Technik

"Meinungsfreiheit hat Grenzen" Twitter führt Selbstzensur ein

Was bedeuten schon Prinzipien, wenn es um Märkte geht? Um auch unter Regimen, die ihre eigenen Ansichten von Meinungsfreiheit haben, arbeiten zu können, führt Twitter eine länderspezifische Selbstzensur ein. Obwohl Twitter "transparente" Sperrungen ankündigt, sind die Nutzer empört.

"Der offene Informationsaustausch kann globale Auswirkungen haben ... fast jedes Land auf dieser Welt teilt die Ansicht, dass freie Meinungsäußerung ein Menschenrecht ist. Viele Länder sind aber auch der Meinung, dass Meinungsfreiheit mit Verantwortung einhergeht und deshalb Grenzen hat", schrieb Twitter auf seinem offiziellen Blog vor einem Jahr. Was genau der Kurznachrichtendienst mit "Grenzen der Verantwortung" gemeint hat, hat er jetzt bekanntgegeben: Selbstzensur.

(Foto: Twitter/kwe)

Natürlich nennt Twitter das Kind nicht beim Namen, sondern formuliert mehr oder weniger gekonnt drumherum: Das internationale Wachstum bringe es mit sich, dass man Länder erreiche, die andere Vorstellungen von Meinungsfreiheit hätten, heißt es in dem Blogeintrag. Einige hätten so unterschiedliche Ansichten, dass Twitter dort nicht existieren könne. Manche Länder hätten auch historische oder kulturelle Probleme mit bestimmten Inhalten. In Frankreich und Deutschland seien beispielsweise Pro-Nazi-Aussagen verboten, schreibt Twitter.

Transparente Zensur

Um in solchen Ländern keine Probleme mit dem Gesetz zu bekommen, habe man bisher nur die Möglichkeit gehabt, Inhalte weltweit zu blockieren, behauptet der Dienst. "Im Interesse der Nutzer" hat Twitter deshalb die technischen Voraussetzungen geschaffen, Tweets ab sofort länderspezifisch zu zensieren. Dabei soll die Zensur transparent erfolgen, Nutzer über Sperrung und Anlass informiert werden.

Möglich, dass Twitter fürchtet, seine deutschen Mitarbeiter könnten belangt werden, wenn Nutzer den Holocaust leugnen oder rassistische Äußerungen tätigen. Aber nicht nur die Nutzer, die sich auf Twitter Luft machen, vermuten, dass es sich der Dienst vor allem nicht mit China und anderen autoritären Staaten verscherzen möchte. Viele sehen auch einen Zusammenhang mit einer 300-Millionen-Dollar-Investition des saudischen Königshauses.

Einige Kommentatoren im Internet betonen, dass es für technisch versierte Nutzer ein Leichtes sei, die Sperrungen zu umgehen, indem sie ihren Standort über Proxy-Server oder einen VPN-Dienst verschleiern. Ein Großteil der Normal-Nutzer weiß aber nicht, wie man Twitter austrickst. Und Zensur beginnt dort, wo nicht mehr jeder freien Zugang zu Informationen hat.

Quelle: ntv.de

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