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Koreaner über Bentley-Level Genesis G90 LWB im Fahrbericht - exklusiver geht nimmer

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Großer Kühlergrill, stylische Scheinwerfer. Ob das allein reicht, um Autos zu verkaufen?

Großer Kühlergrill, stylische Scheinwerfer. Ob das allein reicht, um Autos zu verkaufen?

(Foto: Genesis)

Mit dem Genesis G90 haben die Koreaner eine außergewöhnliche Luxuslimousine auf die Räder gestellt. Zeit, sie mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine Sache fehlt schmerzlich in einem der verrücktesten hierzulande erhältlichen Fahrzeuge.

Ich habe letztens in Norddeutschland einen Genesis G90 gesehen. Verrückt. Ein richtig verkauftes Fahrzeug, also kein Democar, Mietwagen oder gar Pressetestwagen. Da ist insofern eine kleine Sensation, weil hierzulande von Januar und November gerade mal 33 Exemplare dieses Typs zugelassen wurden. Kleiner Vergleich gefällig? Vom Ferrari-Topmodell mit 1000 PS, das kaum unter einer halben Million zu bekommen ist, wurden im gleichen Zeitraum 257 Stück angemeldet. Noch Fragen? Verwunderlich, dass das Kraftfahrtbundesamt ihn nicht unter "Sonstige" führt.

Luc Donckerwolkes Werk wirkt von hinten fast ein bisschen schmucklos.

Luc Donckerwolkes Werk wirkt von hinten fast ein bisschen schmucklos.

(Foto: Genesis)

ntv.de hat sich nach der flüchtigen Tuchfühlung bei der Fahrvorstellung vor einem Jahr nun noch einmal intensiver mit dem ungewöhnlichen Fahrzeug auseinandergesetzt. Und zwar mit der extralangen LWB-Version. "Luxus auf höchstem Niveau" heißt es auf der Website - stimmt das auch? Okay, die Erwartungen liegen jedenfalls auf höchstem Niveau angesichts einer Länge von 5,47 Metern. Ein solches Format besitzt nicht einmal die aktuelle Bentley-Limousine. Also rein in die gute Stube und den Luxus wirken lassen. Eine Form davon ist sicherlich, dass dir die Navigationsansage ganz nah wirkend ins Ohr flüstert - es schallt sanft aus Richtung der anschmiegsamen Kopfstützen. Auch sonst hat der Genesis alles, was das Herz begehrt. Sonderausstattungen gibt es nicht, braucht er nicht.

An Platz mangelt es im G90 wahrlich nicht

Vor allem aber gibt es: Platz ohne Ende im Fond. Dort lässt sich der Sitz sogar zu einer Art Liege verwandeln mit durchgängiger Auflagefläche. Um das zu realisieren, fährt nicht bloß der Sitz elektrisch in die entsprechende Position, es fährt auch noch ein Element aus, das an der Lehne des Vordersitzes angebracht ist. Allein das Zurechtrücken des Möbels per Schalter sieht schon fancy aus. Aber selbst bei aufrechter Sitzposition herrscht im Fond schon unglaublicher Luxus.

Der Mix aus Menü und Taste ist ja bekannt im Konzern. Dennoch ist die Bedienung manchmal wirr.

Der Mix aus Menü und Taste ist ja bekannt im Konzern. Dennoch ist die Bedienung manchmal wirr.

(Foto: Genesis)

Dafür wird der fünfte Sitzplatz geopfert. Es gibt stattdessen eine durchgehende Mittelkonsole mit Touchscreen, auf dem man fröhlich herumspielen kann im Falle der Langeweile. Heck- und Seitenrollos herunterfahren beispielsweise. Oder die ganzen Optionen der Fondklimatisierung durchgehen. Oder die Massagefunktion aktivieren. Doch als Autoenthusiast möchte ich selbst im langen Chauffeur-G90 lieber vorn links sitzen (Massage gibt es hier freilich auch) und das Steuer in der Hand halten. Für mich spielt die Musik nämlich immer noch vorn. Und zwar ganz vorn unter der Motorhaube.

Mehr Beinfreiheit als im Genesis G90 ist fast nicht möglich.

