Rasante Omikron-Ausbreitung WHO: Bis Ende März jeder zweite Europäer infiziert
11.01.2022, 14:25 Uhr
In mehreren Ländern ist Omikron bereits die dominierende Variante.
(Foto: picture alliance/dpa/SOPA Images via ZUMA Press Wire)
Europa ist ein Epizentrum der Omikron-Variante. Die WHO sagt voraus, dass sich beim derzeitigen Ansteckungstempo über 50 Prozent der Bevölkerung mit der Mutante infizieren werden - allein in den nächsten sechs bis acht Wochen. Auch Geimpfte und Genesene seien häufiger betroffen.
Die Omikron-Variante könnte laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis März bereits die Hälfte der Menschen im Großraum Europa befallen haben. Der Direktor der WHO Europa, Hans Kluge, verwies auf entsprechende Berechnungen und die leichtere Übertragbarkeit der neuen Coronavirus-Variante auch bei Geimpften und Genesenen.
Omikron befalle wegen seiner Mutationen menschliche Zellen schneller, und dies betreffe auch Geimpfte und Genesene, sagte Kluge bei einer Online-Pressekonferenz. "Bei diesem Rhythmus sagt das Institute for Health Metrics and Evaluation voraus, dass sich mehr als 50 Prozent der Bevölkerung der Region in den kommenden sechs bis acht Wochen mit Omikron angesteckt haben werden", fügte er unter Verweis auf das Forschungsinstitut der University of Washington hinzu.
Die "beispiellose" Ausbreitung des Coronavirus macht sich laut Kluge bereits durch eine Zunahme der Covid-19-Patienten in Krankenhäusern bemerkbar, die Sterberate sei jedoch stabil. Die neue Infektionswelle setze "die Gesundheitssysteme und den Dienstleistungsbereich in vielen Ländern, in denen sich Omikron sehr schnell ausgebreitet hat, unter Druck", sagte der WHO-Vertreter. Dies drohe noch vielen weiteren Ländern.
"Immer noch große Ungewissheit"
Die WHO warnte davor, Covid-19 als eine endemische Erkrankung wie die Grippe zu behandeln. "Wir haben immer noch eine große Ungewissheit, und ein Virus, das sich recht schnell weiterentwickelt und uns vor neue Herausforderungen stellt. Wir sind sicherlich noch nicht an dem Punkt, an dem wir es als endemisch bezeichnen können", sagte die WHO-Notfallexpertin Catherine Smallwood.
Die WHO Europa ist zuständig für 53 Länder und Gebiete nicht nur in Europa, sondern auch in Zentralasien. Nach ihren Angaben berichteten zuletzt 26 dieser Länder, dass sich wöchentlich mehr als ein Prozent ihrer Einwohner mit dem Coronavirus ansteckten. Kluge betonte zugleich, Corona-Impfungen böten "weiterhin guten Schutz vor ernsthaften Erkrankungen und Tod, auch bei Omikron".
Manche Experten und Regierungsvertreter haben die Hoffnung, dass durch die schnelle Verbreitung der Omikron-Variante bald eine sogenannte Herdenimmunität, also ein Gemeinschaftsschutz gegen das Coronavirus, erreicht wird. So äußerte die dänische Epidemiologin Tyra Grove Krause auf Twitter "vorsichtigen Optimismus hinsichtlich der Lage, nachdem wir die Omikron-Welle überstanden haben". Smallwood von der WHO trat solchen Hoffnungen aber in der vergangenen Woche entgegen: Je stärker sich das Coronavirus in Form von Omikron ausbreite und vermehre, "desto wahrscheinlicher ist es, dass es eine neue Variante hervorbringt".
Aber auch wenn Omikron nicht die letzte Corona-Variante ist, die grassiert, könnte die Menschheit durch die in bisherigen Infektionswellen erworbene Immunität das Schlimmste bald überstanden haben. "Neue Varianten mögen uns herausfordern", schrieb Grove Krause. "Aber mit den Impfungen wird Sars-CoV-2 hoffentlich zu einem von vielen Atemwegsviren, mit denen wir normal leben können".
Omikron-Impfstoff in Entwicklung
Der speziell entwickelte Omikron-Impfstoff von Biontech/Pfizer soll im März zur Verfügung stehen, wie Pfizer-Chef Albert Bourla am Montag dem Sender CNBC sagte. Er wisse aber nicht, ob das Vakzin tatsächlich benötigt und verwendet werde.
Biontech gab mit dem britischen Unternehmen InstaDeep die Entwicklung eines Frühwarnsystems zur Erkennung potenzieller Hochrisikovarianten des Coronavirus bekannt. Das System, das unter anderem auf Künstlicher Intelligenz beruht, soll nach Unternehmensangaben durchschnittlich über 90 Prozent der von der WHO deklarierten Varianten bereits zwei Monate vor der offiziellen Ausweisung identifizieren können.
Am 11. Januar 2020 war aus der chinesischen Stadt Wuhan der erste Todesfall durch das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 gemeldet worden. Seitdem starben nach offiziellen Angaben weltweit fast 5,5 Millionen Menschen an den Folgen von Covid-19.
Hohe Todesrate in Polen
Deutschlands Nachbarland Polen überschritt derweil die Schwelle von 100.000 Corona-Toten, wie Gesundheitsminister Adam Niedzielski dem Nachrichtensender TVN24 sagte. Polen hat derzeit eine der höchsten Corona-Todesraten weltweit. In den vergangenen 14 Tagen wurden dort 14,31 Corona-Todesfälle pro 100.000 Einwohner registriert.
Nur Trinidad und Tobago, Moldau, Georgien, Ungarn und San Marino hatten im gleichen Zeitraum eine höhere Corona-Todesrate. Deutschland rangierte mit 4,31 Corona-Todesfällen pro 100.000 Einwohner weltweit auf Platz 26. In Polen sind nur rund 63 Prozent der Erwachsenen gegen Corona geimpft. Die Oppositionspartei Bürgerplattform warf der Regierung "fatale Untätigkeit" trotz der niedrigen Impfquote vor.
In Österreich hatte die Regierung hingegen bereits Ende vergangenen Jahres eine Corona-Impfpflicht für alle ab dem 1. Februar beschlossen. Am heutigen Dienstag traten zudem weitere Corona-Restriktionen in Kraft. Die Betreiber von nicht lebensnotwendigen Geschäften müssen nun den 2G-Nachweis ihrer Kunden überprüfen.
Außerdem muss nun auch im Freien eine FFP2-Maske getragen werden, wenn zu haushaltsfremden Menschen nicht mindestens zwei Meter Abstand gehalten werden können. Zur Kontaktreduzierung sollen Beschäftige "generell ins Homeoffice geschickt" werden. Italien hatte seine Corona-Regeln bereits am Montag erneut verschärft. Der öffentliche Nahverkehr und der Besuch von Restaurants, Kinos und Sportstätten ist nun Geimpften und Genesenen vorbehalten.
Quelle: ntv.de, mdi/AFP/rts