Panorama

Eine Milliarde US-Dollar weniger Trump zerstört die lokale Lebensmittelversorgung

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Bei einer Auktion in Chesterhill stehen im Herbst größtenteils Kürbisse zum Verkauf.

Bei einer Auktion in Chesterhill stehen im Herbst größtenteils Kürbisse zum Verkauf.

(Foto: Lauren Ramoser)

Die Trump-Regierung streicht im März eine Milliarde US-Dollar für soziale Programme im eigenen Land. Die Sparmaßnahme trifft die Ärmsten, vor allem in ländlichen Regionen im Landesinneren, weit weg von den Metropolen der beiden Küsten. Denn hier kämpfen Einheimische gegen sogenannte Lebensmittelwüsten.

Mehrmals in der Woche finden sich viele der rund 270 Einwohner von Chesterhill im Südosten des US-Bundesstaates Ohio in einer Halle ein, um bei einer Auktion auf Lebensmittel zu bieten. Etwa 200 Bauern, viele von ihnen Amische, bieten hier je nach Saison unterschiedliche Gemüse- und Obstsorten an. Kürbisse, Pflaumen, Paprika, Mais, Zwiebeln, Äpfel und viele andere Sorten stapeln sich in Paketen oder auf Paletten. Auf einer Seite der offenen Halle fällt der Boden rund eineinhalb Meter ab. Dort können die amischen Bauern mit ihren Pferdewagen halten und ihre Lebensmittel barrierefrei ausladen.

Um die Paletten versammeln sich Menschen aus den umliegenden Orten, viele bringen sich Klappstühle für die Versteigerung mit. Die Auktionsleitung steht leicht erhöht und preist nach und nach die verschiedenen Waren an. Mit schneller Stimme, für Nicht-Muttersprachler kaum zu verstehen und verstärkt durch ein Mikrofon, greift sie Gebote auf und gibt dem Meistbietenden den Zuschlag. Geld und Lebensmittel wechseln noch vor Ort den Besitzer. Ein simples Prinzip, das ein großes Problem löst. Denn Chesterhill hat keinen Supermarkt. Wer frische Lebensmittel möchte, muss mindestens dreißig Minuten fahren.

Viele Amische bieten hier auch ihr Produkte an.

Viele Amische bieten hier auch ihr Produkte an.

(Foto: Lauren Ramoser)

Einer der größten Käufer ist die lokale Organisation Rural Action. Die gekauften Lebensmittel verteilt die Organisation in den umliegenden Kreisen an Tafeln – eine Win-win-Situation, die jetzt einen herben Dämpfer bekommt. "Die fehlende Finanzierung trifft die Bauern, indem einer der größten Kunden bei der Auktion wegfällt. Dadurch fallen die Preise, denn die Nachfrage ist deutlich geringer", erklärt Molly Sowash, Verantwortliche für nachhaltige Landwirtschaft bei Rural Action, im Gespräch mit ntv.de.

"Food Deserts" im dichtbesiedelten Ohio

In Regionen wie dieser kommt es auf lokale Organisationen an. Angesiedelt in den leuchtend grünen Hügeln der Hocking Hills kümmert sich Rural Action seit 1991 unter anderem um den Ausbau der Lebensmittelversorgung. Denn selbst im vergleichsweise dicht besiedelten Ohio gibt es sogenannte "Food Deserts", also Lebensmittelwüsten. Landstriche, in denen Einheimische über eine Stunde fahren müssen, um zu einem Supermarkt zu gelangen.

In vielen ländlichen Gebieten gibt es nur wenige Supermärkte. Viele haben kaum frisches Obst und Gemüse.

In vielen ländlichen Gebieten gibt es nur wenige Supermärkte. Viele haben kaum frisches Obst und Gemüse.

(Foto: Lauren Ramoser)

Dadurch fehlt vielen Menschen die Grundsicherung mit frischen Lebensmitteln und Nährstoffen. Bei einer Fahrt durch kleine, von Wald umschlossene Ortschaften passiert man lediglich hin und wieder einen Dollar General, eine Kette, die neben vielen Plastik-Produkten auch Tiefkühllebensmittel, Kaffee und Zerealien anbietet. Frische, unverarbeitete Lebensmittel gibt es nicht. In größeren Orten dominiert die riesige Supermarktkette Walmart. Zwar gibt es hier frische Lebensmittel, die Einnahmen fließen aber aus dem Bundesstaat in die Kassen des Großunternehmens. Ein Faktor, der die Krise aus Armut und Perspektivlosigkeit des Bundesstaates nur weiter verstärkt, denn im Heimatstaat von US-Vize-Präsident J.D. Vance regiert seit Jahren die Opioid-Krise.

