Nokia auf dem richtigen Weg Lumia 800 sticht heraus
18.11.2011, 16:08 Uhr
Nokias erstes Windows-Phone-Smartphone liegt in den Regalen und wartet auf Käufer. Die Erwartungen an das Gerät sind groß. Und tatsächlich kann sie das finnische Telefon größtenteils erfüllen. Nokia macht mit dem Lumia 800 einen ersten großen Schritt in Richtung Wiederaufstieg in die erste Smartphone-Liga.
Nokia hat sich seit der Ankündigung, in Zukunft voll auf Microsofts mobiles Betriebssystem Windows Phone zu setzen, sehr beeilt, den Worten Taten folgen zu lassen. So hat man in aller Eile auf der Basis des zum Untergang verdammten Meego-Handys N9 das Lumia 800 entwickelt. Erstaunlicherweise ist Nokia ein guter Schnellschuss gelungen.
Das herausragende Merkmal von Nokias Windows-Phone-Pionier ist das vom N9 übernommene Design. Äußerlich unterscheidet sich das Lumia 800 nur in Details vom Meego-Vorbild. So gibt es den von Microsoft vorgeschriebenen separaten Kamera-Auslöseknopf, der LED-Blitz sitzt über und nicht neben der Kamera und das Display ist kleiner. Und: Es fehlt eine Frontkamera. Dazu später mehr.
Das sich zu den Enden verjüngende 116 x 61 x 12 Millimeter messende Gehäuse ist aus einem Block Polycarbonat gefräst, wobei Nokia sogar die Löcher für das Mikrophon einzeln bohrt. Der 3,7 Zoll große gewölbte Bildschirm aus Gorillaglas fügt sich fast nahtlos ein, wodurch das 142 Gramm schwere Lumia 800 sehr angenehm in der Hand liegt. Wer auf Ein-Hand-Bedienung steht, wird vom runden Gefühl unterm Daumen begeistert sein. Zumindest beim Testgerät ragen die scharfkantigen Metalltasten (Kamera, Ein/Aus, Laut/Leise) an der rechten Seite aber etwas zu weit aus dem Gehäuse heraus, was der feinen Haptik einen kratzigen Kontrapunkt setzt.
Voll auf Empfang
An der Kinnseite hat das Smartphone nur Lautsprecher und Mikrophon. Um den Antennenempfang nicht zu stören, hat Nokia den Micro-USB-Anschluss auf die Kopfseite zwischen Lautsprecherbuchse und SIM-Karten-Einschub platziert. Dabei verschwindet der USB-Anschluss hinter einer Klapp-Blende und wird nicht wie bei anderen Smartphones zum Fussel-Fänger. Apropos Antennenempfang: Laut Nokia soll der Empfang des Lumia 800 durch das Polycarbonat-Gehäuse exzellent sein. Tatsächlich waren im Test in der Anzeige fast immer alle Balken zu sehen.
Die Frontseite gehört bis auf einen kleinen oberen Lautsprecherschlitz ganz dem Display. Hardware-Tasten kennt Windows Phone nicht, virtuell gibt es eine Zurück, eine Start- (Home) und eine Suchtaste. Auf der Rückseite sitzt eine 8-Megapixel-Kamera von Carl Zeiss und ein Doppel-LED-Blitz. Einen Akku-Deckel sucht man vergeblich, die Batterie lässt sich nicht wechseln. Was das Durchhaltevermögen anbetrifft, kann der Akku des Lumia 800 zwar die schwache Batterie des iPhone 4S klar hinter sich lassen. Trotzdem muss auch das Nokia-Gerät nach einem Arbeitstag ans Ladegerät.
Angetrieben wird das Lumia 800 von einem 1,4 Gigahertz schnellen Ein-Kern-Prozessor, dem 512 Megabyte Arbeitsspeicher zur Verfügung stehen. Das ist nicht beeindruckend, reicht aber völlig aus, um das genügsame Windows Phone 7.5 (Mango) sehr flüssig und ruckelfrei zu bedienen. Der Browser (Internet Explorer 9) arbeitet zackig und auch Videos in hoher Auflösung bringen das Nokia-Handy nicht in Verlegenheit.
