Haftbefehl gegen 15-JährigenStaatsanwalt geht von Mord aus

Es ist eine unfassbare Tat: Ein 15-Jähriger ersticht einen 14-jährigen Mitschüler in der Schule, weil er sich durch dessen Blicke provoziert fühlte. Die Staatsanwaltschaft geht von Mord aus, gegen den mutmaßlichen Täter wird Haftbefehl erlassen.
Gegen den 15 Jahre alten mutmaßlichen Täter ist nach der Bluttat in einer Gesamtschule in Lünen Haftbefehl wegen Mordes ergangen. Der Jugendliche wurde am Mittag in Dortmund dem Haftrichter vorgeführt. Die Untersuchungsrichterin habe die Vollstreckung in einer Haftanstalt angeordnet, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft anschließend mit. Gegen den Jungen besteht dringender Tatverdacht, am Dienstag einen 14 Jahre alten Mitschüler erstochen zu haben.
Der Jugendliche hatte nach seiner Festnahme gestanden, den Mitschüler in den Hals gestochen zu haben, weil dieser seine Mutter mehrfach provozierend angeschaut habe. Nach Angaben der Behörden ist der 15-Jährige polizeibekannt. Die Polizei hatte sich dabei auf die Einschätzung einer Sozialarbeiterin bezogen, die den Jungen als "aggressiv und unbeschulbar" einschätzte.
Die Mutter des 15-Jährigen, die an der Schule einen Termin mit ihrem Sohn bei einer Sozialarbeiterin hatte, wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft Zeugin des Verbrechens. Der Kriminologe Christian Pfeiffer bezeichnete den gewaltsamen Tod des 14-jährigen Schülers im Gespräch mit n-tv als "extremen Ausnahmefall".
Die Gewalt an Schulen sei in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich zurückgegangen, die Zahl der Tötungsdelikte durch Jugendliche habe sich seit 1993 halbiert. In Lünen müsse man Pfeiffer zufolge prüfen, "was mit einem Jugendlichen los ist, der so ausrastet". Offenkundig habe der 15-Jährige unter massivem Stress gestanden. "Er war gescheitert an dieser Schule, er war zwischenzeitlich woanders, er kehrt wieder zurück, Experten bezeichnen ihn als unbeschulbar. Offensichtlich war das für ihn ein mit ganz hohem Stress belasteter Tag, die Mutter ist dabei, ein Gespräch mit dem Sozialarbeiter steht an." Für die Tat habe dann wahrscheinlich ein winziger Auslöser gereicht, den der mutmaßliche Täter als Provokation interpretierte.
Dorothea Schäfer von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft forderte dennoch mehr Sozialarbeiter und Schulpsychologen. Gemessen an den Schülerzahlen gebe es zu wenige Experten, betonte Schäfer bei n-tv. Kinder und Jugendliche seien heute sehr vielen Einflüssen ausgesetzt, gleichzeitig blieben sie mehr sich selbst überlassen, weil Jugendeinrichtungen schließen und Eltern viel mehr arbeiten müssen. Auch Konflikttrainer Dirk Heinrichs mahnte, dass viele Kitas und Schulen ihrem Erziehungsauftrag nicht angemessen nachkommen können. Projekte zur Gewaltprävention dürften nicht nur eine Woche lang stattfinden, sondern müssten das ganze Jahr über verfolgt werden. Heinrichs beklagte bei n-tv, dass sich der Ton in der gesamten Gesellschaft verschärft habe. "Die Lunte wird immer kürzer, jeder fühlt sich immer gleich auf den Schlips getreten."
Derweil versammelten sich die Schüler und Lehrer aller Schulen in Lünen am Mittwoch um 12.00 Uhr zu einer Schweigeminute, wie ein Stadtsprecher mitteilte. Auch im Foyer des städtischen Rathauses verharrten rund 200 Menschen eine Minute in Schweigen. In der betroffenen Käthe-Kollwitz-Gesamtschule wurde ein Trauerraum eingerichtet und ein Kondolenzbuch ausgelegt. Auch im Lünener Rathaus konnten sich Menschen in ein Kondolenzbuch eintragen.