
Die Bahnlandschaft ist oft nur rot und weiß.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wer in Deutschland lange Strecken mit dem Zug zurücklegen will, kommt an der Deutschen Bahn nicht vorbei. Im Regionalverkehr ist die Auswahl zwar deutlich bunter. Und doch zeigt ein Fall in Nordrhein-Westfalen, wie schwer es Konkurrenten haben.
Fliegt eine Taube über einen beliebigen Hauptbahnhof dieser Republik, so sieht sie fast nur lange weiße Züge mit einem roten Streifen. Ab und zu fährt vielleicht eine Bahn ein, die nicht die beiden großen Buchstaben trägt. In Berlin zum Beispiel sind öfters grüne Wagons mit der weißen Aufschrift "FlixTrain" zu sehen, in Frankfurt sind es weiße Züge mit lila Akzenten und den Buchstaben SNCF der französischen Staatsbahn. Damit ist die Liste der Konkurrenz im deutschen Fernverkehr nicht ganz - aber fast - vollständig.
Im Regionalverkehr ist die Auswahl dagegen größer. "Im europäischen Vergleich ist die Liberalisierung des Schienenpersonennahverkehrs weit fortgeschritten - Deutschland liegt im oberen Drittel", sagt Dirk Flege, Geschäftsführer des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene. Doch ein Fall aus Nordrhein-Westfalen zeigt, welche Schwierigkeiten die Wettbewerber der Deutschen Bahn haben.
Jahrelang waren die weiß-gelben Züge von Abellio Rail in einigen nordrhein-westfälischen Bahnhöfen zu sehen - bis die Tochter der niederländischen Staatsbahn Nederlandse Spoorwegen Anfang 2022 Insolvenz anmeldete. "Abellio Rail in NRW musste in vielen Bereichen - wie alle anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen auch - massive Kostensteigerungen hinnehmen", erklärt Matthias Stoffregen ntv.de. "Das wollten seine Besitzer, die Niederländischen Staatsbahnen, den niederländischen Steuerzahlern nicht mehr zumuten", sagt der Geschäftsführer von mofair, einem Bündnis für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr, dem auch Abellio Rail angehört, weiter.
Deutsche Bahn ist "völlig überfordert"
Zum einen sind die Personalkosten in den letzten Jahren massiv gestiegen. Das Problem war aber nicht die nominale Vergütung, die durch den Tarifvertrag geregelt ist. Die ausgehandelten höheren Urlaubsansprüche und kürzeren Arbeitszeiten mussten durch mehr Personal abgefedert werden.
Außerdem ist das marode Schienennetz für Abellio Rail eine zu große Herausforderung geworden. Denn die Mittel für die Schieneninstandhaltung wurden in den letzten zehn Jahren deutlich aufgestockt - für Fahrgäste und Bahnbetreiber eigentlich eine gute Nachricht. Doch das bringt auch weitreichende Baustellen mit sich, die von DB Netz, der Schienennetz-Tochter der Deutschen Bahn, organisiert werden.
"Die Deutsche Bahn ist mit Umplanung durch Baustellen völlig überfordert. Besonders schlimm ist es im Regionalbereich West", erklärt Stoffregen. Diese schlechte Planung führt dann oft zu Verspätungen. Und die Bahnbetreiber zahlen für verspätete Züge kräftig drauf - ob sie nun dafür verantwortlich sind oder nicht.
Für diese Mehrkosten hat Abellio Rail von ihrem Auftraggeber, dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, keinen höheren Ausgleich erhalten. Deshalb klagt das niederländische Unternehmen nun auf Schadensersatz. Satte 642 Millionen Euro will das Unternehmen einfordern, wie die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf die Klageschrift berichtet.
Eigenwirtschaftlichkeit eine Illusion?
