Panorama

Von Partner mit HI-Virus angesteckt Ex-Freundin bekommt Schmerzensgeld

ARCHIV - Der Teststreifen an einem HIV-Schnelltest verfärbt sich am 15.11.2016 in Berlin bei der Berliner Aids-Hilfe e.v. nach der Anwendung mit dem Blut eines jungen Mannes. Eine Frau fordert vor dem Oberlandesgericht München (Bayern) 160.000 Euro Schmerzensgeld von dem Mann, der sie mit HIV angesteckt haben soll. Das Oberlandesgericht verkündet am 08.02.2017 sein Urteil im Zivilprozess um die HIV-Infektion. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Der Mann machte trotz der Bitte seiner Freundin nur einen Gesundheitscheck statt eines HIV-Tests.

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Mehr als 70.000 Euro muss ein Mann seiner Ex-Freundin zahlen, weil er sie wissentlich mit HIV infiziert hat. Vor Gericht tritt er seinem Opfer nicht gegenüber. Stattdessen legt er ein abenteuerliches Gutachten vor, demzufolge das Virus gar nicht existiert.

Eine Frau lernt einen Mann kennen. Die beiden treffen sich öfter - irgendwann geht es um Sex. Weil die frühere Lebensgefährtin des Mannes an einer Immunschwäche gestorben ist, besteht die Frau auf einem Aidstest, bevor sie das erste Mal mit ihm schläft. Ein paar Monate später ist sie selbst HIV-positiv. In einem Zivilprozess fordert sie schließlich 160.000 Euro Schmerzensgeld von dem Mann. Dann fällt das Urteil: Zwar muss er tatsächlich zahlen, allerdings nicht einmal die Hälfte des geforderten Betrags.

ARCHIV - HANDOUT - Eine undatierte elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt mehrere Humane Immunschwäche-Viren (HIV). Eine Frau fordert vor dem Oberlandesgericht München 160.000 Euro Schmerzensgeld von dem Mann, der sie mit HIV angesteckt haben soll.(ACHTUNG: Verwendung nur zu redaktionellen Zwecken bei vollständiger Quellenangabe «Hans Gelderblom/Robert Koch Institut/dpa») Foto: Hans Gelderblom/Robert Koch Institut/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Humane Immunschwäche-Viren (HIV).

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Das Oberlandesgericht München hat der Frau 71.000 Euro Schmerzensgeld plus Zinsen zugesprochen. Der Beklagte muss außerdem ihre Anwaltskosten übernehmen und für eventuelle materielle und immaterielle Schäden, die ihr künftig entstehen, zu zwei Dritteln aufkommen. Denn: Er hat seine damalige Freundin bewusst getäuscht. Entgegen der Absprache mit ihr hatte er statt eines HIV-Tests lediglich einen allgemeinen Gesundheitscheck gemacht und ihr gesagt, bei ihm sei alles in Ordnung.

Daraufhin schlief die Klägerin im Juli 2012 zum ersten Mal mit dem Mann. Einige Monate später stand fest, dass auch sie HIV-positiv ist. Die Frage, mit der sich das Gericht vor allem beschäftigen musste, war, wann genau sich die Frau mit dem HI-Virus angesteckt hat. Ein sachverständiger Arzt hatte ausgesagt, dass es wahrscheinlich nicht gleich beim ersten Geschlechtsverkehr zur Ansteckung kam, sondern zu einem späteren Zeitpunkt.

Sorgfaltspflicht verletzt

Dies ist aus Sicht des Gerichts vor allem deshalb wichtig, weil es die Möglichkeit gibt, dass die Klägerin Zweifel an dem fälschlich behaupteten Aidstest gehabt und dennoch mit dem Lebensgefährten geschlafen hat. Eine "eigenverantwortliche Selbstgefährdung" der Frau könnte in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden - und das hat wiederum Einfluss auf die Höhe des Schmerzensgeldes.

Unstrittig ist, dass der Beklagte seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. "Im Grunde genommen hat die Person, die von einer HIV-Infektion Kenntnis hat, eine Aufklärungs- und Offenbarungspflicht", erläutert der Berliner Anwalt für Medizinrecht, Volker Loeschner. "Das liegt daran, dass HIV durchaus tödlich verlaufen und somit eine gefährliche Körperverletzung oder sogar eine Körperverletzung mit Todesfolge vorliegen kann." Zwar könne jeder selbst entscheiden, ob er einen HIV-Test machen will, betonte Loeschner. "Aber er darf die Frau dann nicht täuschen."

Beklagter leugnet Infektion

Der Beklagte selbst lieferte während des Prozesses überaus fragwürdige Argumente für seine Unschuld. Er ließ seine Anwältin die Expertise einer Ärztin vorlesen, in der es hieß, das HI-Virus gebe es überhaupt nicht und die Immunschwächekrankheit Aids habe damit rein gar nichts zu tun. Der Anwalt der Klägerin bezeichnete die Ausführungen als "weiteren Schlag ins Gesicht" seiner Mandantin.

Das Landgericht München hatte in vorheriger Instanz ein Schmerzensgeld von 110.000 Euro bewilligt, wogegen der Beklagte Rechtsmittel einlegte. Die Klägerin wiederum legte Anschlussberufung ein und erhob ihre Ursprungsforderung von 160.000 Euro. Nach der jüngsten Schätzung des Robert-Koch-Instituts lebten Ende 2015 rund 84.700 HIV-infizierte Menschen in Deutschland.

Quelle: ntv.de, jug/dpa

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