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Valeris unter Strom Rettungseinsatz mit dem E-Krankenwagen

Mit einer Reichweite von 120 Kilometern kann der eValeris nur über die kurze Distanz eingesetzt werden.

Mit einer Reichweite von 120 Kilometern kann der eValeris nur über die kurze Distanz eingesetzt werden.

(Foto: Daimler)

Ein Rettungswagen, der mit Strom betrieben wird? Ein riskantes Unterfangen, denn nicht nur der Vortrieb, sondern auch die medizinischen Geräte bis hin zum Defibrillator müssen aus der Batterie gespeist werden. Ein Unternehmen in Sachsen-Anhalt hat dennoch einen ersten Ansatz gewagt.

Blaue Blitze zucken durch den regengrauen Tag und eine schrille Sirene zerreißt die Stille. Doch an der Quelle dieses Spektakels herrscht eine gespenstische Ruhe. Denn Blaulicht und Martinshorn sind montiert auf dem Prototyp eines batteriebetriebenen Krankenwagens, mit dem der Branchengigant Ambulanzmobile aus Schönebeck bei Magdeburg die elektrische Revolution ins Rettungswesen tragen will. Statt des Knurrens eines Mercedes-Diesel ist in diesem Valeris auf Basis des Mercedes Sprinter nur das leise Surren einer E-Maschine zu hören.

Der E-Sprinter von Mercedes bringt es lediglich auf 60 Kilometer. In Schönebeck hat man die Reichweite verdoppelt.

Der E-Sprinter von Mercedes bringt es lediglich auf 60 Kilometer. In Schönebeck hat man die Reichweite verdoppelt.

(Foto: Daimler)

"Die Elektrifizierung hat längst alle Bereiche des Verkehrswesens erfasst", sagt Verkaufsleiter Frank Lundershausen, "da wollten wir nicht hintanstehen". So ist im Frühjahr 2020 die Idee eines elektrischen Krankenwagens entstanden, die binnen sechs Monaten umgesetzt wurde. Das ist jetzt etwa ein Jahr her, die ersten drei Monate im Test bei der Johanniter-Unfall-Hilfe in Bindow bei Königs Wusterhausen haben die Sanitäter unter Strom schon hinter sich und jetzt ist der Krankenwagen zu ersten Optimierungen und für weitere Demonstrationen wieder zurück in der Zentrale, wo rund 300 Mitarbeiter pro Jahr etwa 1500 Fahrzeuge umbauen.

Basis ist E-Version des Sprinter

Basis für den Umbau war die elektrische Version des Mercedes Sprinter, der auch unter den konventionellen Krankenwagen für Verkaufschef Lundershausen eine große Zugnummer ist. Bei dem Umbau, der am Ende rund drei Monate gedauert hat und später mal in drei Wochen passieren soll, haben die Sachsen-Anhalter zwar eng mit Mercedes kooperiert, vom eigentlichen Antrieb und der sonstigen Fahrzeugtechnik aber die Finger gelassen.

Erstens, weil sie nicht ins Energiemanagement des Autos eingreifen wollten. Zweitens, weil sie sich bei der medizinischen Ausstattung nicht auf Automobiltechnik verlassen wollten. Und drittens, weil die ganzen zusätzlichen Apparate die Akkus viel zu früh in die Knie gezwungen hätten. Schon ohne zusätzliche Verbraucher ist der e-Sprinter kein Langstreckenläufer. "Aber mit der Medizintechnik wäre die Reichweite auf 40 oder 50 Kilometer geschrumpft", stöhnt ein Techniker aus dem Team des Umrüsters.

Eigene Stromversorgung im Heck

Also haben sie in Schönebeck eine zweite, völlig autarke und mit einem eigenen Steuergerät abgesicherte Stromversorgung im Heck installiert, mit der sie das mobile Krankenzimmer klimatisieren, den Spritzenautomaten und die Vakuummatratze betreiben und im Fall der Fälle auch den Defibrillator laden können. "So ist die Versorgung der Patienten unabhängig vom Ladestand der Fahrbatterie gesichert", sagt Lundershausen, während er unter einem kleinen Schrank mit Verbandsmaterial im Stuhl neben der Liege Platz nimmt.

Mindestens 40 Minuten muss der eValeris an die Dose, um den Akku wieder auf Leistung zu bringen.

