Ganz zufällig ein Straßenauto Porsche 911 GT3 RS - die radikale Rennmaschine
11.10.2022, 07:27 Uhr
Porsche stellt dem 911 GT3 nun die schärfere RS-Version zur Seite.
(Foto: Porsche)
Ab in den Grenzbereich der Unvernunft: Mit dem neuen GT3 RS kommt der neue "King of Elfer". So ein Auto gab es bei Porsche noch nie. Eine extreme Rennmaschine, die für die Straße eigentlich zu schade ist. Und von einer vom Aussterben bedrohten Art.
Bitte anschnallen, es könnte heute ein wenig schneller werden. Parken wir für einen Moment unsere nachhaltigen Gedanken am Straßenrand und driften in den Grenzbereich der Unvernunft. Türen auf für den neuen 911 GT3 RS. Einer der Letzten seiner Art. Ein kompromissloses Muskeltier, vom Aussterben bedroht. Noch nie zuvor hat Porsche ein so konsequent auf Performance ausgelegtes Straßenauto gebaut. Niemals war der Sprung von einer Generation zur nächsten größer. Dieser 911 GT3 RS ist die Essenz von Porsche, eine extreme Rennmaschine, die sich scheinbar nur zufällig eine Straßenzulassung ergaunert hat.
Der neue "King of Elfer" sieht radikaler aus als viele reinrassige Rennwagen. Ein Wunderwerk aus dem Windkanal. "Es gab kein Projekt, bei dem wir mehr Zeit im Windtunnel zugebracht haben", sagt Andreas Preuninger, Baureihenleiter der GT-Fahrzeuge. Über 250 Stunden kamen dabei zusammen, dazu 1500 Simulationen. Bei diesem Leuchtturmprojekt dreht sich wirklich alles um Aerodynamik.
Gigantischer Aufwand
Gemessen daran, dass es sich ja um ein Straßenfahrzeug handelt, wurde dafür ein gigantischer Aufwand betrieben. Vorne schaffen erstmals aktive, stufenlose Flügel-Elemente die Luft unterm Fahrzeugboden aus dem Weg, um den Auftrieb zu minimieren. Mittig unter der Fronthaube sitzt jetzt nur noch ein Kühler, bislang waren es drei. Der Mono-Kühler wiegt sieben Kilo weniger als die drei vorherigen zusammen. Zudem ist er effizienter und baut 30 Prozent kompakter. So schafft er zusätzlich Platz für weitere Aerodynamik-Elemente. Dafür entfällt der Kofferraum komplett.

"Es gab kein Projekt, bei dem wir mehr Zeit im Windtunnel zugebracht haben", sagt Andreas Preuninger, Baureihenleiter der GT-Fahrzeuge.
(Foto: Porsche)
Die warme Brise aus dem Kühler wird aufwändig um die Karosserie herumgeleitet, Finnen auf dem Dach verhindern, dass sie hinten wieder zum Motor strömt und angesaugt wird. Dazu kommen Sideblades, Öffnungen in den Kotflügeln, ein Heckdiffusor und ein stattlicher aktiver Heckflügel (zweiteilig), der sich automatisch oder per Knopfdruck verstellen lässt. Sogar Bauteile des Fahrwerks wurden windschlüpfrig in Tropfenform konstruiert. Das gesamte Aerodynamikpaket sorgt laut Porsche bei 285 km/h für einen Abtrieb von 860 Kilo, bei Tempo 200 sind es noch über 400 Kilogramm, mit denen der sportlichste Elfer auf die Straße gepresst wird. Der sogenannte Downforce konnte im Vergleich zum alten GT3 RS verdoppelt werden.
Leichtbau dank Karbonteilen
Das zweite große Thema heißt Leichtbau. Die Außenhaut ist im Prinzip komplett neu, kaum ein Teil stammt noch vom Serien-Elfer. Um auf das Kampfgewicht von 1450 Kilo zu kommen, sind Karosserie-Komponenten wie vordere Kotflügel, Dach, Front- und Heckdeckel sowie der komplette Heckflügel inklusive Träger aus leichtem Karbon gefertigt. Erstmals bestehen auch die Türen aus CFK, das alleine bringt fünf Kilo. Dazu sind alle Scheiben extra dünn und leicht, innen sparen die serienmäßigen CFK-Vollschalensitze zusätzlich Gewicht.
