Grundlage eigener Arbeit gelegt Warum ein Notenbanker den Nobelpreis bekommt
10.10.2022, 18:24 Uhr
Der globale Finanzmarkt und damit die Weltwirtschaft hingen von Bernankes Reaktion auf die Krise ab.
(Foto: picture alliance / dpa)
In der globalen Wirtschaftskrise von 2008 stand Ben Bernanke an der Spitze der wichtigsten Zentralbank der Welt. Die theoretischen Grundlagen für die eigene Arbeit hatte er als Wissenschaftler teils selbst erarbeitet. Mit der praktischen Umsetzung ist einer seiner Mit-Preisträger allerdings nicht ganz zufrieden.
Wirtschaftsnobelpreisträger sind bis auf wenige Ausnahmen männliche, amerikanische Professoren, deren bahnbrechende Forschungen schon einige Jahre zurückliegen. In dieser Hinsicht ist der Ökonom Ben Bernanke, einer der diesjährigen Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften, ein typischer Preisträger. Anders als seine ebenfalls ausgezeichneten Kollegen Douglas Diamond und Philip Dybvig sowie die meisten seiner Vorgänger ist Bernanke allerdings nicht nur in der Fachwelt bekannt. Als Präsident der wichtigsten Notenbank der Welt, der amerikanischen Federal Reserve, war der heute 68-Jährige von 2006 bis Anfang 2014 einer der mächtigsten Männer der Finanzwelt. In dieser Zeit steuerte er die USA und die Weltwirtschaft durch die globale Finanzkrise, die 2008 in der Pleite der US-Bank Lehman Brothers gipfelte.
Es handelte sich um die schwerwiegendste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930er Jahre - ebenjener Krise, mit deren Untersuchung sich Bernanke zuvor einen Namen in der Forschungswelt gemacht hatte. Diese Forschung, die auch die Grundlage für sein Krisenmanagement als Fed-Chef bildete, ist es, wofür Bernanke nun die prestigeträchtige Auszeichnung erhält.
Bernanke habe als Forscher gezeigt, wie der Ansturm von Kunden auf Banken zum Abheben ihrer Ersparnisse aus einer relativ gewöhnlichen Rezession in den 30ern eine schwerwiegende Krise mit dramatischen Folgen weltweit gemacht habe, erklärte der schwedische Ökonom John Hassler vom zuständigen Nobelkomitee bei der Bekanntgabe. Insbesondere wurde gewürdigt, dass Bernanke auf Basis historischer Quellen und statistischer Verfahren analysiert habe, welche Faktoren beim Einbruch des Bruttoinlandsprodukts eine Rolle gespielt hätten. Dabei habe er klar herausgearbeitet, dass zusammenbrechende Banken den größten Anteil am Abschwung gehabt hätten.
"Diese gefährliche Dynamik kann verhindert werden, indem die Regierung eine Einlagensicherung bereitstellt und als Kreditgeber der letzten Instanz für Banken fungiert", erklärte Hassler. "Er hat gezeigt, dass Banken da sein müssen." Ohne sie funktioniere die Wirtschaft weitaus schlechter. Entsprechend stellte die Fed unter Bernankes Führung gigantische Summen bereit, um die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors in der Krise sicherzustellen.
Nur richtig regulierte Banken sind stabile Banken
Diamond, Professor an der University of Chicago, und Dybvig, Professor an der Washington University in St. Louis, wurden für ihre Entwicklung theoretischer Modelle zur Rolle der Banken in der Gesellschaft geehrt. Sie hätten dargelegt, wie "Banken eine optimale Lösung bieten", um Ersparnisse in Investitionen umzuwandeln, erklärte die Akademie. Zugleich hätten sie aufgezeigt, wie Banken dadurch anfällig für Gerüchte über ihren bevorstehenden Zusammenbruch würden.
"Kurz gesagt, die Theorie besagt, dass Banken sehr nützlich sein können, aber nur dann stabil sind, wenn sie richtig reguliert werden", sagte der Vorsitzende des Komitees, Tore Ellingsen. Die Erkenntnisse der diesjährigen Preisträger "haben unsere Fähigkeit verbessert, sowohl schwere Krisen als auch teure Rettungsaktionen zu vermeiden". Mit ihren Erkenntnissen hätten Bernanke, Diamond und Dybvig in den frühen 1980er Jahren die Grundlagen zur modernen Bankenforschung gelegt. "Ihre Analysen sind von großer praktischer Bedeutung bei der Regulierung der Finanzmärkte und dem Umgang mit Finanzkrisen gewesen", betonte die Akademie.
Damit, wie ihre Theorie in der Krise 2008 unter maßgeblicher Führung Bernankes in die Praxis umgesetzt wurde, ist der frisch gekürte Nobelpreisträger Diamond im Rückblick allerdings nicht ganz zufrieden. Diamond wurde für die Pressekonferenz des Nobelkomitees telefonisch zugeschaltet. Er betonte, in der Rückschau wäre es letztlich wohl besser gewesen, wenn die Bank Lehman Brothers nicht überraschend Pleite gegangen, sondern vom Staat gerettet worden wäre.
Die Regulierer hätten damit zwar beweisen wollen, dass sie hart vorgehen könnten. Doch wäre es aus seiner Sicht besser gewesen, sich entgegenkommender zu zeigen und die Bank nicht Knall auf Fall in die Pleite rutschen zu lassen. Falls die Regulierer trotz juristischer Schwierigkeiten einen besseren Lösungsansatz gewählt hätten, wäre der Weltwirtschaft wohl Schlimmeres erspart geblieben. Lehman Brothers war für viele Beobachter überraschend im September 2008 kollabiert und wurde damit zum Brandbeschleuniger für die weltweit größte Finanzkrise seit den 1930er Jahren.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/rts