Eigentlich funktioniere das Vergabeverfahren im Nahverkehr relativ gut, so Stoffregen von mofair. Allerdings zeigt Fall Abellio, dass das Modell neu justiert werden muss. Trotzdem haben die Wettbewerber der Deutschen Bahn im Regionalverkehr einen Marktanteil von bis zu 40 Prozent. Im Fernverkehr ist die Quote deutlich niedriger. Der Marktanteil der Wettbewerber schwankte hier in den letzten Jahren zwischen zwei und vier Prozent. "Bei der Vergabe von Nahverkehrsaufträgen gibt es keine Illusion von Eigenwirtschaftlichkeit", sagt Stoffregen.
Leistungsentgelte der öffentlichen Hand schaffen faire Wettbewerbsbedingungen, sodass alle Wettbewerber, staatlich wie private, grundsätzlichen dieselben Chancen haben und auch kleinere Unternehmen den Markteintritt schaffen können. Im Fernverkehr hingegen müssen die Betreiber alle Kosten durch Fahrgeldeinnahmen decken - für kleinere Unternehmen fast unmöglich, die anders als die DB Fernverkehr nicht den deutschen Steuerzahler als Gesellschafter im Rücken haben.
"Wer in den Wettbewerb mit der DB einsteigt, muss viel Zeit und Geld mitbringen - und einen langen Atem", erklärt Flege von Allianz Pro Schiene. Erstens muss genügend Kapital für die notwendige Zugflotte aufgebracht werden. Das zeigt nicht zuletzt die Rechnung, die die DB für ihre neue Flotte bezahlt: Zwei Milliarden Euro werden für 73 neue Züge ausgegeben.
Die Bahn-Maut treibt Kosten in die Höhe
Zweitens fallen hohe Nutzungsgebühren an. Alle Züge, die das Schienennetz in Deutschland nutzen, zahlen ein Trassenentgelt. Dieses liegt in Deutschland weit über dem EU-Durchschnitt. Rund 8,40 Euro zahlen die Bahnbetreiber für jeden genutzten Kilometer einer mittelschnellen Fernverkehrsstrecke. Deutschlands Nachbarland Dänemark verlangt nur 70 Cent. Dazwischen liegen Frankreich mit rund 7,80 Euro pro Kilometer und Italien mit 3,70 Euro.
Das hat damit zu tun, dass Deutschlands Nachbarländer die Instandhaltung des Schienennetzes mit Steuergeldern subventionieren. Hierzulande wird sie zu hundert Prozent über die Schienenmaut bezahlt.
Zwar entstehen dadurch auch für die DB Fernverkehr hohe Kosten. Aber der Netzbetreiber DB Netz ist eine Tochter der Deutschen Bahn AG - also eine Schwester der DB Fernverkehr. "Das Geld bleibt also im DB-Konzern", erklärt Stoffregen. "Was DB Fernverkehr zahlen muss, nimmt DB Netz ein." Was andere Unternehmen an Trassenkosten zahlen müssen, kommt dagegen nicht zurück.
Immer weniger Bewerber
Die Quasi-Monopolstellung des DB-Konzerns macht es anderen Fernverkehrsanbietern fast unmöglich, auf dem Markt mitzuhalten. Und das sei mitverantwortlich für die stagnierende Entwicklung und den teilweise schlechten Service der Bahn in Deutschland, sagt Stoffregen. "Wir gehen davon aus, dass mehr Wettbewerb im Fernverkehr die Preise senken und die Qualität des Angebots erhöhen würde", so Stoffregen und verweist auf positive Erfahrungen in Italien, Tschechien, Großbritannien und neuerdings auch Frankreich und Spanien. "Wir sehen, dass die Ticketpreise dort sinken, weil es mehrere Anbieter auf dem Markt gibt."
Die bisher von Abellio Rail betriebenen Strecken in NRW wurden nach einer Notvergabe vorerst von DB Regio, National Express und Vias Rail übernommen. Die Verträge werden zwar neu ausgeschrieben. Es ist jedoch fraglich, ob sich ein geeigneter Anbieter finden lässt. Denn die Zahl der Bieter ist seit Jahren rückläufig. Nach Berechnungen der Bundesnetzagentur haben sich 2018 im Durchschnitt 2,5 Unternehmen auf Ausschreibungen im Regionalverkehr beworben. Im Jahr 2021 waren es nur noch 1,8.
Quelle: ntv.de