Wer sich in diese Schraubzwingen einfädelt, landet mitten im Motorsport. Alles, was jetzt folgt, ist nicht auf pure Beschleunigung oder Highspeed konditioniert, sondern auf optimale Kurvengeschwindigkeit und maximalen Fahrspaß. Im Vergleich zum Vorgänger wurde die Leistung des im Detail überarbeiteten 4,0-Liter Sechszylinder-Boxers nur um 11 kW/15 PS auf 386 kW/525 PS angehoben. Und mit 296 km/h Spitze bleibt erstmals ein GT3 RS unter der 300er-Marke. Doch die Souveränität, mit der sich der Modellathlet in Kurven wirft, ist einfach nur spektakulär, eine völlig neue Dimension. Der schärfste Serienelfer aller Zeiten verschiebt den Grenzbereich noch einmal ein riesiges Stück nach oben. Er macht aus mäßigen Fahrern schnelle und aus guten Piloten Profis.
Dabei ist das Fahrwerk in der Grundeinstellung so ausgelegt, dass es für 90 Prozent aller Fahrer passen soll. Die restlichen, wirklich ambitionierten Racer können nun über vier Drehknöpfe am Lenkrad ihr Sportgerät schon während der Fahrt komplett individuell konfigurieren. Erstmals in einem Serien-Porsche lassen sich sogar Druck- und Zugstufen der Dämpfer mehrstufig verstellen. Dafür mussten früher gelenkige Mechaniker unters Auto krabbeln und holten sich schmutzige Finger.
"Wir waren echt mutig"
Die Möglichkeiten dieser irrsinnigen Doktorarbeit werden Feierabend-Drifter kaum ausschöpfen können und der Autor dieser Zeilen stößt an seine Grenzen, wollte er all die Finessen des neuen GT3 RS im Detail beschreiben. Selbst Preuninger gibt zu: "Als wir das Auto im Konzept festgelegt haben, waren wir echt mutig."
Aber auch Normalos ohne Fahrerlizenz merken schnell, wie dieser Windhund auf Rennstrecken dressiert ist. Wie berechnend er in Kurven sticht, wie die Aerodynamik hilft, das Auto beim Anbremsen aus hoher Geschwindigkeit stabil zu halten, wie die Elektronik unterstützt, damit man ohne peinliche Pirouetten wieder zügig aus der Kurve kommt. Dazu serviert das kurz abgestufte Doppelkupplungsgetriebe ein sieben Gänge-Menüs, das immer passt und der Sechszylinder bläst bis 9000 Umdrehungen einen Marsch, der selbst reinen Rennwagen zur Ehre gereichen würde.
Der gehört auf die Rundstrecke
I n diesem Kontext von so etwas wie Alltagstauglichkeit zu sprechen, wäre übrigens abwegig. Der Kerl gehört auf die Rundstrecke, nicht auf die Straße. Er hat keinen Platz, weil hinter den Sitzen ein Karbon-Käfig für Stabilität sorgt. Er hat keinen Komfort, weil ihn sowieso keiner einfordern würde. Und er hat null Ambitionen, im Stadtverkehr zu reüssieren. Was soll er auch da?
Dafür bringt der 911 GT3 RS alle Anlagen mit, seine Besitzer glücklich zu machen. Gute Kunden des Hauses, die einen zum Listenpreis von 229.517 Euro "zugeteilt" bekommen, ergattern eine der vermutlich bestverzinsten Aktien dieser Tage. Eine ordentliche Wertsteigerung gehört da quasi zum Garantieumfang. In den USA, wo Händler keiner Preisbindung unterliegen, wird der neue 911 GT3 RS bereits mit einem Aufschlag von 250.000 Dollar über Listenpreis gehandelt. Und das Rennen hat gerade erst begonnen.
Technische Daten
- Zweitüriges Sportcoupé
- Länge: 4,57 Meter, Breite: 2,03 Meter, Höhe: 1,32 Meter,
- 4,0-Liter Sechszylinder-Sauger-Benziner, Leistung 386 kW/525 PS, max. Drehmoment 465 Nm bei 6300 U/min,
- Gewicht 1450 kg
- Siebengang-Speed-Automatikgetriebe (PDK)
- 0-100 km/h: 3,2 s, 0-200 km/h 10,6 s, Vmax: 296 km/h
- Verbrauch kombiniert 13,4 l/100 km (WLTP)
- CO2 305 g/km
- Effizienzklasse G
- Preis: ab 229.517 Euro
Quelle: ntv.de, Tomas Hirschberger, sp-x