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Urteil für mehr Ehrschutz Twitter muss falsche Tweets selbständig löschen

Dem Urteil lag eine Klage des Antisemitismusbeauftragten Michael Blume zugrunde.

Dem Urteil lag eine Klage des Antisemitismusbeauftragten Michael Blume zugrunde.

(Foto: REUTERS)

Auf Anfrage seiner Nutzer muss Twitter beleidigende und falsche Tweets entfernen. Wie das Landgericht Frankfurt am Main urteilt, obliege der Plattform künftig zudem die Pflicht, gleichlautende und sinngemäße Wiederholungen unaufgefordert zu löschen. Dies gehöre zum Schutz des Persönlichkeitsrechts.

Twitter muss einem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zufolge ehrverletzende oder falsche Äußerungen über einen Menschen selbstständig und umfassend entfernen. Diese Lösch- und Unterlassungspflicht erstrecke sich dabei auf alle wortgleichen und sinngemäßen Wiederholungen per Tweet, entschied das hessische Gericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil in einem Eilverfahren, das der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume angestrengt hatte. Dieses ist aber noch nicht rechtskräftig.

Blume war vor Gericht gezogen, weil er auf Twitter zum Ziel von Beschimpfungen und verleumderischen Vorwürfen geworden war. Laut Urteil haben Betroffene im Fall einer Persönlichkeitsrechtsverletzung einen Unterlassungsanspruch, demzufolge Twitter die Verbreitung der entsprechenden Veröffentlichungen stoppen und diese löschen muss. Dieser Anspruch erstreckt sich demnach auch auf alle erneuten Veröffentlichungen in anderen Tweets, die die rechtswidrigen Behauptungen wortgleich oder trotz "gewisser Abweichungen" mit einem "identischen Äußerungskern" wiederholen, befand das Gericht.

Die Pflicht zur Prüfung entsprechender neu veröffentlichter Tweets ergebe sich aus den gesetzlichen Unterlassungsansprüchen der Betroffenen und sei von dem Unternehmen daher zu verlangen, stellte die zuständige Pressekammer klar. Twitter sei zuzumuten, "selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist", hieß es in deren Entscheidung. (Az 2-03 O 325/22)

Massive Beleidigungen blieben monatelang online

Nach Angaben der digitalen Menschenrechtsorganisation HateAid, die Blume bei seiner juristischen Auseinandersetzung mit Twitter unterstützt, zielt sie mit dem Verfahren auf "die mangelhafte Content-Moderation" des Unternehmens ab. Twitter habe die massiv diffamierenden und falschen Behauptungen über Blume trotz dessen mehrmaliger Meldungen über die gesetzlich vorgegebenen Verfahrenswege in Deutschland über Monate hinweg fast immer online gelassen.

Blume selbst sprach von einem "juristischen Erfolg". Er widme diesen dem US-Corona-Berater Anthony Fauci, erklärte er in einer gemeinsam mit HateAid herausgegebenen Erklärung. Fauci war vor wenigen Tagen von dem neuen Twitter-Eigentümer Elon Musk öffentlich scharf angegangen worden. Dieser hatte eine Anklage gegen Fauci gefordert, was Empörung auslöste.

Sorge um Musks Handhabung

US-Milliardär Musk hatte Twitter im Oktober für 44 Milliarden US-Dollar gekauft und einen chaotisch verlaufenden radikalen Umbau des weltweit genutzten Kurzbotschaftendiensts begonnen. Unter anderem entließ er die komplette Chefetage und rund die Hälfte der 7500 Angestellten. Mit Sorge wird außerdem beobachtet, ob Musk den Kampf gegen die Verbreitung von Hassbotschaften und Falschnachrichten bei Twitter einschränken könnte.

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Nach Angaben des Frankfurter Gerichts geht es in dem Fall um Kommentare aus dem September dieses Jahres, in denen Blume unter anderem "eine Nähe zur Pädophilie" unterstellt oder dieser als "Teil eines antisemitischen Packs" bezeichnet wurde. Alle diese "ehrenrührigen Behauptungen" seien "unwahr", urteilten die Richterinnen und Richter zugleich. Ihre Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Eine Berufung am Oberlandesgericht ist möglich.

Dieselbe Kammer des Frankfurter Landgerichts hatte die Facebook-Mutter Meta im April zu einem konsequenteren Kampf gegen Falschnachrichten verpflichtet. Sie verurteilte das Unternehmen in einem Rechtsstreit um die Verbreitung eines falschen Zitats der Grünen-Politikerin Renate Künast dazu, dieses eigenständig in allen Varianten zu entfernen. Ein erneuter Hinweis der Geschädigten auf etwaige neuerliche Veröffentlichungen sei nicht erforderlich.

Quelle: ntv.de, lno/AFP

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