Mindestens 40 Minuten muss der eValeris an die Dose, um den Akku wieder auf Leistung zu bringen.

(Foto: Daimler)

Während sich für Patienten und Pfleger außer vielleicht der größeren Ruhe beim Transport nichts ändert, muss sich der Fahrer schon ein wenig umstellen: In der Stadt, weil der elektrische Sprinter trotz seiner eher bescheidenen 116 PS flüssiger und auch ein bisschen besser beschleunigt als die Diesel und man im Einsatz so noch leichter durch die Rettungsgasse rutscht. Und über Land, weil nicht nur die Geschwindigkeit auf 120 km/h limitiert ist, sondern weil bei einer Batteriekapazität von 55 kWh die Reichweite nicht über 120 Kilometer hinausgeht. Und das, obwohl Lundershausen und seine Kollegen beim Ausbau auf jedes Kilogramm geachtet und das Gewicht trotz des doppelten Akku-Packs unter 3,5 Tonnen gehalten haben. Das war nicht nur wichtig für den Aktionsradius. Damit reicht auch der herkömmliche Pkw-Führerschein und der eValeris kann von jedem Sani gefahren werden.

Mindestens 40 Minuten Zwangspause

Limitierte Reichweite, beschränkte Geschwindigkeit und die Zwangspause von mindestens 40 Minuten an der Ladesäule für die ersten 80 Prozent mit der 80 kW starken DC-Ladung - das sind die Gründe, weshalb sich Lundershausen erst einmal an einem Kranken- und nicht an einem Rettungswagen versucht hat. Denn während Letzterer unvorhersehbare Notfalleinsätze fährt und deshalb immer und ohne Einschränkungen funktionieren muss, werden Autos wie der elektrische Valeris vor allem für geplante Fahrten genutzt. "Die bringen Patienten von einer Klinik zur anderen, fahren sie zur Dialyse oder zum Facharzt, bringen sie ins Altenheim oder nach Hause", fasst er das Aufgabenspektrum zusammen.

"Da weiß man heute in der Regel, was morgen ansteht und kann Routen und Ladepausen entsprechend organisieren." Und selbst wenn aus den 120 Kilometern Reichweite doch schnell mal nur 90 oder 100 Kilometer würden, käme man damit im Alltag schon relativ weit. Für Großstädte wie Berlin oder München tauge des jedenfalls noch nicht. Aber in kleineren Kommunen oder für den lokalen Verkehr in großen, weit verzweigten Kliniken sei der elektrische Krankenwagen bereits völlig ausreichend, analysiert Lundershausen die Marktlage.

Preis schockt die Kundschaft

Nach dem Gesamtumbau zum eValeris kostet der Krankenwagen 150.000 Euro - fast das Doppelte eines herkömmlichen Rettungswagens.

Nach dem Gesamtumbau zum eValeris kostet der Krankenwagen 150.000 Euro - fast das Doppelte eines herkömmlichen Rettungswagens.

(Foto: Daimler)

Kein Wunder also, dass der Verkaufschef reichlich Interesse bei den Kunden registriert und seit dem ersten Testeinsatz in Bindow regelmäßig neugierige Anrufe von anderen Sanitätsdiensten bekommt. Von der reduzierten Reichweite lassen die sich meist nicht einmal erschrecken.

Doch spätestens wenn es ums Geld geht, lässt das Interesse schlagartig nach, räumt Lundershausen ein. Denn wo es einen konventionellen Krankenwagen-Ausbau aktuell für etwa 30.000 Euro plus Basisfahrzeug gibt, hat Ambulanzmobile den elektrischen Sanka mit einem Kaufpreis von etwa 150.000 Euro veranschlagt. "Das ist fast das Doppelte", muss Lundershausen einräumen. Solange es für solche Fahrzeuge keine spezielle Förderung oder sonst einen Anreiz für den Umstieg gibt, will und kann sich das kaum einer leisten.

Entmutigen lässt sich der Verkaufsleiter davon allerdings nicht. Einmal mit der Elektromobilität in Kontakt gekommen, steht Lundershausen längst unter Strom und treibt die Elektrifizierung des Rettungswesens tapfer voran. Den ersten Prototypen will er deshalb schon bald verkaufen und ein zweites Auto ist auch schon in Arbeit.

Quelle: ntv.de, Benjamin Bessinger, sp-x

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