Schnelle Selbstradikalisierung Wie Elon Musk zum Trump-Diener wurde


Elon Musk möchte, dass Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht.
(Foto: REUTERS)
Der reichste Mann der Welt war einst Tech-Visionär, Weltraumpionier und Demokrat. Nun ist er Donald Trumps Günstling, Geldgeber und Propagandist. Die Gründe für die politische Kehrtwende erklärt Elon Musk selbst am besten.
Wohl kaum etwas beschreibt einen Menschen so sehr wie seine eigenen Worte. Wer also die erstaunliche Entwicklung des reichsten Manns der Welt verstehen will, sollte nicht nur seine Freunde, Weggefährten und Kritiker fragen. Er sollte sich anschauen, was er in der Vergangenheit selbst gesagt hat.
Bei Elon Musk ist das zugleich einfacher und schwieriger als bei den meisten Menschen: Etwa 76.000 Mal hat der Tesla-Chef seit 2019 auf Twitter/X gepostet. Das "Wall Street Journal" hat sich die Mühe gemacht und alle diese Tweets ausgewertet, mithilfe der gleichen Technik, die auch im KI-Programm ChatGPT steckt. Das Ergebnis ist das erstaunliche Profil eines Mannes, der sich dabei so sehr gewandelt hat wie kaum eine zweite öffentliche Figur. Musk ist vom unpolitischen E-Auto-Pionier zum Politikjunkie geworden. Vom Demokraten zum Republikaner. Vom geekigen Vorzeige-Entrepreneur zum radikalen Trump-Jünger.
Im Februar 2019 bekannte Musk auf Twitter: "Ich bin offen moderat. Da, ich hab's gesagt." Am 13. Juli 2024, nach dem Attentatsversuch, postete er: "Ich unterstütze Präsident Trump vollkommen." Zwischen beiden Sätzen liegen fünfeinhalb Jahre - und eine Reise vom einen zum anderen Ende des politischen Spektrums. Musk hat sich in dieser Zeit in einer öffentlichen Metamorphose selbst radikalisiert. Inzwischen pumpt er Geld in Trumps Wahlkampf und legt ihm als willfähriger Medienpartner Millionen Follower zu Füßen. Offenbar nicht nur aus innerer Überzeugung. Sondern weil er damit auch seine eigenen, finanziellen Interessen verfolgt.
Vom Witzbold zum Corona-Chefpropagandisten
Vor fünf Jahren tweetete Musk vor allem über seine eigenen Firmen Tesla und SpaceX und riss ab und zu ein paar Witze. Inzwischen setzt er täglich mehrfach politische Posts ab. Seit 2019 hat sich die Zahl seiner politischen Äußerungen mehr als zweihundertfacht. Während sich im Juli vor fünf Jahren zwei Drittel von Musks Tweets um Autos oder den Weltraum drehten, beschäftigte sich Musk im Juli dieses Jahres zu 60 Prozent mit Politik, den Medien, Nachrichten oder kulturellen Themen. Im Schnitt postet Musk heute etwa 61 Mal täglich. Vor fünf Jahren waren es gerade mal neun Tweets pro Tag. Gedruckt ergäben all seine Chats ein Buch, das etwa doppelt so lang wie die Bibel ist.
Erste Anzeichen für den Drift nach rechts gab es während der Pandemie. Auch zuvor hatte sich Musk auf Twitter mit Investoren angelegt, Kritiker als Kinderschänder beleidigt und für die Verbreitung falscher Informationen eine Millionenstrafe wegen Marktmanipulation von der US-Börsenaufsicht SEC kassiert. 2020 mutierte er dann aber zu einer Art Corona-Chefrebell. Den Lockdown nannte er "faschistisch" und ignorierte kurzerhand alle Anweisungen der kalifornischen Regierung, seine Werke runterzufahren.
Auffällig ist, dass Musk seine politische Ader zunehmend zu entdecken begann, nachdem er im Oktober 2023 den Kauf von Twitter und die Umbenennung der Plattform in X abgeschlossen hatte. Man kann also ziemlich sicher sagen, dass es Musk nicht nur darum ging, das Recht auf freie Meinungsäußerung aller zu retten. Er wollte auch einen Kanal erwerben, auf dem er seine eigene Meinung ungestört und ungefiltert verbreiten kann.
Im Nachhinein mutet vieles an Musks Einstieg ins Social-Media-Geschäft wie der Rachefeldzug eines Gekränkten an. Von der Biden-Regierung hatte er sich in den Monaten vor seinem Einstieg zunehmend entfremdet. Den US-Präsidenten nannte er eine "Sockenpuppe" der Gewerkschaften, nachdem der nur Autohersteller mit Arbeitnehmervertretung zum E-Auto-Gipfel ins Weiße Haus einlud. Tesla gehörte nicht dazu.
Überzeugungstäter oder Eigenbrötler?
Im Mai 2022, fünf Monate vor der Twitter-Übernahme, kündigte Musk den Demokraten dann offiziell die Freundschaft: "In der Vergangenheit habe ich die Demokraten gewählt, weil sie die Partei der Menschenliebe waren", ätzte Musk auf Twitter. Er habe Geld an Hillary Clinton und Joe Biden gespendet und beide auch gewählt. "Wegen unprovozierter Angriffe führender Demokraten, und weil sie Tesla und SpaceX die kalte Schulter gezeigt haben, werde ich im November die Republikaner wählen."
Mit seiner Hinwendung zu rechter Politik dient Musk aber nicht nur seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen. Sie ist auch geprägt von schmerzlichen persönlichen Erfahrungen. Die Wichtigste war sicherlich die Geschlechtsumwandlung seiner Tochter. Sie hat 2022 ihren Nachnamen geändert, sich von Musk losgesagt und will laut Gerichtsunterlagen mit ihrem "biologischen Vater nicht länger in irgendeiner Form verwandt sein". Musk sei als Vater kaum anwesend, "kalt, herzlos und narzisstisch" gewesen und hätte sie als Kind mit ihrer queeren Identität gehänselt und gedemütigt.
Der Bruch war für Musk eine zentrale Motivation, sich stärker politisch rechts zu engagieren. "Ich habe faktisch meinen Sohn verloren", sagte Musk. Er habe sich täuschen lassen, die Papiere für die Geschlechtsumwandlung zu unterschreiben. Nun sei sein Kind "tot", "getötet vom woken Hirnvirus."
Seitdem hat sich Musk nicht nur dem Kampf gegen den vermeintlichen Gender-Wahn, sondern auch gegen die angebliche Diskriminierung von Weißen und gegen illegale Einwanderung verschrieben. Inzwischen nutzt Musk seine Plattform offen für Scherbengerichte über seine politischen Gegner: Erst im Februar ließ er öffentlich darüber abstimmen, ob gegen Heimatschutz-Minister Alejandro Mayorkas ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden solle. Nach einem Wahlsieg will Trump den Tesla-Boss nun womöglich sogar ins Kabinett holen. Damit wäre Musks Verwandlung komplett.
Quelle: ntv.de