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Milliardenschwerer Lieferdienst Gorillas begrüßt Investoren im 10-Minutentakt

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Auch die sogenannten Riders sollen etwas von der neuen Finanzierungsrunde haben. Gründer Sümer will eine Million Euro Boni an sie ausschütten.

(Foto: Gorillas)

Die Bestellungen des Blitzlieferdienstes Gorillas sind spätestens in zehn Minuten beim Kunden. Ein ähnliches Tempo legt das Unternehmen von Gründer Sümer bei der Unternehmensbewertung hin: Er und seine Riders erreichen so schnell wie kein anderes deutsches Startup eine Rekordbewertung.

Das Berliner Lebensmittel-Lieferdienst-Startup Gorillas ist vor neun Monaten mit dem Versprechen angetreten, über seine App getätigte Einkäufe zu Einzelhandelspreisen innerhalb von zehn Minuten nach der Bestellung zum Kunden zu bringen. In weniger als einem Jahr ist das Unternehmen von Gründer Kagan Sümer nicht nur bereits in zwölf Städten aktiv und hat Nachahmer wie Flink hervorgerufen, sondern es hat auch nach einer jüngsten Finanzierungsrunde so schnell wie kein anderes deutsches Startup zuvor eine Milliardenbewertung erreicht.

Bei Investoren seien zuletzt 244 Millionen Euro eingesammelt worden, teilte das Unternehmen mit. Angeführt habe die Finanzierungsrunde der Bestandsinvestor Coatue Management. Weitere Investoren seien unter anderen DST Global sowie der chinesische Technologiekonzern Tencent. Das frische Geld will Sümer nutzen, um das Wachstum voranzutreiben und in Technologie sowie Infrastruktur zu investieren. Schon bald sollen die Fahrradkuriere von Gorillas in mehr als 50 Städten und in zehn Ländern Lebensmittel in Rekordzeit nach Hause liefern.

Nach Einschätzung von Luis Hanemann vom Wagnsikapitalgeber Eventures hat Gorillas doppeltes Glück beim Timing gehabt. Einerseits habe natürlich Corona wie allen Lieferdiensten auch Gorillas geholfen. Zeitgleich habe die Finanzierungsrunde von über einer Milliarde Dollar des US-amerikanischen Vorbilds Gopuff, in das Eventures investiert ist, gezeigt, dass das Modell Potenzial hat. "Bei Gorillas standen die Investoren Schlange, da kann man sagen, die Investoren kamen im Zehn-Minutentakt vorbei", sagt Hanemann ntv.de. Die Angst einen guten Deal zu verpassen, sei dementsprechend groß gewesen und habe die Bewertung nach oben getrieben.

Gorillas meint es mit Expansion ernst

Von frischem Obst und Gemüse, bis hin zu Milch, Eiern, Aufstrichen und Brot umfasst das Gorillas- Sortiment viele Produkte des täglichen Bedarfs. Die Blitzlieferung kann deswegen eingehalten werden, weil der Ausgangspunkt für ein Liefergebiet immer ein Lager ist, das per Fahrrad innerhalb von zehn Minuten erreichbar ist. Die Herausforderung in dem Geschäftsmodell von Gorillas liegt darin, dass die meisten Nutzer nur für 15 bis 30 Euro einkaufen.

Die Margen inklusive der Lieferung sind deswegen gering. Wenn es Gorillas gelingt eine kritische Masse der Bevölkerung in jeder Stadt zu erreichen und mit den Lagerhäusern Supermärkte zu ersetzen, könnte das Geschäftsmodell laut Robert Lacher vom Wagniskapitalgeber Visionaries Club aufgehen. Im Vergleich zum Einzelhandel können sehr viele Kosten eingespart werden. Schließlich seien Fläche und Miete etwa niedriger, Regale müssten nicht eingeräumt und Kassierer nicht bezahlt werden. Zudem könne ein Lagerhaus bis zu 300.000 Bewohner und mehrere Millionen Lieferungen im Monat abdecken. Einen Haken gibt es allerdings: Auf dem Land wird das Modell "superschneller Lieferdienst" allerdings schwer umsetzbar sein.

Dass es Gorillas mit der Expansion ernst ist, zeigt auch: Laut Information von "Gründerszene" eröffnet der Blitzlieferdienst inzwischen pro Woche mindestens ein neues Lager und auf der Website sind mehr als 250 Stellen ausgeschrieben. Gründer Sümer soll selbst leidenschaftlicher Fahrradfahrer sein, den Verkehr und die Strecken austesten, bevor er neue Stadtteile aufnimmt. "Ich habe selten einen Manager auf dem Fahrrad gesehen, der tagelang selber Lieferungen ausfährt um das Kundenerlebnis und die Abläufe selber zu 100 Prozent zu durchdringen. Das wird oft delegiert und ist genau der Fehler", sagt Lacher ntv.de. Auch seine Erfahrung als Berater und bei Rocket Internet helfen ihm dabei, aus Gorillas ein erfolgreiches Unternehmen zu machen.

Beschwerden über Arbeitsbedingungen

Mit der neuen Finanzierungsrunde will Sümer nach Informationen des "Handelsblatts" auch knapp eine Million Euro Boni an die Fahrer ausschütten. Seinen Angestellten zahlt der Gründer einen Stundenlohn von 10,50 plus Trinkgeld. Das entspricht einem Euro mehr als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Hinzu kommt ein Zuschlag für die anfallenden Internetgebühren in Höhe von 15 Euro. Außerdem stellt Gorillas seinen Fahrern E-Bikes.

Als es in Deutschland Anfang des Jahres bitterkalt geworden ist und geschneit hat, hat der 10-Minuten-Lieferdienst seinen Betrieb nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen eingestellt. Laut einer Initiative von Kurieren des Startups, die sich auf Twitter über die Arbeitsbedingungen beschweren, soll das aber nicht aus Verständnis für die erschwerten Arbeitsbedingungen geschehen sein, sondern weil sich die Fahrer geweigert hätten, Einkäufe auszufahren. Gorillas hat diesen Vorwurf abgestritten.

Die Konkurrenz schläft nicht

Der Markt für Lebensmittel in Europa ist laut Lacher knapp zwei Billionen Euro groß. Davon werden bis 2025 200 Milliarden online umgesetzt werden. "Theoretisch hat ein Supermarkt keine Daseinsberechtigung mehr, wenn Gorillas als Modell funktioniert und Personen kleinere Warenkörbe bedarfsgerecht in höheren Taktungen ordern", sagt Lacher. Seiner Einschätzung nach gibt es nur selten so große Märkte, bei denen existierende Umsätze in so kurzer Zeit komplett auf den Kopf gestellt werden können. "Wer jetzt das Momentum nutzt und Kapital in die Hand hat, hat gute Chancen das Spiel zu gewinnen."

Und die Konkurrenz schläft nicht. Erst Anfang des Jahres ist Flink in Deutschland an den Start gegangen - und hat zuletzt bereits 43 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt. Ähnlich wie vor einigen Jahren bei den Pizzalieferdiensten sieht Hanemann von Eventures einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb und eine Marketingschlacht um die Kunden auf die Branche zukommen. "Ich denke, dass es aus den verschiedenen Playern ein bis zwei schaffen werden langfristig auch profitabel zu werden." Aber die Frage nach der Profitabilität stellt sich laut Hanemann für Startups in der aktuellen Marktstimmung, in der durch die Notenbanken die Märkte mit Geld geflutet werden, momentan eigentlich eh nicht.

Quelle: ntv.de

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