Sorge um Menschenleben US-Fluglotse ist nach Beinahe-Zusammenstoß in Panik
16.05.2025, 11:40 Uhr Artikel anhören
Die Zahl der Beinahe-Kollisionen und gefährlichen Zwischenfälle im US-Luftraum ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
(Foto: picture alliance / AA)
Die Trump-Administration feiert sich für die umfangreichen Entlassungen, die auch die Luftfahrtbehörde FAA betreffen. Nach einem Beinahe-Zusammenstoß erhebt ein Fluglotse schwere Vorwürfe. Die Situation wird zunehmend bedrohlich für die Flugsicherheit.
In den vergangenen Monaten kam es in den USA zu massiven Entlassungen bei der Luftfahrtbehörde FAA. Unter den Entlassenen sind Hunderte sicherheitsrelevante Mitarbeiter wie Fluglotsen, Ingenieure und Inspektoren. Die FAA kämpfte bereits zuvor mit Personalengpässen und benötigt eigentlich 3000 zusätzliche Fluglotsen, um den steigenden Flugverkehr sicher zu bewältigen. Durch die Kürzungen verschärft sich der Personalmangel weiter und wird zunehmend bedrohlich für die Flugsicherheit.
Was das konkret bedeutet, schildert nun ein Fluglotse dem "Wall Street Journal". Jonathan Stewart überwachte am 4. Mai die Flugzeuge in der Nähe von Newark, im US-Bundesstaat New York, als er auf seinem Radargerät zwei Flugzeuge bemerkte, die sich aufeinander zubewegten.
Es handelte sich um ein Reiseflugzeug, das vom Flughafen Morristown abgeflogen war, und ein anderes kleines Flugzeug, das vom nahe gelegenen Teterboro, einem Drehkreuz für Geschäftsflüge, gestartet war. Ein Zusammenstoß in der Luft war nur noch Sekunden entfernt, da die Flugzeuge in der gleichen Höhe flogen.
Der erfahrene Fluglotse kritzelte die Rufzeichen der Flugzeuge und die Fluginformationen in sein Notizbuch, weil er befürchtete, dass die Radar- und Funkverbindung ausfallen könnte. Das war in den Tagen zuvor bereits passiert. Und er wies die Piloten an, die Flugzeuge voneinander wegzusteuern. Was sie auch taten. Die Katastrophe war abgewendet.
Schwere Vorwürfe
Doch Stewart war trotzdem schwer erschüttert. Kurz darauf schickte er eine E-Mail an die Manager der Federal Aviation Administration und kritisierte deren Führung. "Ich nehme meinen Job sehr ernst, ebenso wie die Sicherheit der Fliegenden, und bin stolz auf meine Leistung", schrieb er.
Aus Frustration über die derzeitige Arbeitssituation und den Beinahe-Zusammenstoß nahm Stewart stressbedingten Trauma-Urlaub. "Ich möchte nicht für den Tod von 400 Menschen verantwortlich sein", sagte er der Zeitung. Aus seiner Sicht müssen die Fluglotsen ausbaden, was anderswo falsch entschieden wird.
Mehrere Fluglotsen, mit denen Stewart zusammenarbeitet, haben sich ebenfalls beurlauben lassen. Einige berichten von technischen Störungen, die ihre Funkgeräte, Radargeräte und Backup-Systeme vorübergehend außer Betrieb gesetzt hatten. Jeder dieser Vorfälle war geeignet, katastrophale Folgen zu haben.
Videospiel im echten Leben
Stewart arbeitet nicht in einem Flughafentower. Er ist Supervisor bei Tracon, der Terminal Radar Approach Control. Der Standort in Philadelphia wickelt nicht nur den Verkehr für kleinere Regionalflughäfen ab, sondern überwacht auch die Flugzeuge, die Newark anfliegen. Er beaufsichtigt andere Fluglotsen und verfolgt gleichzeitig die Flugzeuge auf dem Radarbildschirm. "Es ist wie ein Videospiel, aber es ist, als würde man bei 250 Meilen pro Stunde (ca. 402 km/h) 3-D-Schach spielen", sagt er. "Wir sind die Jungs, die die Piloten nach Hause bringen."
Er werde sehr gut bezahlt, arbeite aber auch 60-Stunden-Wochen, in Nächten, an Wochenenden, Feiertagen oder Geburtstagen, berichtet er. Stewart sagte, die Fluglotsen seien nicht schuld an den jüngsten Verspätungen und Störungen. Die Fluglotsen hätten nicht "die Arbeit niedergelegt", wie United Airlines Chief Executive Scott Kirby kürzlich in einem Brief an die Kunden sagte.
Nicht der einzelne Vorfall sei das Problem. Die verschiedenen Situationen, in denen es gerade noch gut ging, summierten sich. In mehr als 25 Jahren hat Stewart in verschiedenen zivilen und militärischen Flugsicherungseinrichtungen gearbeitet, unter anderem in Miami und in New York. Seine Einschätzung: Wenn die Fluglotsen schlecht besetzt sind, verringert sich die Anzahl der Flugzeuge, die effektiv kontrolliert werden können.
Nach mehr als zwei Stunden höchster Konzentration werde man müde. "Wie bei allem anderen auch, gibt es einen Punkt, an dem man an seine Grenzen stößt", so Stewart. Bei dem Beinahe-Zusammenstoß war er bereits drei Stunden ohne Pause im Dienst.
Quelle: ntv.de, sba