Liebe und Familie

Vater statt Samenspender Wie Co-Eltern zusammenfinden

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Bei Kinderwunsch gibt es viele Möglichkeiten der Elternschaft.

(Foto: imago/PhotoAlto)

Um ein Kind zu bekommen, gehen manche Menschen ungewöhnliche Wege. So wie Christine Wagner, die 2011 im Internet nach einem potenziellen Vater für ein Kind sucht. Heute ist ihre Tochter fünf Jahre alt. Sie wächst in einer Co-Elternschaft auf.

Es ist das Jahr 2011. Die Ärztin Christine Wagner lebt mit ihrer damaligen Partnerin in Berlin. Sie sind glücklich, eigentlich fehlt nur noch ein gemeinsames Kind, um ihr Leben perfekt zu machen. Als die 30-jährige Wagner ihren Kinderwunsch spürt, entscheidet sich das lesbische Paar für eine Familiengründung. Eine Samenspende kommt nach dem Blick ins Internet nicht infrage: Augenfarbe, Schulabschluss oder Größe geben potenzielle Samenspender auf den einschlägigen Webseiten an - aber das wirkt auf Christine Wagner absurd. Sie und ihre Partnerin wollen einen Vater für das Kind. Dafür gibt es im Internet kein Angebot.

Das bringt Christine Wagner auf eine Idee: Die Frauen gestalten eine Website, die sie "Familyship" nennen. Dort schildern sie ihren Kinderwunsch und treffen schon nach wenigen Wochen den baldigen Vater zum ersten Kennenlernen. Die erste Begegnung beschreibt sie als "super aufregend". "Es ist wie ein Date. Man sucht wirklich jemanden, mit dem man den Rest seines Lebens in Verbindung steht", berichtet Wagner von dem ersten Treffen in Berlin. "Kennengelernt haben wir ihn schon vier Wochen nachdem wir die Seite ins Leben gerufen haben. Aber bis wir uns entschieden haben, haben wir uns noch ein Jahr für das Kennenlernen Zeit gelassen." Ein Jahr später ist Wagner schwanger.

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Christine Wagner lebt in einer Co-Elternschaft.

(Foto: Privat)

Dieses Modell nennt sich Co-Elternschaft (englisch: Co-Parenting). Co-Eltern sind Männer und Frauen, die ohne eine Liebesbeziehung und Sex ein gemeinsames Kind bekommen. Oftmals sind es auch homosexuelle Paare, die mit einem Mann oder einer Frau eine sogenannte Mehrelternschaft eingehen wollen. Sorgerecht, Finanzen und Betreuungszeiten werden klar abgesprochen. So kann das Sorgerecht bei Mutter und Vater liegen oder beispielsweise ausschließlich beim schwulen oder lesbischen Paar. Genaue Zahlen zur Co-Elternschaft gibt es nicht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten 2016 rund 14.000 Kinder in sogenannten Regenbogenfamilien.

Nachdem Christine Wagners Tochter auf die Welt gekommen ist, war der Sinn der "Familyship"-Seite eigentlich erfüllt. Weil sich aber so viele Menschen für das Co-Parenting interessierten, ließen die Frauen die Plattform einfach weiterlaufen. Heute ist es ein kleines Unternehmen, das aber nahezu ehrenamtlich betrieben wird, um Menschen mit Familienwunsch zusammenzuführen.

Aktiver Vater oder Vater mit Onkelfunktion

"Gründe die Familie, die zu dir passt", heißt es dort. Viele Menschen melden mit einem kleinen Steckbrief an. So können die Männer sich als "aktiver Vater", "Vater mit Onkelfunktion" oder "Samenspender" eintragen. Für Frauen gibt es Beschreibungen wie "aktive Mutter" oder "Mutter mit Tantenfunktion". Wer dann interessiert ist, kann sich Nachrichten schicken und bestenfalls im realen Leben treffen und kennenlernen.

Co-Parenting ist ein Modell, das nicht nur für Homosexuelle interessant ist. "Auch heterosexuelle Frauen meldeten sich, die mit Ende 30 ein Kind haben wollten." Wie viele Menschen durch ihre Community eine Familie gegründet haben, weiß Christine Wagner nicht. Aber die Babyfotos, die in ihren Briefkasten flattern, sind ein lebendiger Beweis für den großen Erfolg.

Auch Jahre später kann sie das kaum glauben: "Es ist dann schon ein bisschen abstrakt, ich sitze hier am Computer und mache etwas - und am Ende kommen wirklich Kinder auf die Welt. Manchmal werden sie mir dann auch vorgestellt", erklärt Wagner und lacht verlegen.

Die Gesellschaft ist aus ihrer Sicht jetzt schon offen für das Modell Co-Elternschaft. Dadurch, dass auch die klassische Beziehungen nicht immer halten, würden automatisch schon andere Formen entstehen: "Viele sind alleinerziehend, bei geschiedenen Paaren entstehen Patchwork-Konstellationen. Das sind alles neue Familienformen. Wir gründen quasi von vornherein eine neue Form - aber wie es hinterher gelebt wird, ist schlussendlich gar nicht so anders."

Heute ist ihre Tochter Milla fünf Jahre alt. Von ihrer damaligen Partnerin ist sie getrennt, der Vater ist aber weiter in ihrem Leben und kümmert sich um die gemeinsame Tochter. Für sie funktioniert das Modell Co-Parenting. Und sie bestärkt andere, offen zu sein: "Es braucht eigentlich nur den Mut, den Gedanken zuzulassen, dass etwas anderes möglich ist als das Modell, mit dem wir aufgewachsen sind." Ihre Tochter hat viel "exklusive Mamazeit oder Papazeit", sie wünscht sich aber auch manchmal mehr gemeinsame Zeit. Und am Ende sind Christine Wagner, Milla und der Co-Vater eine ganz normale Familie.

Quelle: ntv.de

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