Todesfall in Krawall-Nacht Junger Mann in Frankreich stürzt von Dach und stirbt
30.06.2023, 22:07 Uhr Artikel anhören
Im Großraum Paris und in weiteren Städten gingen vergangene Nacht knapp 2000 Autos in Flammen auf.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
In der dritten Nacht voller Krawalle werden nach Angaben des französischen Innenministeriums mehr als 200 Polizisten verletzt. Es kommt auch zu einem Todesfall: In der Normandie stürzt ein junger Mann von einem Dach.
Am Rande der seit Tagen anhaltenden gewalttätigen Proteste in Frankreich ist ein junger Mann von einem Dach gestürzt und gestorben. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Abend mitteilten, ereignete sich der Vorfall bereits in der vergangenen Nacht an einem Supermarkt im nordfranzösischen Petit-Quevilly nahe der Stadt Rouen in der Normandie. Die genauen Todesumstände sind noch unklar.
Seit drei Tagen kommt es in vielen französischen Städten zu Ausschreitungen, bei denen Gebäude und Autos angezündet und Geschäfte geplündert werden. Um die Lage in den Griff zu bekommen, ist seit 21 Uhr auf Anweisung von Innenminister Gérald Darmanin landesweit der Nahverkehr mit Bussen und Straßenbahnen eingestellt worden. Großereignisse wie Konzerte wurden abgesagt, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurde verboten. Den nationalen Notstand rief die französische Regierung allerdings nicht aus.
Präsident Emmanuel Macron appellierte nach der dritten Krawall-Nacht am Mittag an das Verantwortungsbewusstsein von Eltern. Sie müssten ihre jugendlichen Kinder von der Teilnahme an Krawallen abhalten. Der Präsident machte auch die sozialen Netzwerke für die Gewalteskalation der vergangenen Tage verantwortlich. Dort seien gewalttätige Versammlungen organisiert worden. Außerdem habe er das Gefühl, dass einige Jugendliche auf der Straße Videospiele nachahmten. Macron kündigte an, dass die Behörden gegen Menschen vorgehen werden, die über die sozialen Netzwerke zu Krawallen aufrufen.
2000 brennende Autos
Auslöser der Unruhen war der Tod eines Jugendlichen nordafrikanischer Abstammung. Eine Motorradstreife in Nanterre bei Paris hatte den 17-jährigen Nahel M. am Dienstagmorgen am Steuer eines Autos gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Laut einem Bericht des "Guardian" ist es der dritte tödliche Vorfall dieser Art seit Beginn des Jahres. Gegen den Beamten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet, er kam in Untersuchungshaft. Der Einsatz der Waffe bei der Kontrolle war nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht gerechtfertigt.
Seitdem wird Frankreich von heftigen Unruhen erschüttert. Im Großraum Paris und in weiteren Städten gingen knapp 2000 Autos in Flammen auf, an rund 500 öffentlichen Gebäuden wie Polizeiwachen und Rathäusern wurde Feuer gelegt. Polizisten wurden mit Feuerwerkskörpern angegriffen. Mehrere Hundert Menschen wurden nach Angaben des Innenministeriums festgenommen und über 200 Polizeibeamte verletzt. Landesweit waren in der Nacht 40.000 Polizisten im Einsatz, um sich den Ausschreitungen entgegenzustellen, 5000 davon in Paris.
Kritik an französischer Polizei
Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf rief die französische Polizei angesichts der Unruhen auf, sich mit Rassismus in den eigenen Reihen auseinanderzusetzen. "Dies ist der Zeitpunkt für das Land, sich ernsthaft mit den tiefgreifenden Problemen von Rassismus und Diskriminierung in den Strafverfolgungsbehörden auseinanderzusetzen", sagte eine Sprecherin in Genf. Der "Guardian" berichtet, dass die meisten Opfer tödlicher Polizeischüsse seit 2017 schwarze Menschen oder Menschen mit arabischer Herkunft waren.
Das Pariser Außenministerium wies den Vorwurf zurück. "Jegliche Anschuldigungen, dass die Polizei in Frankreich systematisch Rassismus oder Diskriminierung betreibt, sind völlig unbegründet", hieß es. "Frankreich und seine Ordnungskräfte kämpfen entschlossen gegen Rassismus und alle Formen der Diskriminierung."
Quelle: ntv.de, chr/dpa/AFP