Das AMOLED-Display hat 800 x 480 Pixel, was bei einer Größe von 3,7 Zoll durchaus für eine feine Darstellung ausreichend ist. Allerdings hat der Lumia-Bildschirm dasselbe Problem wie viele andere AMOLED-Touchscreens: Von der Seite gesehen bekommt er einen deutlichen Blaustich.
Kamera schwächelt
Seltsamerweise ist die Kamera auf der Rückseite trotz 8 Megapixeln und Carl-Zeiss-Optik kein Glanzstück des Lumia 800. Die Kamera fokussiert etwas lahm, Fotos wirken leicht fade und bei schlechteren Lichtverhältnissen nimmt die Qualität rapide ab. Das Gleiche gilt für mit 720p aufgenommene Videos: Die Clips sind zwar gut, aber nicht so gut wie man erwarten könnte. Offenbar trifft Carl Zeiss und den Chip aber keine Schuld. Nokia hat ein Update angekündigt, das der Kamera mehr Glanz verleihen soll.
Schade ist, dass Nokia beim Lumia 800 auf eine Frontkamera verzichtet hat. Chef-Produktdesigner Stefan Pannenbecker sagte beim Launch-Event in Berlin, man habe die VGA-Linse weggelassen, da seines Wissens nach Videochats unter Mango noch nicht möglich seien. Da lag der Deutsche allerdings daneben. Die App Tango bietet diese Funktion bereits kostenlos, Skype soll demnächst folgen.
Die Klangqualität des Lumia 800 ist mit Headset richtig gut, der integrierte Lautsprecher klingt dagegen vor allem beim Telefonieren sehr blechern.
Mango ist ein erstklassiges Betriebssystem, das wunderbar zu bedienen ist und Kontakte und soziale Netzwerke großartig in einem "Hub" vereint. Das aber bieten andere Windows-Phone-Geräte auch. Nokia kann allerdings mit den hauseigenen Diensten "Navigation" und "Karten" glänzen, die das Lumia 800 zu einem vollwertigen Navigationsgerät machen. Top: Kartenmaterial kann heruntergeladen und dann ohne Datenverbindung offline genutzt werden. Die GPS-Ortung des Telefons arbeitet dabei sehr schnell und exakt.
Nokia bietet außerdem eine eigene Musik-App, die in Deutschland aber nicht im vollen Umfang genutzt werden kann. Der Streaming-Dienst "Mix Radio", der aus Nokias MP3 Store Playlists mit bis zu 200 Songs nach Nutzergewohnheiten zusammenstellt, steht hierzulande aus rechtlichen Gründen in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung. Schade, so bleibt deutschen Nutzern nur der Einkauf in Nokias Store und ortsbezogene Infos über Konzertveranstaltungen.
Umsteiger haben es einfach: Via Bluetooth kann man Kontakte von anderen Smartphones übertragen. Wer ein Googlemail-Konto hat, muss es auf dem Lumia 800 nur einrichten. Kontaktdaten übernimmt Windows Phone dann unverändert.
Gut und günstig
Trotz der genannten Mankos ist Nokias Start ins neue Betriebssystem-Zeitalter gelungen. Design, Performance und Navigation lassen das Lumia 800 aus der Windows-Phone-Familie herausragen. Wie ein "zufällig" veröffentlichtes Nokia-Video zeigt, ist zwar ein Nachfolger mit größerem Display offenbar bereits in Arbeit. Bis dahin gibt es aber kaum ein besseres Windows-Phone-Gerät auf dem Markt. Nokias unverbindliche Preisempfehlung von 499 Euro wird bereits deutlich unterschritten, im Internet gibt's das Gerät bereits für unter 450 Euro. Und wer noch ein wenig wartet, zahlt vermutlich weniger als 400 Euro für das hochwertige Telefon.
Quelle: ntv.de