Panorama

Alle drei Tage ein Femizid Studie soll Daten zu Frauenmorden liefern

Die eindeutigste Form des Femizids sind Wissenschaftlern zufolge Tötungen aus allgemeinem Frauenhass.

Die eindeutigste Form des Femizids sind Wissenschaftlern zufolge Tötungen aus allgemeinem Frauenhass.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Auch in anderen Kontexten werden Frauen Opfer von Tötungsdelikten. Eine Studie will nun die Hintergründe von Femiziden umfassend erforschen. Der Weiße Ring appelliert indes an Kanzler Scholz.

Eine großangelegte Studie will den Hintergründen von Frauenmorden - sogenannten Femiziden - in Deutschland auf den Grund gehen. Zu den Tatmotiven zählten männliches Besitzdenken, patriarchalische Frauenverachtung, sexuelle Frustration und genereller Frauenhass, teilte das Institut für Kriminologie der Universität Tübingen (IfK) mit. Einzelfälle erregten zwar große mediale Aufmerksamkeit, allerdings fehlten umfassende Daten zu sogenannten Femiziden.

Das dreijährige Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Partner ist das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN). Ausgewertet werden sollen Akten aus Strafverfahren in Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2017. In diesem Zeitraum gab es in den vier Bundesländern 352 Tötungen von Frauen - wie häufig sie wegen ihres Geschlechts zum Opfer wurden, ist unklar. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen auch Vertreter von Polizei, Justiz und Opferschutzverbänden befragen.

Bisher konzentrierten sich Studien zu Tötungsdelikten mit weiblichen Opfern auf sogenannte Ehrenmorde oder Partnerschaftsgewalt, erklärte das Forschungsteam. Nun soll zum Beispiel auch das Prostitutions-, Zuhälter- und Rockermilieu in den Blick genommen werden. Wenig wisse man darüber hinaus über Frauentötungen durch Freunde, Arbeitskollegen oder flüchtige Bekannte.

Die eindeutigste Form des Femizids sind den Wissenschaftlern zufolge Tötungen aus allgemeinem Frauenhass. Gegenwärtig mache die Incel-Bewegung von sich reden, deren Mitglieder ihre Frauenfeindlichkeit mit sexueller Frustration rechtfertigten. Das Team will auch ermitteln, wie die Justiz geschlechtsbezogene Beweggründe bewertet. In der Diskussion über Femizide wird immer wieder die Forderung nach einem eigenen Straftatbestand laut.

Weißer Ring fordert sofortiges Handeln

Der Weiße Ring zeigt sich alarmiert ob der hohen Zahl von Tötungsdelikten gegen Frauen. Die Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, umgehend gegen Partnerschaftsgewalt an Frauen vorzugehen. "Alle drei Tage wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet", heißt es in dem Brief des Bundesvorsitzenden Jörg Ziercke. "Während die Zahl der Gewaltdelikte in Deutschland insgesamt seit Jahren rückläufig ist, gelingt es Staat und Gesellschaft nicht, diese Frauen vor ihren gewalttätigen Männern zu beschützen." Bei den Angriffen töteten diese auch immer wieder Kinder.

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"Die meisten Täter hatten ihre Tat sogar vorher angekündigt", schreibt Ziercke, der zehn Jahre lang Präsident des Bundeskriminalamts war. "Aber wenn sich die Frauen, von ihren Männern mit dem Tode bedroht, hilfesuchend an die Behörden wandten, zeigte sich der Staat oftmals buchstäblich hilflos." Ziercke fordert sofortiges Handeln, etwa beim "unzureichend umgesetzten Gewaltschutzgesetz". "Annäherungsverbote nach dem Gewaltschutzgesetz schützen niemanden, wenn sie nicht kontrolliert werden." In Spanien beispielsweise werde ein Bedroher in Echtzeit elektronisch überwacht und die Polizei und die Frau sofort informiert, wenn er sich dem Opfer nähert.

Der Brief ging nach Angaben des Weißen Ringes auch an Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesfamilienministerin Anne Spiegel sowie an die Ministerpräsidenten und mehrere Länderminister, insgesamt rund 70 Adressaten.

Quelle: ntv.de, chf/dpa

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