Mehr Beinfreiheit als im Genesis G90 ist fast nicht möglich.

(Foto: Genesis)

Was steckt unter selbiger? Leider kein angemessener Achtzylinder mehr wie vor dem Facelift (hier ging Europa leer aus), stattdessen bloß ein etwas langweiliger V6 - sorry, Genesis, aber das ist die Wahrheit. Gewiss ist der 3,5 Liter große Brocken mit doppelter Turboaufladung und der Unterstützung mittels elektrischem Kompressor (48 Volt) kein Kind von Traurigkeit. Nein, mit 415 PS und 549 Newtonmetern im Wandler des automatischen Achtgängers geht es schon ganz gut voran. Der mit Allradantrieb ausgerüstete Koreaner schiebt und schiebt und schiebt. Keine sechs Sekunden dauert es, bis 100 km/h auf dem virtuellen Tacho stehen. Der Druck im Kreuz ist ausgeprägt, erst bei 250 km/h ist Ende.

Aber dennoch fehlt der feine, sogenannte TAU-Fünfliter aus dem Konzern mit seinen acht Zylindern. Dass der aktuelle Hightech-Sechsender unter Ausnutzung seines Drehzahlbands auch mal kernig durchklingt - geschenkt. Aber in der Bentley-Klasse mit sechs Zylindern zu hantieren, wird dem Segment irgendwie nicht gerecht. Funfact: Das bei Bentley angebotene V6-Hybridmodell als Basis ist wieder aus dem Programm geflogen.

Im Genesis G90 bekommen auch die Fondpassagiere eine gute Portion Infotainment ab.

Im Genesis G90 bekommen auch die Fondpassagiere eine gute Portion Infotainment ab.

(Foto: Genesis)

Und dann wäre da noch etwas. Zwar arbeitet Genesis durchaus mit wertigen Materialien, aber am Ende fällt das Interieur doch ein bisschen belanglos aus. Ja, der Hersteller verwendet sogar schickes, offenporiges Holz, um die Sinne anzusprechen. Genauso wie luxuriös wirkende Ziernähte. Aber irgendwie fehlt dann doch ein bisschen Raffinesse und das Finish, das in dieser Klasse nötig wäre. Andererseits, exklusiver als mit dem Genesis G90 geht es in der Luxusklasse nicht - jedenfalls unter der reinen Stückzahlbetrachtung.

Komfort ist das höchste Gut im ungewöhnlichen Koreaner

Ach ja, komfortabel ist der große 2,5-Tonner mit dem Riesenradstand von 3,37 Metern natürlich auch. Allerdings haben die Ingenieure das Fahrwerk für die Europäer angepasst und der Luftfederung eine gewisse Verbindlichkeit verpasst. Dennoch eliminiert er die Auswirkungen von Schlaglochpisten recht gekonnt. Sorge, mit dem Schiff im Parkhaus stecken zu bleiben? Weitgehend unbegründet, denn beim G90 werden nicht nur sämtliche Räder angetrieben, sie lenken auch.

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Wie steht es eigentlich um Exklusivität durch Individualität? Denkbar schlecht beim G90. Zehn Lacktöne, fünf Lederfarben - that's it. Und nicht zu vergessen die sechs verschiedenen Dekors.

Preislich landet man mit der Langversion übrigens bei exakt 126.180 Euro. Das ist ein Haufen Geld, klarer Fall. Geht der Preis für das Gebotene in Ordnung? Jein. Nüchtern betrachtet bekommt man jede Menge Auto mit ziemlich viel Komfort und verrückten Features. Punkt für Genesis. Andererseits fehlt der angemessene Antrieb, was schon schmerzt, zumal es ja einen Achtzylinder gab. Dass man den G90 jetzt bei moderater Gangart mit unter zehn Litern fahren kann, ist ja ein schöner Nebeneffekt, dürfte die anvisierte Klientel aber so gar nicht interessieren. Und für den Bentley- oder Maybach-Fahrer ist Genesis eben auch ein Noname-Label. Wobei das jetzt wieder ein bisschen ungerecht ist. Aber die Realität ist manchmal eben ungerecht.

Quelle: ntv.de

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