
Hans Stefan Steinheuer führt das Haus in dritter Generation nun schon 37 Jahre. 1986 kam der erste Stern, zwölf Jahre später der zweite.
(Foto: imago stock&people)
Die Juli-Flut 2021 hat das Ahrtal verwüstet, doch besonders Winzer und Gastronomen haben angepackt, um ihre Städte aufzuräumen. Wie die Familie des Sternekochs Hans Stefan Steinheuer: Zuerst hat man freiwillige Helfer verköstigt, jetzt kommen die Gäste wieder. Ein Besuch in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Nun ja, liebe Leserinnen und Leser, eigentlich hätte ich Lust gehabt, einen herben Verriss zu schreiben, eine Schmähkritik, eine kulinarische Verwünschung. Allein: Es geht nicht. Und das liegt nicht daran, dass ich sanft gestimmt bin, nachdem ich durch die gänzlich verwüstete Altstadt von Bad Neuenahr-Ahrweiler gegangen bin, mit schockiertem Gesicht, weil das Ausmaß der Zerstörung und die langwierige Beseitigung der Flutfolgen einfach so fundamental sind.
Das ist keine Übertreibung, es sieht hier immer noch niederschmetternd aus: Alle Häuser in den Erdgeschossen leer, kein Laden, kein Restaurant geöffnet, die Trocknungsgeräte röhren ohrenbetäubend vor sich hin und nachts ist die einst wunderschöne Altstadt verwaist - dabei hatten sie vor der Flut die zweitmeisten touristischen Übernachtungen in Rheinland-Pfalz nach Mainz. Heute sind nur ein Zehntel der Betten verfügbar. Es ist für Gastronomen, Gäste, Hoteliers eine Katastrophe.
In der ersten Woche nach der Flut hatte kaum jemand im Ort Strom und Gas, warmes Essen gab es nicht. Doch Steinheuers konnten kochen und sie taten es: Vor ihrem Lokal versorgten sie das halbe Dorf. Das zeigt den Stellenwert dieses Betriebes, der längst ein gastronomischer Leuchtturm ist: Ein Gourmetrestaurant mit zwei Sternen, gleich nebenan der urigere Gasthof, beides untergebracht in einem schönen Landhaus, in dem es im modernen Neubau gegenüber auch sehr geräumige Zimmer gibt für die Gäste, die nach dem Genuss über Nacht bleiben möchten.
Eine Familie packt an
Bei aller Perfektion ist Steinheuers Welt aber auch: Familie pur. Da sind Hans Stefan und seine Frau Gabriele, die das Haus in dritter Generation nun schon 37 Jahre führen. 1986 kam der erste Stern, zwölf Jahre später der zweite. Seitdem verteidigen sie Sterne und Qualität. Nun ist Tochter Désirée ins Geschäft eingestiegen, sie ist die Sommelière des Hauses, ihr Mann Christian Binder, ein Brandenburger, ist Hans Stefans Sparringspartner am Herd.
In diesen Zeiten, in denen alle über Personalmangel und fehlende Fachkräfte klagen, sind Steinheuers fein raus: Den ganzen Abend über fehlt es den Gästen an nichts, die Servicekräfte sind immer und überall, schenken hier Wein nach, haben dort Zeit für ein Gespräch. Weil die Kernfamilie um sich herum eine größere Familie gebaut hat, bestehend aus langjährigen Angestellten - und aus ihren Stammgästen.
Da kann mein Nachbar einen Tisch weiter zum Dessert mal eben noch ein Tartar von den Vorspeisen bestellen, es geht auf 10 Uhr zu, kein Problem, sagt Gabriele und bringt den Wunsch in die Küche. In jene Küche, in der sie parallel für beide Restaurants kochen. Ich wollte explizit nicht im Gourmetrestaurant essen, sondern das Zweitrestaurant für diese Kolumne testen - immerhin wurde es einmal als bestes Gasthaus Deutschlands prämiert. Und diese Präzision und Qualität gilt bis heute. Der holzgetäfelte Saal ist an einem Mittwoch vollbesetzt, die Stimmung ist beinahe ausgelassen, es ist ein Stimmengewirr, ein Wohlfühlen, auch und gerade, weil die Teller stimmen.
Geschmackliche Highlights
Das beginnt schon, nach einem guten Brotkorb mit Butter und Olivenöl, bei der Vorspeise: Prawns mit frittierten Hummerbällchen, Avocado und Chillimayonnaise (20 Euro), das klingt nach Zeitgeist und erfreut Gäste, die sich in diesem traditionellen Rahmen moderne Gerichte wünschen. Doch gerade da lohnt der Blick aufs Detail: Die großen Garnelen sind glasig gebraten, der Salat mit kleinen Radieschenschnitzen ist frisch und gut mariniert, die Mayonnaise ist pikant und frisch zugleich. Doch bei den frittierten Bällchen sind wir bereits im Bereich der Hoch-Gastronomie: Sie sind mit Hummerfleisch gefüllt und so saftig und würzig, dass dem Gast schon hier klar ist, dass es ein Abend der geschmacklichen Highlights wird.