Finanzierungsstopp trifft örtliche Betriebe und Arme

Ziel von Rural Action ist es daher, eine nachhaltige lokale Lebensmittelwirtschaft aufzubauen. Die Idee: Die regionalen Bauern sollen direkt mit Endverbrauchern verbunden werden, ohne auf Händler angewiesen zu sein. 2023 entsteht aus dieser Idee das "Farm to Food Pantry Project" (Vom Hof zum Vorratsschrank). Lokale Bauern liefern ihre Waren an kleine Läden, Tafeln und gemeinnützige Organisationen in den Regionen, in denen sich bislang kein Supermarkt gehalten hat. Bezahlt wurde das Projekt aus verschiedenen Töpfen der US-Landwirtschaftsbehörde. "Geplant war die Finanzierung bis 2027, bis sie unerwartet von der Trump-Regierung im März gestoppt wurde", erklärt Sowash. "Bauern hatten mithilfe des Geldes bereits Saatgut und Hilfsmittel gekauft, um das Programm weiter voranzutreiben. Kunden haben mit der Ernte für das kommende Jahr gerechnet."

Viele Bauern trifft die fehlende Finanzierung von bundesweit einer Milliarde US-Dollar schwer, denn das Programm war als Hilfe zur Selbsthilfe strukturiert. Rund 6,6 Millionen US-Dollar des staatlichen Geldes flossen in das Projekt, doch die Wirtschaftsleistung durch die Finanzierung überstieg das um ein Vielfaches. Das Geld diente als Antrieb für einen immer besser laufenden Wirtschaftsmotor in einer schwächelnden Region, schreibt die National Sustainable Agriculture Coalition in einem Bericht über die Auswirkungen des Finanzierungsstopps. Der geschätzte Umsatz durch das Programm liegt laut der Ohio Food Banks bei 28,6 Millionen US-Dollar.

Staatliches Geld schafft lokale Arbeitsplätze

Das Programm hat in den vergangenen Jahren viele junge Menschen zur Gründung eines Hofes oder Ladens motiviert und so der Region neuen Aufschwung beschert. Sechzig Prozent der Teilnehmer des Projekts haben ihr Geschäft erst maximal zehn Jahre, zeigen Daten vom Januar 2025 der Ohio Food Banks, also der Lebensmittel-Tafeln. Durch die Finanzierung konnten sie besser vorausplanen und wussten, dass sie auch in den kommenden Jahren Abnehmer für ihre produzierten Grundnahrungsmittel haben würden.

"Es war unglaublich entmutigend, von den Mittelkürzungen des Programms zu erfahren. Unser Hof hat direkt von diesem Programm profitiert, seit wir mit dem Anbau begonnen haben", erzählt Bäuerin Kara Olsen, die ihren Hof in erster Generation führt. "Ohne diese Unterstützung in den letzten Jahren hätte ich wahrscheinlich den Hof schließen müssen." In vielen Monaten seien die Bestellungen durch Rural Action die einzige sichere Einkommensquelle gewesen. "Es dauert lange, um sich einen Kundenstamm aufzubauen. Dieses Programm schließt diese Lücke." Damit ist sie nicht allein. Laut einer Umfrage der Ohio Food Banks geraten 55 Prozent der teilnehmenden Geschäfte ohne die Unterstützung in finanzielle Schieflage, 68 Prozent müssen die Zahl ihrer Mitarbeiter reduzieren, um sich über Wasser zu halten.

Suche nach neuen Finanzierungsquellen

Ob die staatliche Finanzierung wieder eingesetzt wird, ist völlig unklar. Molly Sowashs Prognose für die Region ohne die finanzielle Förderung der Regierung sieht düster aus. "Ich glaube, dass Bauern das Vertrauen in die Regierung verlieren werden", vermutet sie. "Einige landwirtschaftliche Betriebe und Lebensmittelunternehmen werden ihre Türen wahrscheinlich schließen. Familien, die Hunger leiden, werden weniger nahrhafte Lebensmittel zur Verfügung haben. Und die Mitarbeitenden von Tafeln werden mit der Last konfrontiert sein, knappe finanzielle Mittel so weit wie möglich zu strecken, um so viele von Hunger betroffene Gemeindemitglieder wie möglich zu versorgen."

Aktuell arbeitet sie mit ihren Kollegen mit Hochdruck daran, die Finanzierung durch private Spenden aufrechtzuerhalten, damit möglichst viele der teilnehmenden Geschäfte und Höfe geöffnet bleiben können. Denn die Probleme, die ohne diese Angebote auf eine sowieso gebeutelte Region zukämen, sind kaum absehbar.

Quelle: ntv.de

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