Großer Schritt gegen Konkurrenz Yamaha MT-10 - noch dichter an der R1
12.03.2022, 11:36 Uhr
Yamaha hat die MT-10, die sich vom Supersportler YZF-R1 ableitet, ordentlich überarbeitet.
(Foto: Yamaha)
Für Motorradfahrer, die keine Scheu vor Wind und Wetter haben und dabei auch noch schnell bewegt werden wollen, sind Hyper Nakeds genau das Richtige. Wenn dann auch noch ordentlich Leistung da ist wie bei der Yamaha MT-10, ist der Fahrspaß eigentlich garantiert.
Für Yamaha spielt die MT-Baureihe der unverkleideten Landstraßenroadster, im Firmenjargon Hyper Naked genannt, eine wesentliche Rolle: Fast die Hälfte aller verkauften Yamahas (47 Prozent) zählen zu dieser Gattung. Oberhaupt der vielköpfigen Familie, die mit der MT-125 bei den Leichtkrafträdern beginnt, ist die MT-10, die sich vom Supersport-Flaggschiff YZF-R1 ableitet und für 2022 kräftig überarbeitet wurde.
Das beginnt schon bei der polarisierenden Optik, seit jeher einem Erkennungsmerkmal der MT-10, die die Betrachter in zwei Gruppen teilt: diejenigen, die von der insektenartigen Front angezogen werden, und diejenigen, die das Aussehen rundweg ablehnen. In jedem Fall ist die MT-10 kein optisch eingängiges Motorrad, das den Mainstream bedient. Selbst wenn die Front mit den schmalen LED-Projektionsscheinwerfern und den weit abstehenden Ansaugnüstern durch das darüber liegende LED-Tagfahrlicht im Augenbrauen-Stil nicht mehr ganz so alienhaft daherkommt.
Sound nur für den Fahrer
Auch die akustische Außenwirkung hat abgenommen, obwohl der Crossplane-Vierzylinder mit 90-Grad-Hubzapfenversatz nochmals leistungsstärker geraten ist. Der in seinen Grundzügen vom Supersportler R1 abstammende Triebsatz wurde über eine neue Schalldämpferanlage - die übrigens aus Titan gefertigt ist - und einen renovierten Ansaugtrakt domestiziert, und dennoch hört und spürt der Fahrer den Ansaugsound noch stärker: zwei Öffnungen oben auf dem Tank sorgen dafür, dass er das spektakuläre Soundspektrum im landstraßenrelevanten Bereich von 4000 bis 8000 Touren fast für sich allein hat.
Verglichen mit dem Hochleistungsmotor der R1 zeigt sich das Triebwerk mit mehr Schwungmasse und weiteren Modifikationen rundum einsatzgemäß aufbereitet, denn statt der spitzen Leistungscharakteristik des Supersportlers punktet er in nahezu jedem Drehzahlbereich mit linearer Leistungsentfaltung. Das Leben auf der Landstraße leichter macht zudem der nun serienmäßige Blipper durch kupplungsloses Rauf- und Runterschalten im nicht ganz geschmeidigen Sechsganggetriebe und lässt ein wenig darüber hinwegsehen, dass der Kupplungshebel nicht einstellbar ist. Gegenüber dem Vorjahresmodell legt der MT-Treibsatz nochmal um 6 PS zu: 166 PS liegen bei 11.500 Kurbelwellenumdrehungen an, der Drehmomentgipfel von 112 Newtonmeter ist bei 9000 Touren erreicht.
Krafteinsatz entscheidet der Fahrer selbst
Wie diese Kraft zum Einsatz kommt, entscheidet der Fahrer über vier vom linken Lenker anwählbare Fahrmodi, die dank der Integration eines Schräglagensensors einen wesentlich größeren Funktionsumfang erhalten haben und der Fahrbarkeit zugutekommen. Dass die Fahrmodi nur im Stand umschaltbar sind, irritiert, wird aber von den Feintuning-Möglichkeiten während der Fahrt ausgeglichen: Über eine schnelle Tastenkombination lassen sich das Ansprechverhalten des Motors vierfach, die Schräglagen-Traktionskontrolle fünffach und die Slidekontrolle beim Herausbeschleunigen aus der Kurve dreifach variieren. Per Eingriff ins Menü, nur stehend über das unpraktische Drück- und Drehrad am rechten Lenkerende möglich, lassen sich der Aktionsradius der Wheeliekontrolle und neuerdings das Motorbremsmoment individualisieren.

Das 4,2 Zoll große Display der Yamaha MT-10 ist bestens ablesbar, lässt sich aber nicht mit dem Smartphone koppeln.
(Foto: Yamaha)
Apropos Menü: Der Pilot bekommt die Fahr- und Einstellungsinformationen durch ein neues 4,2 Zoll großes Farb-TFT-Display bestens ablesbar präsentiert. Das wirkt zwar nicht sonderlich groß, bietet seine Anzeigen aber scharf und klar ablesbar dar. Außerdem gibt es neben dem Landstraßenlayout noch einen reduzierten Track-Modus, der nur die wesentlichen Parameter fürs schnelle Fahren offeriert. Gemeinsam mit dem neuen Instrument halten ein Tempomat sowie ein Speed Limiter Einzug, die über zwei schnelle Tastendrücke aktiviert und programmiert sind.
Eng an Supersportler R1 gebunden
Mit dem Gebotenen kommt das Fahrwerk fast spielerisch zurecht, was nicht wundert, sind die Ähnlichkeiten zum Supersportler R1 noch enger als beim Antrieb. Vom Leichtmetall-Brückenrahmen über die voll einstellbaren KYB-Federelemente - hinten sogar in High und Low für die Druckstufendämpfung - reicht das Arsenal. Auf kurvigen Landstraßen fühlen sich die MT-10 und ihr Fahrer gut aufgehoben. Besonders handlich ist der Kraftprotz zwar nicht und verlangt zum Einlenken nach etwas Körpereinsatz, doch die neuen Bridgestone S22-Serienreifen sorgen für eine angenehme Neutralität und liefern ein gutes Feedback.
Ein weiterer Fortschritt betrifft die Bremsen, die nun von einer Radialpumpe für die beiden Scheibenbremsen vorn profitieren. Mit klarem Druckpunkt und hoher Effizienz gebieten sie dem Treiben notfalls Einhalt. Nur das ABS könnte an der Hinterhand etwas zurückhaltender zu Werke gehen. Zur sportlichen Fahrweise passt die leicht überarbeitete Ergonomie bestens: Aufrecht, aber vorderradorientiert sitzt es sich bei fast langstreckentauglicher Ergonomie mit gutem Knieschluss. Der Schutz vor Wind und Wetter hält sich bei einem Hyper Naked erwartungsgemäß in Grenzen.
Auf der elektronischen Seite hat die MT-10 einen gewaltigen Schritt in Richtung Konkurrenz getan, auch der mittenerstarkte Motor und das feine Chassis sorgen für einen hohen Unterhaltungswert auf der Landstraße. Ausstattungsmäßig wirkt die 12-Volt-Bordsteckdose etwas in die Jahre gekommen, auch fehlt dem TFT-Display eine Möglichkeit, sich mit dem Smartphone zu verbinden. Dennoch geht der gegenüber dem Vormodell um 1500 Euro auf wettbewerbsfähige 15.449 Euro gestiegene Preis durchaus in Ordnung.
Quelle: ntv.de, Thilo Kozik, sp-x