Ganz ruhig wird es an den Tischen nur in jenen Minuten, nach denen Gabriele Steinheuer die Kalbsbäckchen mit Strozzapreti und schwarzem Trüffel (25 Euro) aufgetragen hat. Es ist eine zufriedene Ruhe, nur das Geräusch von Besteck auf Tellern, ab und zu ein Ausruf der Freude. Zu Recht: Eine Nonna in Bologna hätte das Gericht nicht besser kochen können. Lang geschmort zerfallen die Bäckchen sprichwörtlich auf der Zunge, die Soße ist tief und dicht, der Gast kann die Röstaromen der eingekochten Gemüse schmecken. Dazu die bissfesten Nudeln, ein Hauch Parmesan, schöne Scheiben Trüffel. Das ist so ein Zwischengang, für den alleine man ein Restaurant immer wieder besucht.
Es gibt Kleinigkeiten, die darauf hinweisen, dass der Gast doch in einem Landgasthof sitzt. Die altbackenen, weißen Suppentassen für die Schwarzwurzel-Suppe mit Lachsstreifen (12 Euro) zum Beispiel. Die sind aber vergessen nach dem ersten Probieren. Ich habe Schwarzwurzel immer gehasst, diesen billigen, holzigen Spargelersatz. Steinheuers aber kochen die Velouté klassisch französisch, mit schön schaumiger Note, dünne Scheiben der Schwarzwurzel geben Biss und Süße und der Lachs wird nicht hauchdünn als Alibi-Einlage serviert, stattdessen sind es große, perfekt gegarte Stücke, die Sinn machen, weil sie den Geschmack für einen echten Zusammenhang mitbringen.
Glücklich machende Kombination
Hans Stefan Steinheuer und sein Schwiegersohn Christian Binder vermischen nicht so gern die beiden Restaurants und ihre Gerichte: Viele Gäste bleiben ohnehin zwei Nächte und besuchen erst die Poststuben und dann das Gourmetrestaurant. Doch wenn man sehr nett fragt, dann ist es auch möglich, ein Gericht aus dem Sternelokal zu bekommen. Das ist mein Glück: Denn der Kaisergranat, ein absolutes Luxusprodukt, ist nicht nur qualitativ 1a, fest und aromatisch, die Kombination ist so gelungen, dass klar wird, warum die beiden Köche zur absoluten deutschen Spitze zählen: Die Basis des Tellers bildet ein öliger Fond aus Pistazien, darüber ein Karotten-Schaum und glasierte Karotten, obenauf der mit gepufftem Quinoa gewürzte und in Nussbutter gebratene Kaisergranat. Es ist eine Wucht, eine so sinnvolle und glücklich machende Kombination, dass der Gast sprachlos zurückbleibt.
Am Nachbartisch werden gerade die Hauptgerichte aufgetragen, die Dame bekommt ein Lammfilet à point, der Familienvater einen Hirschbraten. Alles ist so puristisch und fein angerichtet, dass der Elfjährige fragt, ob er denn den Hirsch mal probieren könne - und auf die Frage, wie es schmeckt, nur schmatzend nickt. Und mehr muss man dann über die kulinarische Welt der Steinheuers eigentlich auch gar nicht wissen.
Steinheuers Restaurant Zur Alten Post, Landskroner Straße 110, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler, Ortsteil Heppingen, Dienstag und Mittwoch Ruhetag
Im Gourmetrestaurant Menü mit 4 Gängen 165 Euro, 6 Gänge 210 Euro www.steinheuers.de
Der Weintipp aus dem "Steinheuers Restaurant":
Der 2020er Riesling aus dem Weingut Meyer-Näkel. Eines der bedeutendsten Weingüter im Ahrtal. Der Familienbetrieb war von der Flut besonders schwer betroffen, die beiden Schwestern der Familie wollten noch Flaschen im Keller retten, als sie von den Fluten überrascht und mitgerissen wurden. Die eisige Nacht verbrachten sie auf einem Baum, bis sie ein Nachbar rettete.
Dieser Wein ist ein Zeugnis jener Nacht, die Etiketten sind durch das Wasser schwer beschädigt. Doch den Genuss hat die Flut nicht zerstören können: Der Riesling ist federleicht und aromatisch zugleich: Schon beim ersten Schluck legt sich eine Zitronennote auf die Zunge, danach kommen Apfel und tiefe Fruchtigkeit. Ein perfekter Begleiter für einen Apéro oder für ein Dîner mit Fisch und Meeresfrüchten.
Quelle: ntv.de