage nach der Wirtschaftskompetenz erstmals etwas besser abzuschneiden als ihr republikanischer Rivale Donald Trump. Auch in der Wählergunst insgesamt liegt Harris aktuell vor ihrem Konkurrenten. Eine Rezession mit deutlich steigender Arbeitslosigkeit wäre ein Schlag für die Demokratin und eine Steilvorlage für Trump in der heißen Phase des Wahlkampfes. In der vergangenen Woche machte der Republikaner Harris nicht nur für die Börsen-Turbulenzen verantwortlich, sondern warnte gleich in Großbuchstaben und mit vielen Ausrufezeichen in seinem eigenen sozialen Netzwerk Truth Social vor dem angeblichen "nächsten Schritt": "DIE GROSSE DEPRESSION VON 2024! Mit den MÄRKTEN kann man keine Spielchen spielen. KAMALA CRASH!!!"
Dieser Crash ist bislang allerdings ausgeblieben. Der Leitindex des US-Aktienmarkts, der S&P 500, hat seine Kursverluste inzwischen mehr als ausgeglichen. Entwarnung für die amerikanische Wirtschaft kommt ausgerechnet von der Erfinderin der Sahm-Regel. Zwar habe sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt deutlich abgekühlt, erklärte Claudia Sahm, beim Wirtschaftssender Bloomberg. Die Arbeitslosigkeit sei zuvor allerdings auch lange extrem niedrig gewesen. Zudem wachse die Wirtschaft auch im laufenden Quartal weiter. Sie rechne zwar damit, dass sich das Wirtschaftswachstum und der Arbeitsmarkt weiter abkühlen dürften. Sie glaube aber, dass ihre eigene Regel in der aktuellen Situation zum ersten Mal daneben liege: Eine anhaltende Wirtschaftskrise mit einer Rezession befürchte sie derzeit nicht.
Quelle: ntv.de